Kapitel 135

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Die Tage, zogen sich dahin. Alice hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, seit Brian sie hier her brachte. Alles, was sie mitbekam war, dass sich die Tageszeit vor den kleinen Oberlichtern änderte. Von Hell zu Dunkel, wieder zu hell. Dies wiederholte sich bereits etliche Male. Wie oft, bevor Alice wieder zu Bewusstsein kam, dass wusste sie nicht. Ansonsten gab es nichts als Stille und den Schmerz, der ihr immer wieder zugefügt wurde. In der Nähe würde es auch nichts geben, was Geräusche zur Orientierung hätte bringen können. Brian war nicht dumm.
Wo war er eigentlich? Seit ihrem Zusammenbruch, hatte Brian sie zwei Tage in Ruhe gelassen, bevor er sie noch einmal ungefähr zwei Tage, so übel rangenommen hatte.
Danach tauchte Brian nur noch kurz auf, um Alice etwas zu Essen zu bringen. Verschwand jedoch, ohne etwas zu sagen. Es verhalf Alice, nach diesen schrecklichen Schmerzen, wieder etwas zu Kräften zu kommen.
Es machte jedoch auch keinen Unterschied mehr. Auch wenn Brian Alice noch tausendmal vergewaltigte. Sie würde so oder so, elendig zu Grunde gehen. Wie auch immer. Zum jetzigen Zeitpunkt, war Alice nur noch froh, wenn es vorbei war. Alles war besser, als weiter zu leben. Denn das, was von ihr noch übrig blieb, war nicht mehr lebenswert. Geschweige denn, noch fähig zu leben. Zu tief, waren die Wunden und die dadurch entstandenen Narben. Zu hoch und dick, die neuen Mauern, die sich von Tag zu Tag, Stunde um Stunde, errichtet hatten. Nicht einmal Conner und seine Liebe zu ihr, würden sie jemals einreißen können. Er würde es auch nie mehr versuchen können. Der Platz in ihrem Herzen, an dem Conner immer war, fühlte sich leer an. Sie hatte ihn verloren. Das Band war zerrissen.
Der Schmerz umklammerte Alice Herz und war heftiger und schmerzhafter als der, der ihr Brian jetzt noch zu fügte. Ein Stück ihres Herzes, wurde Alice aus der Brust gerissen, als die letzte Verbindung zu Conner zerstört wurde. Was zurück blieb, war eine klaffende und blutende Wunde, die niemals verheilen würde. Es gab keine Narbe. Es blieb ein tiefes, schwarzes Loch zurück. Auch davon, würde Brian sie, früher oder später befreien.
Letzten Endes, konnte sie ihm dankbar dafür sein, dass er das Leiden irgendwann beendete. Heiße Tränen, lösten sich aus Alice Augen und bahnten sich ihren Weg über die kühlen Wangen. Tränen brachten nichts. Und doch, konnten sie eine Art Linderung bringen. Sie waren wie ein Ventil, aus dem Druck abgelassen werden konnte. Weshalb sich Alice auch nicht mehr gegen sie werte. Sie hatte schlichtweg keine Kraft mehr dafür. Nichts sehnlicher wünschte sie sich gerade, als dass diese Höllenfahrt zu Ende ging und sie endlich gehen konnte, um mit ihren Eltern und Conner, wieder vereint zu sein.

In dem Augenblick, als sich Alice ihren Tränen hin gab, wurde die Tür aufgerissen.
„Heul nicht und steh auf.“
War das ihr herbei gesehntes Ende? Wenn Brian Alice hier raus haben wollte, musste er sie tragen oder schleifen. Sie war nicht in der Lage, zu gehen. Alles schmerzte noch, von den morgigen Qualen.
