Kapitel 16

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Seit dem, waren nun schon wieder ein paar Tage ins Land gezogen.
Alice half jetzt immer häufiger im Pub aus. Meist dann, wenn Conner geschäftlich unterwegs auf Einkauftour war oder Lieferanten besuchte, was zu seinem Aufgabenbereich gehörte. Oder irgendeiner anderen Tätigkeit im Dorf nach ging. Der Mann für alle Fälle und die gute Seele des Dorfes, wurde Conner hier auch gerne mal genannt. Alice verdrehte innerlich, immer wieder die Augen, wenn wieder jemand zu schwärmen anfing, wie toll Conner dieses und jenes nun schon wieder hin bekommen habe. Ihre Meinung, hatte sich seit dem Tanzabend nicht geändert und Alice war froh, wenn sie so wenig wie möglich mit ihm zu tun hatte
Die mit jenem Abend einhergehende, prekäre Situation zwischen ihnen beiden, lag immer noch wie ein großer, tiefer Graben da, wenn sie sich im selben Raum aufhielten. Die Stimmung war kühl, wenn nicht sogar eiskalt. Das nicht alle um sie beide herum, zu frösteln begannen und sich Eisblumen an den Fenstern des Pubs bildeten, glich einem Wunder.
Trotz alle dem genoss Alice jede Sekunde, die sie im Pub verbringen konnte. Es war ein Stück Normalität, die sie sich so zurück erkämpft hatte. Außerdem lenkte es Alice von den Schatten der Vergangenheit ab. Savannah, John und auch Sean waren ihr dabei eine große Stütze. Sean war wirklich ein Glücksgriff von Savannah. Nicht nur, dass er himmlisch kochen konnte und so die Gäste im Pub, kulinarisch verwöhnte. Auch menschlich. Alice hatte ihn sofort ins Herz geschlossen und wurde zu ihrem zweiten, grossen Bruder. Was konnte man sich mehr wünschen, als eine Familie, die einen über alles liebt und unterstützt?
´Ebenfalls einen solchen Glücksgriff von Mann, an der Seite zu haben und von diesem bedingungslos geliebt zu werden´, kam diese innere Stimme, wieder wie aus dem Hinterhalt.
Liebe. Alice schnaubte verächtlich. Sie kommt und geht und oft ist es die Falsche. Sie vernebelt einem nur die Sinne, ließ einen verrückte Dinge tun, die man im Normalzustand nie tun würde. Blendete einen so sehr, dass man den wahren Charakter eines Menschen nicht mehr sehen konnte oder wollte. Und letztendlich, tat sie nur verdammt weh. Was sollte man also damit?
Alice wehrte sich, seit der Sache mit Conner, noch viel mehr gegen dieses Wort, welches immer schmerzliche Gefühle in ihr hoch kommen ließ. Was jedoch eben durch diese Sache, immer schwieriger wurde, da sich Alice in genau dem Augenblick, als Conner sie mit seinen starken Armen festhielt, so sicher und beschützt vor kam, wie schon lange nicht mehr.
In schwachen Momenten, dachte Alice deshalb auch über die Liebe nach.
Wäre sie, rein theoretisch, noch fähig das Gefühl der Liebe zu erkennen, zu fühlen oder gar anzunehmen? Könnte sie selber noch lieben? War echte Liebe stark genug, um ihre Mauern zu durchbrechen und zum Einstürzen zu bringen?  
Alice Eltern waren immer ihr großes Vorbild, was Liebe und Ehe anging. Genau wie jetzt Sean und Savannah, führten sie in Alice Augen, eine perfekte Ehe. Keiner fühlte sich eingeengt oder musste sich für den anderen verbiegen und verändern. Dafür wurde die Liebe offen und ehrlich gezeigt. Würde sie das auch mal erleben?
Alice schüttelte den Kopf. Selbst wenn es irgendwo da draußen, einen Mann geben sollte, der sich in eine verkorkste Person, wie sie es war, verlieben sollte und ihr das gab, was sie nie bekam. Es wäre aussichtslos. Sie würde nie dazu fähig sein, genügend oder überhaupt, Liebe zu geben. Geschweige denn, eine normale Beziehung zuführen. Was wäre es, für den Mann an ihrer Seite, für ein Leben, wenn sie immer zusammenzuckte, wenn er laut wurde? Oder sie nie vollstes Vertrauen in ihn aufbauen könnte? Am besten würde sie die Gedanken an Liebe und Beziehung, ganz weit aus ihrem Kopf und vor allem ihrem Herzen verbannen. Sie war zu verkorkst für das alles.
Alice seufzte.
„Na du, so früh schon wieder in deinen Gedanken versunken?“ Savannahs Stimme, holte Alice zurück, aus diesem Strudel .
