„Könntest du bitte damit aufhören, mich so anzusehen? Ich habe das Gefühl, dass dein Blick mich durchbohrt.“ Alice wandte sich an Savannah, nachdem Conner gegangen war.
„Nur wenn du mir erzählst, was gestern geschehen ist.“
„Nichts Besonderes. Ich war halt dort, wir haben gegessen und ein bisschen geredet.“ Alice versuchte so gleichgültig wie möglich zu klingen und sich durch ihr Gesicht, welches für Savannah ein offenes Buch war, nichts anmerken zulassen. „Komm schon Alice. Du kannst viele für dumm verkaufen, aber nicht mich. Eure Umarmung vorhin, war schon sehr innig und vertraut. Ihr habt ja völlig vergessen, dass ich auch noch da bin.“ Alice verdrehte die Augen und seufzte. Savannah musterte Alice. Ihr innerer Kampf, drang beinahe an die Oberfläche. „Tee?“
Alice nickte und setzte sich an den Tisch. „Es ist verrückt.“
„Und was genau, Alice?“ Savannah sah ihre Schwester fragend an.
„Das alles. Conner und ich.“ Kaum war Conner weg, meldeten sich Alice Gehirnwindungen wieder zu Wort. Die Zweifel, Ängste und einiges mehr.
„Es ist doch aber eine ganz angenehme Wendung. Oder etwa nicht?“
Alice zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich komme da einfach noch nicht ganz mit. Etwas in mir drinnen hat das, während ich krank war, ohne meinen Verstand entschieden.“
Savannah musste lachen und goss den Tee in die Tassen. „Und das ist vielleicht auch gut so. Conners Fürsorge, hat dich deine Meinung noch einmal überdenken lassen, stimmt’s?“
„Ja, irgendwie...ich meine...keine Ahnung. Wenn er so wäre, wie ich dachte, dann hätte Conner dies sicher nicht alles für mich getan. Oder etwa doch?“
Savannah klatschte in die Hände. „Das ich den Tag noch erleben darf, an dem du diese Erkenntnis hast. Ich dachte schon, es sei aussichtslos.“
Alice sah Savannah kritisch an. „Sag jetzt nicht, dass du ihn in dieses Unwetter geschickt hast? Und er es...“
„Du denkst schon wieder zu viel, Alice.“ Savannah unterbrach sie. „Er hat es gemacht, weil er ein herzensguter Mensch ist. Und das, was du gesehen hast oder sehen wolltest, war nicht das, was in Conners Innern steckt.“
„Er würde dies also für jeden anderen auch tun?“ Das Misstrauen, schlich erneut von hinten an Alice heran.
„Ihn suchen gehen? Ja. Tag und Nacht am Bett sitzen, Tee einflössen, vorsingen, das Bett neubeziehen, dafür sorgen, dass du aus dem Krankenhaus entlassen wirst und uns anderen einen so normalen Alltag wie möglich, ermöglichen? Nein, Alice. Das hat er nur für dich allein gemacht. Weil er dich, aus für mich unerklärlichen Gründen, schon damals in sein Herz geschlossen hatte. Und das weißt du ganz genau. Sonst hättest du ihm keine zweite oder überhaupt eine Chance gegeben.“ Fragend, obschon Savannah wusste, dass sie recht hatte, sah sie ihre kleine Schwester an. Sie sah heute Morgen irgendwie gelassener aus, als auch schon.
„Und such doch nicht gleich wieder überall den Haken hinter der ganzen Sache, wo überhaupt keiner ist.“
Alice sah in ihren Tee, als fände sie dort die Antwort auf all ihre Fragen und die Lösung für ihre Zweifel.
„Conner hat sich außerdem, schuldig gefühlt, da er ganz genau wusste, dass du wegen ihm so ausgerastet bist.“
„Hat er dir etwa von unserem Zusammentreffen am Strand erzählt?“ Alice Augen weiteten sich.
„Ja, das hat er. Und er war etwas ausführlicher und gesprächiger, als du.“ Grinste Savannah.
„Ich hätte ihm am liebsten den Kopf umgedreht.“
„Das habe ich gemerkt. War es denn so schlimm?“ Savannah legte den Kopf schräg und sah Alice fragend an.
