Nach zwei Wochen, gaben die Ärzte ihr Einverständnis, dass Alice nach hause durfte. Ihr Körper hatte sich, kräftemässig von den Strapazen erholt und auch alle anderen, inneren und äußeren Verletzungen, waren weitestgehend verheilt.
Conner war mit gemischten Gefühlen, auf dem Weg zu Alice. Ganz klar war er froh, sie endlich nachhause holen zu dürfen. Doch noch immer zeichnete sich nicht ab, wie es Alice psychisch ging. Was ihm Angst machte.
Dies bestätigte ihm auch der Psychologe, in dessen Arbeitszimmer Conner gerade saß.
„Haben sie mit Alice gesprochen? Wie schätzen sie ihren Gemütszustand ein?“
Dr. Burk lehnte sich in seinem Sessel nach hinten. „Ganz ehrlich muss ich zugeben, dass ich das nicht sagen kann. Ich habe gestern mit Alice gesprochen. Was jedoch nicht sehr hilfreich und aufschlussreich war.“
Das konnte sich Conner lebhaft vorstellen. „Sie mag Ärzte, wie auch Psychologen nicht sonderlich gerne.“
„Nach meiner Einschätzung nach, steht sie noch unter einer Art Schock, mit dem ihr Körper Alice schützt.“ Schilderte Dr. Burk weiter seine Prognose.
„Ein Schutz? Nach meiner Erfahrung nach, ist es doch besser, wenn das Erlebte aus einem raus bricht. Oder sehe ich das falsch?“
„Grundsätzlich haben sie recht. Doch es ist immer wieder ein schmerzhafter Prozess, das Erlebte, mit größter Sicherheit, noch einmal eins zu eins wieder zu erleben. Dies will eigentlich niemand. Außer wir Psychologen, weil erst dann, können wir mit unseren Patienten arbeiten.“
So was Ähnliches, hatte Conner bereits bei Alice erlebt.
„Sie kennen Alice Vorgeschichte, wie ich aus dem Gespräch mit ihr erfuhr.“
Conner nickte. „Ich lernte Alice kennen, als sie zurück nach Irland kam, nachdem sie von ihrem Ex Mann frei kam und im Frauenhaus und dort ebenfalls in Therapie war. Es war ein steiniger Weg, bis Alice da war, wo dieser Mistkerl wieder alles zerstörte.“ Jedes Mal, wenn Conner an ihn dachte, stieg Wut in ihm hoch.
„Der neue Weg, wird mit ziemlicher Sicherheit, um einiges anspruchsvoller werden. Ihr jetziger, relativ stabil scheinender Zustand, kann sich jederzeit ändern. Das muss ihnen bewusst sein.“
Das war es Conner. Mehr, als ihm lieb war. Er dachte an nichts anderes, wenn er hier her fuhr, um Alice zu besuchen. Jeden Tag, in den letzten zwei Wochen, wartete er darauf, dass sich etwas änderte. Die innere Anspannung, die dies mit sich brachte, machte ihn beinahe wahnsinnig. „Albträume, sich zurück ziehen, keine körperlichen Kontakt jeglicher Art, das Fehlen von Vertrauen, in sich und vor allem gegenüber anderen Menschen. Auch nicht in die, die sie lieben.“ Conner strich sich übers Gesicht und ließ seine Finger in seinen Haaren verschwinden. „Und dies wahrscheinlich in doppelter Ladung. Alice war zwar schon weit gekommen, jedoch noch nicht ganz oben angekommen.“ Conner seufzte.
„Dennoch muss ich sagen, dass sie eine wahre Meisterleistung vollbracht haben, dass Alice ihnen nach so kurzer Zeit, so sehr vertraute, um daraus Liebe werden zu lassen. Und sie sich sogar vorstellen konnte, wieder zu heiraten. Solche Prozesse, dauern in den meisten Fällen Jahre und werden nie wieder so, wie die Betroffenen und ihr Umfeld es gerne hätten.“ Dr. Burk musterte Conner. Er schien einer der Menschen zu sein, der alles zurück stellte, um für den Menschen da zu sein, den er liebte. „Vergessen sie sich in nächster Zeit, selber nicht. Wenn ich das so sagen darf. Es mag das erste Mal geklappt haben. Nun stehen jedoch auch sie in einer anderen Position und vor einer neuen Ausgangslage. Sie müssen nicht nur Alice, sondern auch sich selber Zeit geben. Wenn sie nicht mehr die selbe Geduld aufbringen können, wie zuvor, dann seien sie zu sich und Alice ehrlich und ziehen sich zurück. Es bringt niemandem was, wenn sie etwas erzwingen. Ihr Trauma, mag in ihren Augen nichts gewichten, im Gegensatz zu dem von Alice. Sie haben es dennoch erlebt und müssen dies auch erst einmal verarbeiten.“ Dr. Burks Blick war durchdringend und dennoch aufmunternd. „Wenn etwas sein wollte, melden sie sich bei mir. Sei es auch nur, wenn sie jemanden zum reden brauchen, der eine neutrale Sicht auf das Ganze hat. Dies kann manchmal von großer Wichtigkeit sein.“
„Danke.“ Conner nahm die Visitenkarte entgegen und gab Dr. Burk zum Abschied die Hand. Es wurde Zeit, seine Prinzessin abzuholen.Alice saß auf dem Bett und starrte in die Weite vor dem Fenster, ohne davor etwas zu fixieren.
