Da stand sie nun. Ihre weinenden Geschwister vor sich und die Erkenntnis, dass es einmal mehr wegen ihr war. Das es seit zehn Jahren, nur um sie ging und aller Kummer, der nach dem Tod ihrer Eltern, über die Familie kam, ihretwegen war. „Es tut mir leid, dass ich euch, all die Jahre, nur Kummer bereitet habe. Und das es, nachdem ich wieder hier war, nur um mich ging. Nie habe ich wirklich danach gefragt, wie es euch in den letzten Jahren ergangen ist. Wie ihr mit allem zurecht gekommen seit. Weil ich zu tief in meinem schwarzen Lock versunken war, sah ich nicht, wie es euch wirklich ging. Das wird sich jetzt ändern. Von nun will ich eine bessere Schwester sein und mich auch um euch kümmern. Und allem voran, möchte ich irgendwie versuchen, die Zeit nachzuholen, die ich mit euch verpasst habe.“ Alice hatte kaum zu Ende gesprochen, wurde sie von ihren Geschwistern in den Arm genommen und fest gedrückt.
„Du warst keine schlechte Schwester Alice. Keiner hat Schuld an der ganzen Miesere. Wir waren bloß alle mit der ganzen Situation, die so plötzlich und unvorbereitet auf uns herein brach, heillos überfordert. Jeder von uns war mit seinem eigenen Schmerz beschäftigt, so dass er nicht sehen konnte, wie es dem, der uns am nächsten war, ging. Ich habe Seite an Seite mit Savannah gearbeitet und wusste nicht wie es ihr ging, bis ich sie eines Tages wieder lächeln sah.“ John drückte einen Kuss in Savannahs Haar. Er konnte sich noch gut an den Tag erinnern. Der Tag, an dem sich in der Familie Callahan, mal wieder etwas veränderte. Doch dieses Mal zum Guten.
„John hat Recht, Kleines. Wir haben uns alle verloren, vergraben und zu wenig oder besser gesagt, gar nicht, zusammen geredet. Mit dem Unterschied, dass John und ich dann irgendwann jemanden hatten, dem wir uns anvertrauen konnten. Mich hat Sean gefunden und John, hatte auf einmal Conner. Er war und ist es heute noch viel mehr, unser Engel.“ Savannah schenkte Conner, der mit Sean etwas abseits der Dreien stand, einen liebevollen und dankenden Blick. Die Tränen, die in dessen Augen schimmerten, waren trotz der Dunkelheit zu sehen. Sean klopfte ihm auf die Schulter. „Während du, nur noch tiefer in die schwarze Hölle abgerutscht bist. Uns waren die Hände gebunden, weil wir nicht wussten wo du warst. Doch unsere Gedanken, waren immer bei dir. War es da nicht selbstverständlich, dass wir uns um dich gesorgt und dich umsorgt haben, als du endlich wieder da warst? Du hast das ja nicht von uns verlangt.“
Alice schniefte und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie sah ihre Geschwister, durch einen Tränenschleier an. Dabei war es ihr, als würde ihr Vater sie, durch Johns Augen ansehen. Ihr Papa hatte nie viel gesagt. Sie verstanden sich, vor allem wenn sie zusammen im Pub waren, ohne Worte. Gerade lag der selbe stolze Ausdruck in Johns Blick, wie ihn ihr Vater hatte, als Alice ihr erstes Bier, ganz alleine gezapft hatte. Alice musste innerlich schmunzeln. Sie wusste, dass Papa stolz wäre zu sehen, was aus dem Pub geworden war und dass er von der Familie weiter geführt wurde. Das sie drei, nun Seite an Seite arbeiteten und den Traum von ihm und Mama weiter führten. Und, dass sogar noch zwei Familienmitglieder mehr dazu gekommen waren. Conner gehörte auch ohne sie, bereits zur Familie.
„An was denkst du, Ali?“ Sie hatte die selbe Falte auf der Stirn wie ihr Vater, wenn sie an etwas dachte.
„An Mama und Papa. Wären sie stolz auf uns? Wie wir das alles, trotz allen Schwierigkeiten, nun doch noch hinbekommen haben.“
Savannah lächelte. Das selbe warme Lächeln, welches Mama ihr immer schenkte. „Was denkst du?“ Alice nickte und sah in den Himmel.
„Also ich wäre unglaublich stolz, wenn ich so tolle Kinder großgezogen hätte.“ Sean schloss Savannah in seine Arme und lächelte in die Runde.
Alice Blick, als sie sich nach Conner umdreht, traf sogleich auf seinen und die Tränen darin. Ohne Worte, überbrückte Alice die Distanz zwischen ihnen und schlang ihre Arme um Conner. Dieser atmete tief durch und vergrub sein Gesicht in Alice Haaren. „Ich würde vor Stolz platzen, solche tollen Kinder zu haben.“, nuschelte er in diese.
