Kapitel 140

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Nach dem Alice weg war und ihn die Heftigkeit dieser Tatsache wie ein Schlag ins Gesicht traf, kam Conner nicht mehr wirklich auf die Beine. Er weinte Stunden lang. Die Tage danach, liefen wie ein schlechter Film an ihm vorbei. Es war, als ob Alice einen Teil von ihm, mit sich mit genommen hatte. Conner fühlte sich, als würde er im Meer treiben und immer wieder von einer heftigen Welle umher gewirbelt werden. Dieser Zustand, wollte kein Ende mehr nehmen.
„Was machst du hier?“ John sah Conner fragend an, als dieser in den Pub kam. Eine Woche lang, hatte er sich dort nicht blicken lassen. Er sah bescheiden aus, wenn man dem so sagen konnte.
„Arbeiten. Was sonst?“ Gab Conner zur Antwort und wollte sich an die erwähnte Arbeit machen.
„Nein, mein Freund. Du wirst dir jetzt eine hilfreiche Auszeit nehmen. Du läufst seit einer Woche umher, wie ein Zombie. Ich habe Alice versprochen, mich um dich zu kümmern. Die Aushilfe hat Savannah organisiert.“ Johns Blick, dudelte keine Widerrede.
„Tu mir das nicht an, John. Zuhause werde ich verrückt und fällt mir die Decke auf den Kopf.“, flehte Conner.
„Ich meinte mit einer Auszeit auch nicht nur den Pub. Sondern das alles hier. Ballyconneely. Du weißt doch genau so gut, wie wir alle, dass du hier nicht zur Ruhe kommst und alles verarbeiten kannst. Rose würde sich sicher freuen, ihren Enkel mal wieder zu sehen.“
Conner ging dieser Gedanke auch bereits durch den Kopf. Nur wollte er seine Freunde nicht hängen lassen. Für sie, war diese Situation auch nicht leicht. Waren sie dieses Mal, mehr darin involviert, als davor. Dennoch schien es Conner, als ob sie mit der Tatsache, dass sich Alice helfen ließ und deshalb weg war, besser umgehen konnten, als er selber. In Conner selber, dominierte die Angst, dass es niemals mehr so werden wird, wie es einmal war. Weshalb es ihn innerlich, jeden Tag von neuem, beinahe zerriss
„Wie lange könnt ihr mich entbehren?“
„So lange wie nötig. Die Hauptsache ist, dass du wieder auf die Beine kommst. Du hast das selbe Recht, dir so viel Zeit zu geben, wie du brauchst. Schließlich wird man nicht alle Tage angeschossen und die Freundin von einem Irren entführt und…“ Johns intensiver Blick, mit dem er Conner ansah, ließ diesen schlussendlich einknicken.
„Der Gedanke an eine Auszeit, kam mir auch schon. Doch ich wollte euch nicht auch noch hängen lassen.“ Noch ehe Conner noch mehr sagen konnte, wurde er von John in eine feste Umarmung gezogen.
„Du hilfst uns mehr damit, wenn du dir eine Auszeit nimmst und dann wieder der Alte bist.“ John schenkte Conner ein freundschaftliches Lächeln. Er wusste genau, dass sein Freund mit der momentanen Situation haderte. „Es wird wieder, wie es einmal war. Ganz bestimmt. Alice wird zu dir zurück kommen. Vielleicht musst du wieder etwas kämpfen, aber schlussendlich werde ich als dein Trauzeuge neben dir stehen. Eure Liebe ist was Besonderes.“
Conner seufzte. Er selber hätte auch gerne wieder diese Zuversicht zurück. „Ich melde mich, wenn ich bei Rose bin. Und zu einem späteren Zeitpunkt, wenn ich weiß, wann ich wieder zurück komme.“
„Denk nicht schon jetzt wieder ans Zurückkommen. Nimm dir alle Zeit der Welt. So hilfst du als allererstes dir und später auch Alice, am besten.“
Conner nickte und umarmte John noch einmal.
Er hoffte, dass der Abstand und Rose ihm dabei helfen werden, seine innere Ruhe wieder zu finden. Es gefiel Conner nicht, wie ihm alles zu entgleiten schien. Schlimm genug, dass er Alice verloren hatte und sie ihm entglitt. Sich selber, durfte Conner nicht auch noch verlieren. Sonst konnte er diese Zeit noch viel weniger durchstehen.