„Hast du nicht gehört? Du sollst aufstehen. Willst du dich mir, jetzt gegen Ende, wirklich noch einmal widersetzen?“ Brian packte Alice an den Haaren und zog sie hoch. Mit schmerzverzerrtem Gesicht, stand sie mühsam auf. „Dachtest du etwa, dass ich dich hier einfach so zurück und elendig verrecken lasse?“ Sah er Alice eiskalt an. „Nein Lizi, ich bin noch nicht fertig mit dir. Es macht so viel mehr Spaß, seit ich den Schmerz und das Flehen in deinen Augen sehen kann. Das Ende, wird kurz und schmerzlos sein.“ Brian lachte auf und band Alice Hände, hinter ihrem Rücken zusammen. Es war nicht wirklich aus Angst, sie könnte ihm entkommen. Denn Alice konnte sich kaum noch auf ihren Beinen aufrecht halten. So konnte Brian sie besser nach draußen, bringen. Notfalls auch zerren, wenn sie nicht tat, wie er es wollte. „Wir werden jetzt einen kleinen Ausflug machen.“ Grinste Brian und stieß Alice unsanft vor sich her zur Tür hinaus.
Der Gang, den sie betraten, war düster und kalt. Dagegen war der Raum, in dem Alice die ganze Zeit war, direkt freundlich. Eine schwere Eisentür, eröffnete ihr seit Wochen, Zugang zu frischer Luft und Tageslicht. Fest kniff sie die Augen zusammen, da Alice diese Helligkeit nicht mehr gewohnt war.
„Na los, trödle nicht. Wir müssen hier weg.“ Brian schien es ziemlich eilig zu haben. Irgendetwas machte ihn nervös. Zu oft, hatte Alice ihn nervös gesehen. So, jedoch noch nie. Sein Blick war wachsam und seine Augen, schnellten unruhig hin und her. Als würde er suchend, jeden Augenblick etwas erwarten, was unvorbereitet auf sie zu kam. Alice war zu müde, um seinem Blick zu folgen oder sich auch nur um zusehen, wo sie waren. Sie brauchte ihre ganze Kraft, um sich überhaupt auf ihren Beinen halten zu können.
„Los rein mit dir. Na mach schon.“ Mit einem heftigen Schubser, landete Alice, zur Hälfte im Bus. Brian löste ihr die Handfesseln und schob sie komplett ins Innere. Noch bevor er die Tür schließen konnte, durchfuhr ein Knall die Stille um sie herum. Alice zuckte zusammen und hielt sich die Hände über den Kopf. Ihren zitternden Körper, machte sie ganz klein und drückte sich gegen die Wand des Buses. Sie hielt den Atem an und horchte in die erneute Stille.
Irgendetwas schien sich draußen zu tun. Im Gegensatz zu der Ruhe, die zuvor herrschte, wirkte es geradezu hektisch. Stimmen sprachen durcheinander
Mit geschlossenen Augen, wartete Alice. Worauf, wusste sie nicht. Es kam ihr vor, wie eine Ewigkeit, bis sie etwas Warmes um ihren Körper spürte.
„Haben sie keine Angst, Miss Callahan. Sie sind jetzt in Sicherheit“, sagte eine beruhigende, weibliche Stimme und zog Alice zitternden Körper hoch, in eine aufrechte Position.
Es war vorbei? Sie würde nicht sterben? Warum war es vorbei? Was war geschehen? Wo war Brian? Tausend Fragen, schwirrten durch Alice Kopf, als sie die Augen öffnete und in das Gesicht einer Frau, etwa in ihrem Alter blickte, die eine Uniform, mit drei grossen Buchstaben darauf, trug.
