Als Alice nach einer geraumen Zeit, immer noch nicht aus dem Zimmer gekommen war, wurde Conner langsam aber sicher ungeduldig. Es war zwar genügend Zeit eingeplant. Dennoch lag ein ganzes Stück Weg vor ihnen, um an den Ball zu kommen. Außerdem konnte er es kaum erwarten, Alice endlich wieder in ihrem Kleid zu sehen.
Es war tatsächlich schon Silvester. Die letzten beiden Tage verbrachten Alice und er gemütlich und ohne jede Hektik. Sie gingen viel Spazieren oder genossen die Stunden, fest in Decken gekuschelt, auf Rose gut geschützter Veranda. Würde es nach Conner gehen, könnte es immer so sein. Es fühlte sich an, als würden sie eine richtige Beziehung führen. Als seien sie ein Liebespaar. Nicht bloß Freunde, die tief im Herzen bereits viel mehr waren. Über Küssen, im selben Bett schlafen und dabei sehr ausgiebig zu Kuscheln, lief in den beiden Tagen auch nichts, was ihre Intimität anging. Solange Conner nicht zu Hundert Prozent spüren konnte, dass Alice es zweihundertprozentig möchte, würde er keinen Schritt weiter gehen.
Es war leichter, als Conner es sich vorgestellt hatte. Wahrscheinlich war es die Tatsache, dass er sonst genügend Nähe von Alice bekam. Sie war so viel anders, als wenn sie zuhause Zeit verbrachten. Sie wirkte gelöster. Ohne diese andauernde Anspannung, die Alice normalerweise begleitete. Sie suchte mehr und bewusst Conners Nähe. Nahm von sich aus seine Hand, wenn sie Spazieren gingen. Verlangte nach Küssen. Die hatten es teilweise echt in sich. Alles fühlte sich intensiver und dennoch leichter an.
Doch jetzt zu diesem Abend. Hätte ihm vor einem Jahr jemand gesagt, er würde heute mit einer Frau an seiner Seite an den Ball kommen, hätte Conner diesen wahrscheinlich für komplett übergeschnappt gehalten. Und noch mehr, hätte ihm jemand vor ein paar Monaten prophezeit, er würde mit Alice hin gehen.
Der Wunsch einer Begleitung, war früher tatsächlich nie sehr ausgeprägt. Selbst dann nicht, als immer mehr seiner Freunde, nicht mehr alleine kamen. Es gab immer ein paar Single Frauen, mit denen man einen schönen Abend und manchmal auch den Rest der Nacht, verbringen konnte.
Doch letztes Jahr, traf es ihn nach dem Ball, wie ein Hammerschlag. Auf einmal wurde ihm bewusst, dass ihm all das nicht mehr reichte. Was ihm zu seinem jetzigen Leben noch fehlte. Und dies, war eine Frau an seiner Seite. Keine mehr, bloß für eine Nacht. Sondern eine fürs ganze restliche Leben.
Nun ein Jahr später, stand er hier in seinem neu gekauften Anzug und wartete auf genau diese Frau. Seine Traumfrau, die sich bereit machte für den Ball. Zumindest hoffte es Conner. Ein ungutes Gefühl, beschlich ihn. Würde es sich Alice doch noch anders überlegen?
Conner stieg die Treppe hoch und klopfte an die Schlafzimmertür. „Alice, kann ich dir irgendwie helfen?“
„Nein, ich...es geht schon.“ Kam gedämpft durch das Holz.
Conner hörte ganz deutlich, wie Alice Stimme unsicher klang. „Alles in Ordnung, Kleines?“
„Ich weiß nicht, ob ich so mitkommen kann. Irgendwie, fühle ich mich...ich weiß nicht...anders.“ Alice hatte bereits jetzt Panik, wenn sie an den heutigen Abend dachte. Wie sollte das werden, wenn sie erst dort waren. Sie konnte das nicht.
Conner schloss die Augen und atmete tief durch. Er war sich bewusst, dass es keine Garantie war, dass Alice ein Kleid gekaufte und ihn nach Dingle begleitet hatte. „Das Kleid steht dir doch. Du kannst nur gut aussehen. Darf ich rein kommen?“ Conner hörte, wie Alice seufzte. „Alice, lass mich rein. Bitte.“ Conner machte es fertig, zu wissen wie sie gerade mit sich und einer ganzen Meute von Dämonen kämpfte und ihr dabei nicht helfen zu können.
„Ich brauche nur noch einen Moment für mich. Bitte Conner.“
„In Ordnung. Wir haben Zeit, Kleines. Alles ist gut. Wenn etwas ist, dann ruf mich. Ok? Ich warte unten.“
Allein diese Worte und Conners Stimme, ließen Alice etwas ruhiger werden. „Danke“, sagte sie schlicht. Dann atmete Alice tief durch und wandte sich noch einmal dem Spiegel und ihrem eigenem Bild darin, zu. Sie traute diesem nicht. Eine hübsche Frau sah sie an, die ihr bekannt vorkam und dennoch irgendwie fremd war. Nicht etwa, weil sie sehr verändert aussah, sondern weil Alice nicht wusste, dass sie so aussehen konnte und trotzdem sich selber war. Zwei Jahre steckte ihr Körper immer wieder in solchen Ballkleidern, die um einiges pompöser und teurer waren, als dieses hier. Doch kein einziges Mal, sah Alice sich im Spiegel. Bloß eine Frau die ihr ähnlich sah. Zumindest es einmal tat.