„Du hast sie doch nicht verloren“, sagte Rose, als sie neben ihrem Enkel saß und der wieder einer seine Tage hatte, in dem er in einer Art Selbstmitleid versank. Die kamen ziemlich häufig vor, seit Conner vor einem Monat bei ihr aufgetaucht war. In einem solchen Zustand, hatte sie ihn noch nie gesehen.
„Und warum fühlt es sich dann so an?“ Sprang Conner wütend auf. Die Wut war auch etwas, was ihn immer wieder heimsuchte. Die ersten Tage, als er bei Rose ankam, weinte er viel und lange, während er ihr erzählte, was geschehen war und wie es in seinem Innern aussah. Zur Zeit, war er einfach nur noch frustriert. In einem Monat, schien sich nichts getan zu haben. Von Alice hatte er seit der Nachricht, dass sie gut in England angekommen sei, auch nichts mehr gehört. Conner kam nicht zu seiner erwünschten Ruhe. Im Gegenteil. Es fühlte sich an, als würde er von Tag zu Tag unruhiger und getriebener. Die Wut, die Conner immer mal wieder heimsuchte, richtete sich gegen alles. Es war ein neues Gefühl. Nicht einmal damals, als er von seiner Familie verstoßen wurde, fühlte Conner eine solche Wut und dadurch Hilflosigkeit in sich, wie jetzt. Der größte Teil der Wut, richtete sich gegen Brian, der es am wenigsten verdient hatte, dass man überhaupt noch einen Gedanken an ihn verschwendete. Doch er hatte nun mal ihr Leben komplett auf den Kopf gestellt und ihm seine Prinzessin genommen.
„Tut mir leid. Ich wollte dich nicht anschreien. Du kannst ja nichts dafür.“ Conner lehnte sich an das Geländer der Veranda, damit er Rose ansehen konnte. Sie nahm es ihm noch nie übel, wenn er wütend war und dies an ihr ausließ. Rose hatte es jedoch nicht verdient, als sein persönlicher Blitzableiter her zuhalten. „Ich dachte, dass uns nichts mehr trennen kann. Niemals mehr.“ Conner seufzte. „Da habe ich wohl falsch gedacht.“
Rose konnte den tiefen und unbändigen Schmerz in Conners Augen sehen und hatte keine Worte, die dagegen halfen. Es war schwer, mit anzusehen, wie er sich quälte und dabei hilflos fühlte. Daher rührte auch seine Wut. Floskeln, wie ´Die Zeit heilt alle Wunden´, halfen in der momentanen Situation nicht. Dennoch konnte Rose nicht stillhalten, um Conner mit ihren Worten vielleicht zumindest eine Anregung zum Nachdenken zu geben. Bis jetzt, sagte sie nie viel, sondern hörte nur zu, um sich ihre eigenen Gedanken zu machen.
„Ich weiß, dass du bestimmt schon viele Floskeln und Worte, in den letzten Wochen gehört hast. Am häufigsten wahrscheinlich die Worte ´Zeit´ und ´Geduld´.“ Conners schnauben und Augen Verdrehen, war Rose Antwort genug. „Wir beide wissen, dass Zeit nur ein kleiner Faktor ist, um Wunden zu heilen. Es sind die Menschen um einen und am stärksten die Liebe. Alice ist das beste Beispiel dafür. Deine Liebe, ließ ihre tiefen und schrecklichen Wunden heilen. Doch was am wichtigsten ist, Alice lernte damit zu leben, ohne sich von ihnen einzuschränken zu lassen und ihr Leben von ihnen zu bestimmen. Du hast Alice Narben ertragbarer gemacht. Allein mit deiner Liebe, die so tief ist, wie ich es noch nie erlebt habe.“ Rose hielt inne und musterte Conner, um abzuwägen, ob sie ihn weiter an ihren Gedanken teilhaben lassen konnte. Seine Gesichtszüge entspannten sich.
„Das passierte nicht von heute auf morgen und hat viel Zeit, Geduld und Einfühlungsvermögen gefordert“, sagte Conner mehr zu sich selber.