FBI? Alice Verwirrung wurde grösser. Wahrscheinlich war ihr diese ins Gesicht geschrieben. „Was…Wo…“
„Wir sind vom FBI. Wir bringen sie jetzt erst einmal in ein Krankenhaus. Alle Fragen, die sie bestimmt haben, werden wir zu einem späteren Zeitpunkt klären. Können sie selber bis zum Krankwagen gehen oder soll ich jemanden holen, der sie trägt?“
Das war eine gute Frage. „Ich…versuche es…“ Ein aufmunterndes Lächeln traf Alice, als ihr die Frau half aufzustehen. Sogleich wurde es ihr schummrig und sie musste sich noch einmal setzen. Man ließ ihr alle Zeit der Welt. Erst jetzt merkte Alice, dass diese vermeintliche Stille, gar nicht mehr so still war. Es herrschte reges Treiben. Erneut machte sie einen Anlauf aufzustehen und die Frau vom FBI führte sie langsam zum Krankenwagen, der unweit von ihnen stand. Zu viel war los, als dass Alice alles mitbekam und einordnen konnte, was um sie herum geschah. Erst als ihr Blick auf etwas oder wohl eher jemanden fiel, der am Boden lag, wurde sie aus diesem dumpfen Zustand gerissen und in die harte Realität zurück katapultiert. „Ist er wirklich tot?“, stammelte Alice.
„Worauf sie wetten können. Dieser Mistkerl wird von diesem Tod, nicht mehr auferstehen. Das sollten sie sich jedoch nicht so genau ansehen, Miss.“
Alice musste, damit es sich in ihrem Hirn festsetzte. Um es irgendwann auch wirklich glauben zu können. Wie erstarrt, blieb sie deshalb stehen und sah auf den regungslosen Körper von Brian, der unweit des Buses lag. Die Augen weit aufgerissen und den Blick, starr in die Weite des Nichts gerichtet. In seiner Stirn, wie in seiner Brust, klaffte ein Loch, aus denen Blut sickerte.
Alice drehte sich der Magen, einmal um sich selber und ihr wurde schwarz vor Augen. Sie drohte zu fallen. Doch hielten sie die Arme der Beamtin fest. „Ich halte sie. Er wird ihnen niemals mehr etwas antun können.“ Mitgefühl, schwang in ihrer Stimme. Es war das Letzte, was Alice mit bekam, bevor sie ins schwarze Nichts fiel.

Noch während Alice ins Krankenhaus gefahren wurde, informierte die Polizei ihre Familie darüber, dass man sie lebend gefunden hatte.
Alle fuhren sie mit Conner hin.
„Wo ist Alice?“ Stürmte er beinahe auf die Männer zu. Die einen in Uniform, andere in Zivil.
„Sind sie ein Angehöriger?“
Warum machte man darum immer so eine große Sache? „Ich bin Miss Callahans Verlobter und das sind ihre Geschwister.“
„Agent Miller vom FBI. Mister McCallum, nehme ich an?“ Ein groß gewachsener Mann, streckte Conner die Hand hin. „Miss Callahan wird gerade untersucht. Sie war ansprechbar, als wir sie gefunden haben und konnte selbständig gehen.“
„Und was ist mit…“ Conner konnte seinen Namen nicht aussprechen. Gleichzeitig hatte er Angst vor der Antwort.
„Der ist bei der Befreiung ihrer Verlobten ums Leben gekommen.“ War da etwa ein Lächeln um den Mund des Agent zu sehen? „Er hat seine gerechte Strafe bekommen. Aus der er niemals mehr wieder entkommen kann.“
Erleichterung machte sich in Conner breit. Eine weitere gute Nachricht, in diesen trüben Tagen.
„Sind sie die Angehörigen von Miss Callahan?“ Gesellte sich eine Ärztin zu ihnen. Einstimmiges Nicken. „Es geht ihr den Umständen entsprechend gut. Miss Callahan wurde gründlich untersucht. Sie war ansprechbar, jedoch noch etwas verwirrt und orientierungslos. Konnte jedoch klare Antworten auf unsere Fragen geben.“ Ein falte bildete sich auf ihrer Stirn. Denn der Gedanke daran, ließ selbst sie, als erfahrene Fachperson, erschaudern. So etwas, erlebte man nicht alle Tage. „Die äußeren Verletzungen sind minimal und bald verheilt. Die Inneren und damit meine ich nicht die seelischen, brauchen noch etwas länger. Jedoch gehe ich davon aus, dass auch die vollständig und ohne Nachwirkungen verheilen. Leider muss ich ihnen mitteilen, dass ihr Baby, diese Zeit nicht überstanden hat.“
Conner sah die Ärztin verständnislos an. „Ein Baby?“ Von was für einem Baby sprach sie da? War Alice schwanger? Wollte sie ihm das, an jenem Nachmittag erzählen?