„Hmm.“, antworte Alice lediglich.
„Was ist los, Alice?“ Nur ganz leicht, streifte Savannah Alice Arm, bevor sie ihnen beiden, einen Tee einschenkte.
„Ach nichts.“ Alice wollte Savannah nicht mit ihren wirren Gedanken beladen.
„Aha.“ Savannah kannte ihre Schwester, auch wenn sie sich zehn Jahre nicht gesehen und sie sich verändert hatte. Zu gut, um zu wissen, dass dies nicht der Wahrheit entsprach. Sie konnte es in ihren Augen sehen. „Und weshalb läufst du schon seit ein paar Tagen mit schwerem Herzen und fest sitzenden Gedanken durch die Gegend?“
„Tue ich das?“ Alice war erstaunt darüber, dass man ihr das ansah. Aber bei Savannah sollte sie eigentlich nicht mehr erstaunen.
Savannah nickte. „Und ich denke zu wissen, weshalb das so ist. Oder besser gesagt, welche Gedanken dich plagen.“
Alice sah ihre Schwester fragend an.
„Dir fehlt etwas. Jetzt, da du wieder einigermaßen im Leben angekommen bist.“
„Und was, soll mir fehlen?“ Alice spürte auch, dass sich in ihrem Innern etwas veränderte. Dieses Gefühl der Leer und Aussichtslosigkeit, wich von Tag zu Tag mehr einem schweren Herzen, welches vor Sehnsucht schrie.
„Du brauchst mehr als wir alle, jemanden der für dich da ist. Damit du schwach und gleichzeitig stark sein kannst. Jemanden, dem du blind vertrauen kannst. Der dich mit all deinem Ballast annimmt, wie du bist und den viel zu schweren Rucksack mit dir mit trägt.“
„Dafür habe ich doch dich und John.“ Alice strich lächelnd über Savannahs Wange. „Und alle anderen im Dorf.“
Savannah schüttelte sanft den Kopf. „Das meinte ich nicht. Jemand, der nur für dich da ist. Jeder braucht so jemanden, Alice. Und du am allermeisten. Damit dieses Gefühl, geliebt zu werden, wieder zurück kommt. Oder du es überhaupt endlich mal von jemand anderen zu spüren bekommst, als von deiner Familie und deinen Freunden.“
„So wie du Sean hast?“ War es offensichtlich was sie plagte, während es für Alice eher noch verborgen war? Oder wollte sie es sich selber, einfach nicht eingestehen?
In Savannahs Augen trat ein Strahlen, als Alice seinen Namen sagte. „Ja.“
Alice Blick wurde nachdenklich. „Ich denke nicht, dass ich mich jemals wieder auf einen Mann, auf diese Weise, einlassen und so viel Vertrauen aufbauen kann.“
„Nicht kannst oder nicht willst?“ Savannah musterte Alice. In ihrem Gesicht war keine große Veränderung zu sehen, die darauf schloss, dass sie gleich wütend wurde.
„Es ist einfach zu viel passiert.“
Savannah wusste, dass sie sich, was dieses Thema anging, auf heiklem Terrain befand. Grundsätzlich verstand sie Alice. Das sie sich dadurch ihr Leben verbauen und sich selber ihr Recht auf Glück verwehrte, konnte Savannah einfach nicht verstehen und akzeptieren. Sollte nicht gerade das Gegenteil der Fall sein?
„Bitte verstehe mich nicht falsch und lauf nicht gleich davon. Aber kann es nicht vielleicht auch, ein Stück weit, zur Normalität geworden sein, dich hinter deiner Mauer zu verstecken und es einfacher ist, dich gegen alles zu verschließen, statt zu kämpfen?“
„Vielleicht habe ich in meinem Leben bereits genug gekämpft und kann einfach nicht mehr. Hast du dir darüber, auch schon mal Gedanken gemacht?“ Alice sah Savannah fragend an. Dabei war sie über sich selber erstaunt, wie ruhig sie blieb, statt auszuflippen. Denn auf dieses Thema und ihre damit einhergehenden Emotionen, reagierte Alice sonst eher sehr gereizt und aufbrausend.
„Jeder hat aber das Recht auf Glück, Alice. Selbst oder gerade du. Für das, was passiert ist, kannst du nichts. Dennoch bestrafst du dich dafür. Wieso?“ Savannah wollte es einfach nur verstehen, weil es ihr im Herzen weh tat, ihr kleine Schwester so zu sehen.
„Nicht an allem, bin ich unschuldig.“ Diese Aussage ließen Alice, wie auch Savannah einfach so im Raum stehen.