„Da hast du recht. Und ich bin unglaublich stolz auf dich, was für ein einfühlsamer Mensch du bist, dass du solche wundervollen Dinge schaffen kannst.“ Rose fasste nach Conners Hand und nahm sie in ihre. Ohne Druck, zog sie ihn dadurch, wieder zu sich auf die Bank. „Die selben drei Dinge, musst du nun für dich selber aufbringen. So schwer es gerade scheint, musst du dir nun die Zeit geben und endlich anfangen, dich besser zu behandeln. Auf dich zu schauen. Nicht auf dich wütend zu sein. Du hast nichts falsch gemacht.“
„Ich konnte sie nicht vor diesem Scheusal in Sicherheit bringen.“ Schuldgefühle plagten Conner täglich. Seit er Alice das erste Mal im Krankenhaus gesehen hatte, wurden sie immer stärker.
„Was hättest du gegen eine Waffe ausrichten sollen? Du wusstest nicht, dass er überhaupt eine dabei hat. Also lass die Schuldgefühle. Sie helfen weder dir, noch Alice. Du hast wichtige Informationen an die Polizei weiter geleitet. Schuld, hat einzig und allein dieser Mistkerl. Doch er hat nicht das kleinste bisschen Wut von dir verdient. Er ist tot und darf keine Macht mehr über euer Leben haben.“ Rose strich über Conners Rücken.
„Es ist schwer, keine Wut für ihn zu verspüren. Gleichgültig ihm gegenüber zu sein. Wir hatten gerade erst damit begonnen, eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Alice war wieder soweit, dass sie mit Liebe zurecht kam und sich auf eine Beziehung einließ. Sie wollte mich tatsächlich heiraten. Und dann…an einem einzigen Tag, fiel das alles in sich zusammen, wie ein Kartenhaus. Wir würden uns jetzt auf die Hochzeit vorbereiten und dabei auf unser Baby freuen.“ Conner entwich ein Schluchzen. Bei all diesen Gedanken, zerriss es ihn innerlich immer wieder von Neuem. Was ihn zusätzlich an Kraft und Nerven kostete. „Mir wurde alles entrissen, wofür ich so lange gekämpft habe, um es zu bekommen und leben zu können. Es fühlt sich an, als hätte man mir, an jenem Tag, mein Leben weggenommen. Was dazu führte, dass ich mich wie ein Treibender im offenen Meer fühle. Ohne Land in Sicht. Als Alice mit ihrem Rucksack aus dem Pub ging, zog es mir auch noch das restliche, unsichere Stück Boden unter den Füssen weg. Jeden Tag spüre ich mehr, wie ich mich verliere. Und je mehr ich mich dagegen zu wehren versuche, desto mehr drifte ich von mir weg. Das macht mich wahnsinnig.“ Conners Verzweiflung hing wie ein Nebel um ihn.
„Ich kenne jemanden, der dir dabei helfen könnte, das Geschehene zu verarbeiten, wenn du dich darauf ein lässt. Es wird nicht von heute auf morgen passieren. Und auch in einer Woche, wirst du wahrscheinlich noch keine Fortschritte sehen oder spüren. Es wäre jedoch eine Möglichkeit.“ Conner war noch zu ungeduldig. Wer konnte es ihm verübeln? Ging er einen Monat lang durch die Hölle, mit der Ungewissheit im Nacken, ob er Alice jemals wieder sehen. Einen Monat später, nach dem Conner sie wieder zurück hatte, verlor er Alice, in gewisser weise, ein weiteres Mal. Eine andere Unsicherheit und Ungewissheit, begleitete Conner nun durch die Tage hindurch. „Dafür, musst du dir jedoch Zeit nehmen und auch lassen. Die Situation ist eine komplett andere, als damals, als du dich in Alice verliebt hast. Die drei Dinge, die du aufgezählt hast, brauchtest du, um ihr zu helfen. Und es schien dir ein Leichtes zu sein, sie aufzubringen und dafür, in gewisser weise, auch dein eigenes Leben etwas zurück zu stecken. Weil du standest fest und mit beiden Beinen in diesem. Hattest wohl deinen Rucksack an Lebenserfahrung und schlechten Erinnerungen mit dir zu tragen. Dennoch warst du frei davon, etwas in dir selber verarbeiten zu müssen. Das ist nun anders. Bevor du Alice wieder helfen kannst, durch deine Liebe, die Schmerzen ihrer Narben zu lindern, musst du deine eigenen soweit heilen, dass du lernst, damit zu leben.