War er jemals so nervös gewesen, wie gerade eben? Conner konnte sich nicht daran erinnern. Es fühlte sich an, wie vor einem ersten Date. Ein solches, hatte er seit einer Ewigkeit nicht mehr. Keine Sekunde, konnte Conner still stehen, geschweige denn sitzen. Unruhig tigerte er im Wohnzimmer auf und ab. Bis er von oben ein Geräusch hörte.
„Conner?“ Alice musste wissen, dass Conner ganz nah bei ihr war, wenn sie gleich die Treppe runter kam und sich ihm zeigte.
„Ich bin hier.“ Conner trat an die Treppe und sah erwartungsvoll nach oben.
„Kann ich runter kommen?“
„Ich bitte darum, Kleines. Ich sterbe hier noch vor Nervosität.“
Conner war also auch nervös. Das konnte ja was werden. Alice musste schmunzeln. Dann raffte sie sich und trat endlich in Conners Blickfeld.
„Wow...du...ich...wow...“ Mehr bracht Conner gerade nicht zustande. Er war tatsächlich sprachlos, was sehr selten vor kam. Seit Alice in seinem Leben war, da passierte es ihm immer wieder ganz unerwartet. Conner traute seinen Augen kaum, als Alice erschien. Erscheinung war erneut das richtige Wort. Genauso, sah sie aus. Ihr Blick war nach unten gesenkt. Doch um ihre Lippen, spielte ein leichtes Lächeln, als sie die Treppe runter kam.
Das Kleid, saß perfekt und schmeichelte Alice Körper. Das Oberteil war eng anliegend, bis zu den Hüften gerafft und vorne, zweimal überkreuzt. Mit einem herzförmigen Ausschnitt. Zusätzlich, hatte es einen Tülleinsatz, welcher mit Blumen und ein paar Strass Steinchen verziert war. Er bedeckte vorne die Schultern und hinten einen Teil des Rückens. Die Ärmel, reichten bis über die Ellbogen. Von den Hüften an abwärts, fiel das Kleid, locker und fließend zu Boden, wobei es hinten etwas länger war, als vorne. Die Farbe Pflaume, passte perfekt zu Alice Bernsteinfarbenen Augen. Genauso, wie zu ihren Kupferbraunen Haaren, welche sie sich leicht nach oben gesteckt hatte, damit man die faszinierende Rückenansicht sehen konnte. Locker und nicht streng. So, dass ihr noch ein paar Locken, leicht ins Gesicht fielen.
Um ihren Hals, trug Alice eine antike Halskette, dessen Anhänger eine Elfe war, die in ihren Händen einen kleinen Mondstein, in Form eines Herzens hielt. Dazu, die selben Ohrringe, jedoch nur in Herzform. Beides sah aus, genau wie Alice, als wäre es einer anderen Zeit entsprungen.
Ihr Makeup, trug Alice etwas kräftiger, als sonst. Aber dennoch dezent. Ihre Augen, hatte Alice, mit einem dunkleren, eher kühlen Ton betont, was sie noch mehr strahlen und wärmer wirken ließ.
Sie sah einfach perfekt aus, befand Conner, als er sie dabei betrachtete, wie Alice die Treppe nach unten schwebte. Wie konnte man diese zauberhafte Frau als nicht gut genug betrachten? Conner verliebte sich, auf einen Schlag, erneut in Alice.
„Und, was denkst du?“ Alice hob ihren Blick und sah Conner unsicher an.
„Perfekt!“ Noch immer völlig verzaubert, nahm Conner Alice Hand und drehte sie einmal um sich selber. „Ich werde heute Abend der größte Glückspilz sein, weil ich von der schönsten Frau begleitet werde.“ Sanft, berührte er ihre Lippen.
Alice schloss die Augen und seufzte. Tief atmete sie durch, öffnete die Augen wieder und sah in die von Conner. Sie strahlten und glänzten.
Seine Frisur, war heute ein klein wenig ordentlicher als sonst, ohne dass es ihn entstellte. Genau wie sein Dreitagebart, den er etwas gestutzt hatte.
Alice machte ein paar Schritte von Conner weg, um ihn sich jetzt auch ansehen zu können. Sein heller, anthrazitfarbener Anzug, welchen sie zusammen ausgesucht hatten, stand ihm wirklich unglaublich gut. Das Hemd, welches Conner sich danach noch gekauft hatte, war in der selben Farbe, wie ihr Kleid. Dazu, trug er eine Krawatte, die mit dunklen und hellen lila Streifen, durchzogen war. Er sah so gut aus, dass es Alice nicht fassen konnte, dass sie mit diesem Mann, den Abend verbringen durfte.