Conner schloss kurz die Augen. Es würde nicht Wochen oder Monate dauern und unverhofft zuschlagen. „Alice Schatz. Bist du bereit zu gehen?“ Er drückte einen sanften Kuss auf Alice Haare, setzte sich zu ihr auf das Bett und sah ebenfalls aus dem Fenster. Die Sonne schien und auf dem Baum, sangen ein paar Vögel. Alice schien dies jedoch nicht wahr zunehmen.
Vorsichtig legte Conner seine Hand auf die von Alice, die auf dem Bett ruhte. Dabei sah er sie von der Seite an, um jede ihrer Regungen wahrzunehmen.Alice senkte den Blick auf ihre Hände. Drehte ihre so, dass sie diese mit der von Conner verschränken konnte. Dann hob sie den Blick und sah Conner direkt in die Augen. „Ich habe Angst.“, flüsterte sie.
„Wovor?“ Conner strich mit der freien Hand eine Haarsträhne hinter Alice Ohr.
Sie zuckte mit den Schultern. „Vor alle dem, was noch auf mich zu kommen kann und auch wird.“ Seufzend strich Alice mit ihrem Daumen, über Conners Handrücken. „Wirst du bei mir bleiben?“
„Natürlich werde ich das. Wann immer du mich bei dir haben willst, Kleines.“
Alice richtete ihren Blick wieder aus dem Fenster, als könne sie dort ihre Zukunft sehen. „Und wenn ich…auf einmal nicht mehr will, weil ich es nicht kann oder mir alles zu viel wird? Wenn ich gehen muss, um das alles wieder zu können, was ich mir zurück gekämpft habe?“
Conner wusste genau, was Alice ansprechen wollte. Dies zeigte ihm, dass sie nicht mehr in diesem Schockzustand steckte. Sie war sich vollkommen bewusst, was eintreten und wie weit dies gehen konnte. Vielleicht spürte es Alice bereits tief in ihrem Innern.
„Sie mich bitte mal an, Alice.“ Sanft und ohne Druck, nahm Conner Alice Gesicht zwischen seine Hände und sorgte damit dafür, dass sie ihn ansah. „Für den Rest meines Lebens. Weißt du noch?“
Alice nickte. Wie könnte sie dies vergessen. Conner hatte ihr den schönsten Heiratsantrag gemacht, denn sich Alice, nach der ganzen Zeit, wünschen konnte. Aus einem Antrag und der Vorfreude auf die Hochzeit, wurde ein Albtraum.
„Daran, hat sich nichts geändert. Ob mit oder ohne Ring und Trauung. Egal was kommt, ich werde da sein. Neben dir, wenn du das willst. Oder auch mit Abstand. Es spielt keine Rolle wie du mich brauchst oder auch was. Ich werde es dir versuchen zu geben. Weil ich dich liebe, Prinzessin. Das für immer und durch alle Höhen und Tiefen des Lebens. Das habe ich dir schon einmal bewiesen und werde es auch ein weiteres Mal und immer wieder, wenn es nötig ist.“
In Alice Augen, sammelten sich Tränen, die auch sogleich ihren Weg aus diesen fanden. „Jetzt im Moment, bräuchte ich gerade ganz dringend eine Umarmung.“ Alice sah fragend und bittend zugleich, zu Conner hoch.
„Die bekommst du immer wenn du sie brauchst, mein Schatz.“ Conner zog Alice in eine feste Umarmung.
Es würde alles wieder von vorne los gehen, dies spürte Alice. Mit dem einzigen Unterschied, dass Conner nun ein fester Bestandteil ihres Lebens war. Ihr Fels in der Brandung, dem sie vertraute, ohne wenn und aber. Egal was ihr Brian angetan hatte, sie projizierte es dieses Mal, nicht auf Conner oder andere Männer. Dieses Urvertrauen, hatte er ihr wieder zurück gegeben und es war nun fest genug in Alice verankert, dass es so schnell nicht wieder raus gerissen werden konnte. Dennoch schlich sich die Frage in Alice Kopf, ob Conner wirklich ohne Kompromisse bei ihr blieb. Würde er wirklich noch einmal diesen endlosen Kampf bis zum hoffentlich kommenden Ende, erneut kämpfen? Hatte er die Kraft und Geduld dazu? Denn Conner war nicht mehr unvoreingenommen, was sie anging. Irgendwann würde er doch bestimmt wieder einfach nur das zurück haben wollen, was sie gemeinsam hatten. Diese Fragen der Ungewissheit, die Conner betrafen, machten Alice zusätzlich Angst. Sie wusste nicht, ob sie ohne ihn oder dem Wissen, dass er da sein wird, diesen Kampf erfolgreich kämpfen konnte. Im Moment, schob sie all das, ganz weit aus ihrem Bewusstsein. Aus dem einfachen Grund, weil Alice den Augenblick genießen wollte, so lange sie Conner noch genießen konnte, wollte und ihn an sich heran ließ.
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Irish Heart - Sprache des Herzens
RomanceDie unberührten Küsten, sanften grünen Hügel, der Himmel, der die Erde zu berühren scheint, lang vergessene Gerüche und das raue Meer, Irlands. Dies ist Alice Callahans Heimat. Ihre Wurzeln. All das, hatte sie, nach dem Tod ihrer Eltern verlassen...