„Lasst uns wieder rein gehen und den Rest des Abends genießen.“ Schlug Sean vor.
„Moment, wartet kurz.“ Hielt Savannah alle davon ab, gleich wieder rein ins Warme zu gehen. „Komm mit John.“ Nahm sie darauf ihren Bruder am Arm und zog ihn ins Haus.
Kurz darauf, kamen sie mit gefüllten Sektgläsern, wieder nach draußen. Jeder bekam eines, bevor Savannah ihr Glas erhob. „Stoßen wir auf die Familie an. Darauf, dass wir uns wieder haben, gemeinsam den Traum von Mama und Papa weiterführen können und werden. Auf unsere zwei nicht mehr so neuen Familienmitglieder.“ Savannah gab Sean einen Kuss, der sie liebevoll anlächelte. „Ganz besonders, möchte ich auf Conner anstoßen. Unser Retter in der Not. Der, davon bin ich überzeugt, von Mama und Papa zu uns geschickt wurde. Danke, dass du für meinen Bruder da warst und ihn dazu gebracht hast, sich endlich mal zu öffnen, was ich nicht geschafft habe. Doch am allermeisten danke ich dir dafür.“ Savannah zeigte auf eine glücklich lächelnde Alice. Was wieder Tränen in ihre Augen steigen ließ. „Danke für unsere Schwester. Und, dass du uns unsere kleine Elfe wieder zurück gebracht hast. Auch wenn es ein harter Kampf mit ihr und dir selber war, hast du nie aufgegeben, was ich immer wieder bewundere. Dafür werden wir dir ewig dankbar sein. Nun können wir mit ein paar Sorgen leichter, weiter in die Zukunft gehen.“
John nickte bestätigend und sah dabei zu Conner. Er kannte seinen besten Freund gut genug, um zu wissen, dass ihm solche Momente, in denen er in den Mittelpunkt gestellt wird, nicht recht sind. Er hatte all das, was Savannah aufzählte, nicht mit Hintergedanken gemacht. Sondern, weil er ein herzensguter Mensch mit einem sehr ausgeprägten Helfersyndrom ist, dem andere Menschen am Herzen liegen. Bei Alice, handelte einzig und allein sein Herz, Hand in Hand mit der Liebe und dies würde bis an sein Lebensende so sein.
Verlegen sah Conner zu Boden. Warum machten immer alle einen solchen Wirbel um sein Tun und Handeln? Er hatte doch nichts weiter getan, außer so zu sein, wie er nun mal war. Hier in Ballyconneely bei Savannah und John, wurde seine sehr ausgeprägte Empathie auf einmal so sehr geschätzt, wie noch nie zuvor an einem anderen Ort. Außer bei Rose natürlich. Was für Conner selbst, wie eine Art Heilung war. Irgendwie stand ihm diese immer im Weg, bis er hier hin kam und seine manchmal etwas zu einfühlsame Art, mit offenen Armen entgegen genommen wurde. Bis auf die kleine Knacknuss, die dicht neben ihm stand und sachte über seinen Rücken strich. Da dauerte etwas länger. Jede Sekunde, hatte sich jedoch gelohnt. „Ihr seid verrückt“, sagte Conner leise und sah in die Runde.
„Ist das was Neues, Kumpel?“ John legte seine Hände auf Conners Schulter ab und sah ihn fest an. Savannah hatte Recht. Conner hatte ihre ganze Familie gerettet, ohne dass es auch nur einer von ihnen, am Anfang bewusst wahr nahm.
„Ihr habt nicht weniger für mich getan, in dem ihr mich einfach so akzeptiert habt, wie ich nun mal bin.“ Conner hielt Johns Blick fest, mit dem sein Freund ihn musterte. Nicht nur John, konnte an diesen vielen Abenden, sein Herz erleichtern. Auch Conner hatte so einiges los zu werden, was sich all die Jahre angesammelt hatte. Beide erleichterten sie sich gegenseitig von Ballast und Tränen. Von Letzterem, hatte Conner reichlich auf Vorrat, durch dass er nah am Wasser gebaut war. Weshalb erneut seine Augen drohten zu überfluten.
„Trotzdem, danke.“ John drückte Conner fest an sich, um ihn beinahe im selben Augenblick auch gleich wieder los zu lassen, um aus dieser Situation zu entfliehen. Manchmal verfluchte er diese gefühlsduselige Seite seiner Familie.
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Irish Heart - Sprache des Herzens
RomanceDie unberührten Küsten, sanften grünen Hügel, der Himmel, der die Erde zu berühren scheint, lang vergessene Gerüche und das raue Meer, Irlands. Dies ist Alice Callahans Heimat. Ihre Wurzeln. All das, hatte sie, nach dem Tod ihrer Eltern verlassen...