Alice schloss kurz die Augen und lächelte. „Schlimm? Wenn küssen schlimm sein kann, dann ja. Es war nicht der Kuss an sich, sondern viel mehr, was er ausgelöst hat. Das war schlimm...irgendwie.“
Savannah legte ihre Hände auf die von Alice und sah sie einfach nur an. Dies half oft mehr, damit Alice redete, als tausend Worte.
„Conner schafft es, dass etwas in mir zu bröckeln anfängt. Verstehst du? Er braucht mich nur anzusehen und meine mühsam aufgebaute Mauer, bekommt Risse. Ich kriege das nicht zusammen und habe keine Ahnung wieso und wie er das anstellt. Und noch viel weniger bin ich einig mit mir, ob ich das will.“
„Vielleicht ist es an der Zeit, dass die Mauer endlich Risse bekommt, damit sie bröckeln kann.“
Energisch schüttelte Alice den Kopf. „Nein. Niemals. Das lasse ich nicht zu. Und komm mir jetzt nicht mit dem Schicksal.“
„Ich weiß, dass du mit dem Schicksal auf Kriegsfuß stehst. Aber weißt du was? Deinem Leben ist es ziemlich egal, wie du über das Schicksal denkst, Alice. Es hat einen Weg für dich vorbestimmt. Du kannst ihn nehmen oder dich für einen anderen entscheiden. Menschen die dir begegnen, Dinge die geschehen, beeinflussen das, was du tust und lassen dich immer mal wieder einen Umweg gehen oder völlig vom Weg abbringen. Doch schlussendlich, irgendwann, kommen wir alle dorthin, wo wir hingehören und zu dem Menschen, der für uns bestimmt ist und uns komplett macht.“ Alice schnaubte verächtlich. Savannah konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Sie wusste, dass Alice später über ihre Worte nachdenken würde. Dies tat sie immer, auch wenn sie so tat, als würden sie diese nicht interessieren. „Genau das Gleiche gilt für unsere Gefühl. Die interessiert es nicht, dass du nicht willst, dass Conner etwas in dir auslöst und dadurch dein innerer Widerstand bröckelt. Eine Zeit lang, kommt man gegen seine Gefühle an, während diese still und leise weiter wachsen. Und irgendwann sind sie zu stark, um weiter gegen sie zu kämpfen.“ Savannah musterte Alice und konnte ganz deutlich sehen, wie es in ihrem Kopf bereits rund ging. „Und was, war das vorhin mit Conner?“
„Eine Umarmung unter Freunden.“ Alice wusste ganz genau, dass sie nicht die Wahrheit sagte und dass Savannah ihr nicht glauben wird. Auch wenn sie selber im Moment noch der festen Überzeugung war, dass es genau das war und immer sein wird.
„Ach so.“ Nickte Savannah.
„Was denn?“ Alice spürte, wie sie ungehalten wurde. Sie hasste diese Art von Gesprächen, die mehr wie ein Verhör war.
„Freunden, kann man sich auch öffnen, Alice. Ihr habt euch also jetzt dazu entschieden, Freunde zu sein?“
Alice nickte, während ein leichtes Lächeln ihre Lippen umspielte.
„Gute Entscheidung. Mit Conner, hast du den besten Freund an deiner Seite, den man sich nur wünschen kann. Mit ihm, braucht man keinen zweiten.“
„Dies habe ich auch schon festgestellt. Irgendwie. Aber ist es richtig? Ich meine, er ist ein Mann. Kann das funktionieren mit der Freundschaft.“
„Hmm…Sean und ich waren und sind es immer noch, auch Freunde.“
'Na toll, dies waren ja super Aussichten', befand Alice. Der Kopf schwirrte ihr unlängst und sie brauchte dringend frische Luft, um ihn durchzulüften. „Sei mir nicht böse, aber ich brauche jetzt mal ein bisschen Zeit für mich, um das alles mal zu sortieren und zu realisieren.“ Alice stand auf und zog sich ihre Jacke wieder über. „Hast du dein Telefon dabei?“ Alice nickte und verließ, schon in ihren Gedanken versunken, das Haus.
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Irish Heart - Sprache des Herzens
RomanceDie unberührten Küsten, sanften grünen Hügel, der Himmel, der die Erde zu berühren scheint, lang vergessene Gerüche und das raue Meer, Irlands. Dies ist Alice Callahans Heimat. Ihre Wurzeln. All das, hatte sie, nach dem Tod ihrer Eltern verlassen...