„Genehmigt?“ Wollte Conner schmunzelnd wissen, als er Alice Blick sah.
Alice biss sich auf die Unterlippe und nickte. „Mehr als das.“ Das unbändige Bedürfnisse, Conner zu küssen, nahm gerade Überhand und so gab sie sich ihm hin. „Ich muss dich wohl in Schutz nehmen, vor all den Single Frauen dort. Falls es welche haben wird.“, nuschelte Alice schmunzelnd in den Kuss hinein.
Leicht, drückte Conner sie etwas von sich weg. „Für die, werde ich überhaupt keine Augen und Zeit haben. Denn ich werde damit beschäftigt sein, meine beste Freundin, vor zu vielen Annäherungsversuchen zu bewahren. Und sie immer wieder anzusehen, damit ich mein Glück fassen kann.“ Ein Lachen entwich Conner, als Alice ihn in die Seite kniff. Doch dann sah er Alice fest an, wobei ihre Blicke, wieder einmal miteinander verschmolzen. „Du bist so wunderschön, Kleines. Ich bin hin und weg.“ Ehrfurcht lag in Conners Stimme. Die pure Wahrheit sprach aus seinen Augen sprach.
Verlegen, sah Alice zu Boden. So viele Komplimente, war sie sich nicht gewohnt. Das war etwas von vielem, mit dem Alice umzugehen lernen musste.
Conner legte zwei Finger unter ihr Kinn, damit sie ihn, ohne Zwang ansah. Worte fand er keine mehr, weshalb er das für sich sprechen ließ, was mehr sagte, als es tausend Worte gekonnt hätten. Seine Lippen, die Alice in einen atemberaubenden Kuss verwickelten.Das Klopfen an der Haustür, ließ diesen magischen Moment zerplatzen, wie eine Seifenblase. Die Magie jedoch, hing weiterhin im Raum und zwischen Alice und Conner fest, die ihre Blicke nicht vom anderen nehmen konnten.
„Na ihr Zwei, seid ihr fertig? Kann ich rein kommen?“ Rose steckte den Kopf zur Tür herein. Was sie sah, war einfach nur perfekt. „Oh mein Gott. Ihr zwei seht einfach...ihr seht so wunderschön aus zusammen.“
Erst jetzt konnte sich Conner von Alice Augen lösen. Er sah strahlend zu Rose. „Sie sieht unglaublich aus, nicht wahr?“ Conner platzte beinahe vor Stolz. Seine Augen wiederspiegelten die Liebe seines Herzens. Einem Windhauch gleich, legte er seine Lippen an Alice Schläfe. Wie gerne würde er jetzt seine Nase in ihren Haaren vergraben, um ihren unwiderstehlichen Duft in sich aufzusaugen.
„Du bist aber auch nicht zu verachten.“ Rose gab ihrem Enkel einen Kuss auf die Wange. „Bereit für das Foto?“
„Muss das sein?“ Alice sah zwischen Conner und Rose hin und her, die beinahe gleichzeitig, sehr überzeugend nickten. Gegen das McCallum Doppel, war Alice machtlos. Das musste sie sich gerade eingestehen.
Ein Hupen, beendete das Ganze und der Abend konnte beginnen.Conner hielt Alice die Tür der Limousine auf und half ihr beim Einsteigen. Kaum saß er neben Alice berührte er die empfindliche Stelle hinter ihrem Ohr. Ließ seine Nase daran entlang gleiten und atmete tief durch.
Was normalerweise eine beruhigende Wirkung auf Alice hatte und sie die letzten Tage immer wieder wohlig seufzen ließ, wenn Conner dies tat, hatte heute keine Wirkung auf sie. Das würde eine anstrengende Fahrt werden, dies ahnte Alice. Es dauerte eine Weile, bis sie in Kerry waren. Dort in der Nähe, südlich von Killarney, lag Muckross House, in dessen Anwesen, der Ball stattfinden würde.
„Erzähl mir von Muckross House.“ Alice brauchte Ablenkung.
Conner sah sie von der Seite her an. Die Farbe, war etwas aus ihrem Gesicht gewichen. „Muckross House, war ein herrschaftlicher Ansitz. Heute ist es nicht mehr bewohnt und kann besichtigt werden.“
„Oder gemietet.“ Ergänzte Alice.
Conner lachte auf. „Ja, wenn man die richtigen Beziehungen und das nötige Kleingeld hat. Muckross House, gehört heute zum Killarney Nationalpark. Und besitzt einen grossen, wunderschönen Blumengarten, der voller Farben ist, wenn alles blüht. Es wird dir gefallen. Das Innere, ist eine Wucht und voller Charme und Wärme“
„Der Ball, findet also immer dort statt?“ Conner nickte.
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Irish Heart - Sprache des Herzens
RomanceDie unberührten Küsten, sanften grünen Hügel, der Himmel, der die Erde zu berühren scheint, lang vergessene Gerüche und das raue Meer, Irlands. Dies ist Alice Callahans Heimat. Ihre Wurzeln. All das, hatte sie, nach dem Tod ihrer Eltern verlassen...