“ Rose sah Conner an, dass es in seinem Kopf zu arbeiten und nachdenken anfing. Genau das, wollte sie mit ihren Worten auslösen. Keine guten Ratschläge geben. Denn die, gab es für das nicht, was er durchmachte. Rose wollte Conner Nahrung zum nachdenken und umdenken geben. Es schien zu funktionieren. Im Moment. „Doch als allererst, musst du damit lernen zu leben, dass du dieses Mal, Alice im Moment, nicht helfen kannst. Das sie die Zeit für sich alleine braucht. Und, das dies nicht zwangsläufig heißt, dass es das Ende eurer Liebe ist. Daran glaube ich nicht. Eine so tiefe Liebe, vergeht nicht einfach. Sie hat euch beide am Leben gehalten, während ihr getrennt wart und keiner vom anderen wusste, wie es dem anderen ging. Du warst davon überzeugt, den Ring, den ich dir gegeben habe, niemals an Alice Finger stecken zu können.“ Rose lächelte, bei dem Gedanken daran. „Es kam anders. Du musst deine unverwüstliche Hoffnung wieder finden, hervor holen und anfangen, dich wieder an ihr festzuhalten. Sie wird dir dabei helfen, wieder an deine Liebe zu glauben und daran, dass sie auch dieses Mal euer Heilmittel ist.“
Woher nahm Rose nur immer wieder diesen Optimismus? Sie hatte es nie leicht in ihrem Leben. Dennoch war er etwas von dem, was sie nie verlor. Neben dem Glauben an die Liebe und dass diese Berge versetzen kann. „Danke.“ Conner küsste Roses Wange und stand auf. „Ich gehe mal ein bisschen Spazieren.“
Das war immer ein Zeichen dafür, dass Conner nachdenken musste. Das war schon immer so. „Mach das. Aber pass auf dich auf.“
Conner nickte nur. Er wusste, dass Rose sich Sorgen um ihn machte. Die eine, war jedoch unbegründet. Conner würde sich niemals etwas antun. Das war es alles nicht wert. Alice wäre damit nicht im geringsten geholfen. Im Gegenteil.
Gedanken verloren, schlenderte Conner am Strand entlang, während sich in seinem Kopf, Roses Worte widerholten, überschlugen und neu ordneten. Dabei kam er an der Stelle vorbei, als er damals seine Liebe zu Alice nicht mehr im Zaum halten konnte und Conner ihr diese offenbarte. Er blieb stehen und sah über das Meer hinaus. Das Wetter war ähnlich grau, nur mit dem Unterschied, dass es um einiges kälter war. Alice schickte ihn fort und Conner sah bereits das Ende ihrer Freundschaft vor sich. Es kam nicht. Alice arrangierte sich mit der Situation und sie verbrachten wundervolle Tage hier in Dingle. Während denen ihre Liebe richtig wachsen konnte, um daraus die schönste Liebesgeschichte entstehen zu lassen. Heute wusste Conner, dass Alice schon damals die Liebe für ihn, in sich trug. Nur noch nicht bereit war, sie auszusprechen und dadurch auf sie einzulassen. Nie hatte Conner in dieser Zeit, die Hoffnung verlassen. Obschon es unzählige Momente und Augenblicke dazu gegeben hätte. Immer hielt er eisern an ihr fest. Wann hatte er diese losgelassen? Conner wusste es nicht. Wahrscheinlich in dem Moment, als Alice ging, um sich selber zu helfen. Der kleine Egoist in ihm, nahm es ihr übel, dass sie ihn alleine ließ. Zwar nur für einen kurzen Augenblick. Dennoch lange genug, dass es sich in ihn fressen konnte.
Vielleicht hatten ja doch alle Recht, wenn sie sagten, dass sie beide, die ersten Schritte alleine gehen müssen. Getrennt und doch immer in Liebe verbunden. Wenn sie beide wieder gelernt hatten, mit dem Erlebten und allem, was es mit sich zog und ziehen wird zu leben, würde die Liebe vielleicht wieder den Rest erledigen. Sie hatte es schon einmal geschafft. Warum nicht noch ein weiteres Mal?
Mit diesen wieder etwas helleren Gedanken, entschied sich Conner, diese Zeit hier sinnvoll zu nutzen, um in erster Linie sich zu helfen. Was indirekt später auch Alice zu gute kommen sollte, wenn sie beide wieder zuhause in Ballyconneely waren. So weit, wollte Conner nun aber noch nicht denken, sonst würde ihn die Ungewissheit, wie es dann werden wird, erneut wahnsinnig werden lassen.

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