Savannah spürte schon länger, dass Alice sich teilweise auch die Schuld daran gab, was sie mit Brian erlebt hatte. Was völliger Quatsch war. Aber wie sollte man jemandem seine Gedanken ausreden, die bereits viel zu tief saßen?
„Es ist keine Strafe, sondern ein Schutz. Ich kenne die Schattenseiten der Liebe, welcher ihr alle hinter her rennt. Ich weiß, wozu Männer in der Lage sind.“
„Du kannst aber nicht alle Männer in ein und den selben Topf stecken. Es gibt auch die Guten. Mehr als du denkst.“ Selbst diese Einstellung, brachte man einfach nicht aus Alice Kopf. „Kennst du hier in Ballyconneely einen wirklich schlechten und bösen Mann? Und komm mir jetzt nicht mit Conner. Denn diesen kennst du zu wenig, um ihn dazu zu beurteilen.“
Alice schnaubte. Sie konnte beim besten Willen nicht verstehen, weshalb alle so auf diesen Kerl abfuhren. ˋVielleicht solltest du dir und ihm dazu eine Chance geben, euch kennenzulernen, damit du es verstehen kannst.ˋ, sprach Alice innere Stimme mit ihr. Die konnte einem aber auch auf die Nerven gehen.
„Und was die Liebe angeht, auch ihr solltest du eine Chance geben, wie du dir eine Chance gegeben hast, wieder zu leben.“ Savannah ahnte, dass sie wahrscheinlich den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. „Kann es sein, dass es genau das ist, was dich so trüb durch die Tage gehen lässt?“ Alice Blick, sagte ihr mehr als tausend Worte.
„Ich will sie nicht. Doch ein Teil von mir, ist da anderer Meinung.“
„Der Liebe, kann man nicht entkommen. Selbst du nicht. Sie kommt auch durch deine viel zu dicke Mauer, die dich um gibt und findet einen Weg in dein Herz. Wenn es die Richtige ist. Dagegen, sind wir machtlos. Und das scheinst du gerade, mit Schrecken, fest zustellen.“
Alice fuhr sich seufzend durch die Haare.
„Schatz, glaub mir eines. Wenn der Richtige da ist, dann wirst du bereit sein, zu vertrauen und zu lieben.“ Savannah musste an Seans Worte über Conner denken. Vielleicht hatte er ja Recht. Wenn es auch eine eher merkwürdige Vorstellung war, dass es ausgerechnet Conner sein könnte, so wäre Savannah auch froh darüber. Einfach aus dem Grund, weil sie Conner gut genug kannte, um ihm voll und ganz zu vertrauen und ihm daher auch Alice Glück in die Hände zu legen.
„Du bist immer noch die selbe Optimistin, wie früher“, sagte Alice. Irgendwie war dieser Optimismus beruhigend.
„Jemand in unserer Familie, muss es ja sein.“ Antwortete Savannah Achselzuckend.
„Da hast du allerdings recht.“ Stimmte Alice ihr zu und nippte gedankenverloren an ihrem Tee.
Sollte Savannah wirklich recht haben? War es die Liebe oder zumindest die Sehnsucht danach, welche immer schwerer auf ihr lastete? Oder brauchte sie einfach einen guten Freund, dem sie sich anvertrauen konnte und der immer für sie da ist?
„Willst du etwas Essen?“ Unterbrach Savannah die Stille.
„Nein. Ich spüre gerade den Drang nach einem langen Spaziergang. Dies kam die letzten Tage etwas zu kurz. Es ist noch früh und dann ist es am schönsten hier. Außerdem, ist es hilfreich für wirre Gedanken.“ Alice drückte ihrer Schwester einen Kuss auf die Wange und verließ die Küche in ihrem ehemaligen Elternhaus.
Zuerst war es merkwürdig, wieder dort zu wohnen. Savannah und Sean, hatten jedoch sehr viel verändert, damit nicht mehr zu viele schmerzliche Erinnerungen darin herum spuckten, worüber Alice sehr froh war.

Conner liebte den Morgen in Ballyconneely, wenn die Sonne aus dem Meer stieg und diesen kleinen Ort verzauberte. Conner war schon an vielen Orten, in seinem schönen Heimatland. Aber nirgendwo, empfand er den Morgen so schön, wie hier. Weshalb er ihn am liebsten draußen verbrachte. Heute sah Conner der Sonne bloß aus seinem Wagen zu, wie sie einen neuen Tag ankündigte. Damit er fit war für die Schicht im Pub, musste er sich noch eine Mütze Schlaf holen. Die Nacht war kurz und der Heimweg lang.