„Sie wussten nichts davon?“ Conner schüttelte den Kopf. Einzelne Tränen verließen seine Augen. „Das tut mir leid. Wir stellten einen leicht erhöhten Hormonwert in ihrem Blut fest, worauf wir auf eine frisch eingetretene Schwangerschaft untersuchten. Miss Callahan hat uns darauf darüber informiert, dass sie vor knapp einer Woche, eine Fehlgeburt erlitt.“
Conner musste sich setzen. Das war zu viel für ihn. Sie wären Eltern geworden und ihre Liebe durch ein Kind gekrönt. Die schreckliche Vorstellung davon, dass Alice mit der Angst um das kleine Wesen, auch noch umgehen musste, überwog bei Conner gerade, gegenüber der Trauer, um sein ungeborenes Kind.
Die Ärztin hatte es Conner gleich getan und sich neben ihn gesetzt. „Das bringt mich zu den seelischen Verletzungen. Was die angeht, ist es noch zu früh etwas dazu zu sagen. Für das brutale Ausmaß der Misshandlung, sind vier Wochen eine lange Zeit. Dazu die Fehlgeburt, die auch unter normalen Umständen, eine seelische Belastung sein kann. Das alles kann und wird, nach meiner Erfahrung und ersten Einschätzung, ein Krater an Spuren, auf der Seele ihrer Verlobten hinterlassen. Um es mal zu verbildlichen. Doch erst einmal ist es wichtig, dass sich der Körper erholt, damit wieder genügend Kraft in ihm steckt, um sich der seelischen Erholung zu widmen. Beides zusammen gleichzeitig, funktioniert nicht. Geduld, ist von nun an das Einzige, was sie alle aufbringen müssen.
„Können wir zu ihr?“, fragte Conner leise. Sein Kopf hatte die ihm unbekannte Neuigkeit noch nicht ganz verarbeitet, dass es zur Realität wurde.
„Sobald sie nach jemandem von ihnen fragt und auch nicht alle auf einmal. Miss Callahan braucht viel Ruhe. Sie wird von uns, durch eine Infusion unterstützt, um wieder zu Kräften zu kommen. Eine Schwester wird ihnen Bescheid geben, wenn es soweit ist.“ Mit einem freundlichen Nicken, verabschiedete sich die Ärztin.
Conner ließ das Gesicht in seine Hände sinken.
„Es ist wichtig, dass du zu Alice gehst, wenn sie wach ist. Damit zumindest eine Bürde von ihr genommen werden kann.“ Savannah hatte sich neben Conner gesetzt und den Arm um ihn gelegt. „Es tut mir leid mit dem Baby.“ Sie drückte ihm einen Kuss in die Haare, nach dem Savannah Conner an sich gezogen hatte. Ihr Blick, lag dabei auf Sean. Sie beide wussten wie es war, ein freudig erwartetes Kind zu verlieren und dies bereits mehrmals. Die Situation, durch die Alice und Conner dies wiederfuhr, war jedoch noch um einiges schrecklicher und traumatischer. Ihre arme Kleine war mit alle dem die ganze Zeit allein. Was für Vorwürfe wird Alice sich machen, dass sie das Kind nicht beschützen konnte. Das hätte unter diesen Umständen, niemand gekonnt.
„Kommst du alleine klar?“, fragte Savannah nach einer Weile. Conner nickte. „Ruf an, wenn wir dich abholen sollen.“ Fest, drückte sie ihn noch einmal an sich.

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