Die zwei Tage, die Conner außerhalb von Ballyconneely verbrachte, taten ihm gut. Zumindest konnte er mal ein bisschen durchatmen. Der Abstand war dringend nötig. Auch wenn Conner, seit dem Tanzabend, nicht oft mit Alice zusammenarbeitete, war es an den wenigen Tagen, schier unerträglich und nahm ihm die Luft zum Atmen. Alice zeigte ihm die kalte Schulter, was er ihr ja irgendwie auch nicht verübeln konnte. Er hatte einen Fehler gemacht. Vor allem, nach dem er sich geschworen hatte, anders vorzugehen. Aber nein, sein verdammtes Testosteron oder was auch immer zu dieser unglücklichen Situation geführt hatte, kam ihm wieder einmal in die Quere. Natürlich ließ Conner, auch weiterhin nichts unversucht, um den Graben und die Eiseskälte zwischen ihnen, zu überwinden. Doch Alice war eine harte Nuss und wahrlich nicht leicht zu knacken. Wenn sie einen einmal in eine bestimmte Schublade gesteckt hatte, schien sie diese nicht mehr so schnell wieder zu öffnen, um die Ansicht zu ändern. Aufgeben, war das Ganze noch so aussichtslos, kam für Conner noch nicht in Frage. Irgendwann würde auch Alice sehen, dass er nicht so war, wie sie ihn sah oder sehen wollte. Seine Aktion nach dem Kuss und dass er mit dieser einen Brünetten den Pub verließ, war nicht gerade hilfreich. Doch Conner musste seinen Frust und noch so einiges anderes entladen. Vielleicht sollte er sich einen Box Sack kaufen. Wäre wahrscheinlich effektiver und ohne schlechtes Gewissen verbunden. Denn dieses plagte ihn jedes Mal, nach einer solchen Nacht. Zumindest nach der letzten, die aus reinem Egoismus heraus geschah.
Conner raufte sich seufzend die Haare. Es war nicht bloß diese Eiseskälte, die ihn fertig machte. Vielmehr war es diese verdammte Anziehung, die er verspürte wenn er sich in Alice Gegenwart aufhielt. Während sie es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht hatte, ihn von sich zu stoßen, musste Conner sich beherrschen, um nicht noch einen Fehler zu machen. Sein romantisches Inneres, dass sich schmerzlich nach Liebe und einer Frau sehnte, verzehrte sich regelrecht nach Alice. Woran dies auch immer lag. Es konnte nicht an ihrer herzlichen Art, ihm gegenüber, liegen. Denn diese Seite, zeigte Alice allen anderen, nur nicht ihm. Selbst den Fremden, die in den Pub kamen. Diesen schenkte sich auch mal ein Lachen. Überhaupt lachte Alice viel mehr wenn sie dachte, dass Conner gerade nicht in der Nähe sei. Dieses Lachen klang so wundervoll, dass sich Conner jedes Mal wünschte, sie würde niemals mehr damit aufhören. Wie eine liebliche Melodie, die man sich immer und immer wieder anhörte. Wenn sie lächelte, bekam Alice kleine Grübchen in den Wangen und ihre Augen glänzten hell. Wie sehr wünschte sich Conner, dass sie auch ihm einmal dieses bezaubernde Lächeln schenkte. Vorauf er wohl lange warten konnte.
Wie oft hatte sich Conner, nach jenem Abend, den Kopf darüber zerbrochen, was er Alice getan haben könnte. Außer sich kurzeitig, wie ein schwanzgesteuertes Arsch zu benehmen. Weshalb er daraus schlussfolgerte, dass Alice wohl mit der Spezies Mann, keine guten Erfahrungen gemacht hatte. Als ihm diese Erkenntnis bewusst wurde, hätte Conner sich erst recht ohrfeigen können, für sein Fehlverhalten.
Jetzt hieß es dann wohl, Alice Bild von ihm und das der Männer im Allgemeinen, wieder ins rechte Licht zu rücken. Es stellte sich nur die Frage wie. Conner konnte sie schlecht darauf ansprechen, was an ihm so falsch sei, außer der Tatsache dass er ein Mann war, weshalb Alice ihn so abscheulich fand. Denn dann könnte er Alice vom Gegenteil überzeugen und ihr Bild ändern.
„Scheisse!“, fluchte Conner, als er gedankenverloren beinahe die Treppe vor seinem Zuhause Kopfvoran hinter sich ließ. Diese Frau machte ihn wahnsinnig, ohne dass er sie wirklich kannte. Das jedoch auf jede erdenkliche Art und Weise. Er musste schleunigst seinen Kopf von Alice und all den konfusen Gedanken frei bekommen. Weshalb er, nach ein paar Stunden unruhigem Schlaf, noch eine Runde laufen wollte, bevor es in den Pub und damit in Alice Gegenwart ging.

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