Kapitel 4

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Conner nutzte die Zeit, da er nicht mehr schlafen konnte und machte seinen morgendlichen Rundlauf, früher als gewohnt, bevor es in den Pub ging. Genau wie die letzten Tage davor auch schon. Träume konnten fiese Begleiter sein. Es war immer der selbe Traum, der seinen Schlaf beendete. Keine bösen Träume, jedoch welche die ihn verwirrten und seine Gedanken kreisen ließen. Bewegung und frische Luft, waren immer noch das beste Mittel gegen diesen Zustand und den Kopf frei zu bekommen. Zudem tat er seinem Körper auch noch gleich etwas Gutes. Conner war nicht der Typ, der Sport machte, um seinen Körper möglichst gut in Form zu bringen, damit seine Muskeln ausgeprägt und definiert wurden. Ganz im Gegenteil zu John, der Zuhause Gewichte stemmte, um den Frauen zu gefallen. Conner musste beim Gedanken an seinen besten Freund schmunzeln. Für ihn selber waren ein paar trainierte Muskeln, ein positiver Nebeneffekt. Weshalb ihn der kleine Bauchansatz, den er hatte, nicht im geringsten störte.
Es war ein eben so klarer Morgen wie jener vor fünf Jahren, als Conner in Ballyconneely ankam.
 
<< Das Dorf mit dem wohlklingenden Namen Ballyconneely, hatte sich Conner spontan ausgesucht. Es war nicht nur der Name, der ihn neugierig machte, kaum las er ihn auf einem der Wegweiser. Es war die Gegend an sich. Der Blick auf das Meer, als er die menschenleere Straße entlang fuhr und der Strand, der sich vor ihm auftat. Als Ballyconneely in Conners Blick auftauchte, war für ihn klar, dass er hier einen Halt einlegen musste. Eigentlich war sein Ziel, weiter in den Norden zu fahren. Um dann von dort, über Dublin und wahrscheinlich noch einige weitere Umwege, zurück nach Dingle zu fahren. Die Connemaras hatten Conner bereits seit einigen Tagen im Griff. Ließen ihn nicht los. Fast so, als hätten sie etwas anderes im Sinn, als dass er  weiter kam. Er folgte diesem lautlosen Ruf.
Falls Conner nichts geeignetes finden würde, um seinen alten VW Bus abzustellen, konnte er sein Vorhaben immer noch in die Tat umsetzen. Er hatte es schließlich nicht eilig. Als Conner seinen kleinen aber feinen Bus in das Dorf fuhr, strahlte ihm eine Herzlichkeit entgegen, die ihn an seine Großmutter erinnerte.
Lachend schüttelte Conner den Kopf. Es war schon eine Weile her, seit er Rose das letzte Mal gesehen hatte. Um genau zu sein ein paar Monate. Seit Conner auf der Reise durch sein Heimatland war.
Conner parkte den Bus auf dem nächst besten Parkplatz, nahm den Rucksack, mit den wichtigsten Dingen darin und machte sich auf die Suche nach einem Stellplatz für ein paar Nächte. Er würde sicher auch in Ballyconneely fündig werden. Bis jetzt, hatte er noch in jedem Ort Glück gehabt.
Das Dorf war noch zauberhafter, als es von weitem schien, wie es sich malerisch ans Ufer des Meeres, über die Klippen schmiegte und sich auch noch etwas weiter die Hügel hinauf zog. Maler und Dichter, hätten hier sicher wunderbare Werke vollbracht. Vielleicht, wer weiß, hatten sie das ja auch wirklich gemacht. Das Dorf schien noch zu schlafen. Schließlich war es auch noch früh, da Conner weil er nicht mehr schlafen konnte, im Dunkeln los fuhr. Die Sonne stieg eben erst aus dem Meer. >>

Schlaflosigkeit war schon immer das, was Conner aus dem Bett trieb. Und manchmal auch die Einsamkeit in diesem. Genau wie damals, stieg auch jetzt die Sonne erst aus dem Meer.
Die einzigen, die damals wie heute, bereits seit Stunden auf den Beinen und an der Arbeit waren, waren die Fischer, die ihren Fang aus dem Meer in den Hafen brachten und für den Verkauf bereit machten. Sie waren es damals auch, die ihm den Tipp gaben, damit er sein fahrendes Zuhause abstellen konnte. Auf dem Gelände eines alten, stillgelegten Leuchtturmes. Bei den Fischern, fand Conner auch seine erste Arbeit, als aus ein paar Nächten, Wochen wurden. Gefangen vom Charme des Dorfes, dessen Bewohner und irgendetwas Magischem, was Conner nicht erklären konnte und es auch heute noch nicht kann, wurden aus Wochen Monate und schließlich fünf Jahre. Conner mietete den Leuchtturm, der nun seit jenem Tag, als er hier ankam und somit, ohne es zu wissen, Ballyconneely zu seinem neuen Zuhause machte. Der Ort war, an dem Conner nicht nur wohnte, sondern lebte und sich wohl dabei fühlte. An keinem anderen Ort auf seiner damals erst kurzen Reise, umgab ihn dieses Gefühl, endlich angekommen zu sein. Conner vermisste Rose und auch Dingle ein bisschen. Dennoch blieb er hier und konnte sich einfach nicht mehr von diesem Ort und den Menschen hier los reißen. Als würde ihn etwas Unsichtbares hier festhalten. Conner hatte nichts dagegen einzuwenden. Denn hier fand er eine Art zweite Familie.
Ballyconneely war keineswegs so verschlafen, wie es auf den ersten Blick schien. Die Zeit verging hier wohl etwas langsamer und man hastete nicht dem Fortschritt hinterher, wie in anderen, größeren Orten. Aber Ballyconneely, steckte voller Leben und Herzlichkeit. Conner musste schmunzeln. Ein verrückter kleiner Ort, den er als sein Zuhause bezeichnete und den er niemals mehr missen möchte.
 
Alice schloss die Augen, als sie am Strand war, um die morgendliche Ruhe in sich auf zunehmen. Die Sonne tauchte aus dem Meer aus, stieg über den Horizont und ließ es auf der anderen Seite, der Erde Nacht werden.
Alice atmete ein paar Mal tief durch. Wie hatte sie die Meeresluft vermisst. Der salzige Geruch, der in der Luft lag, prickelte auf ihrer Haut. Dabei streichelte das sanfte Lüftchen, welches wehte, durch ihre offenen Haare. Es machte Alice nichts aus. Selbst wenn der Wind erbarmungslos an ihnen zog, nahm sie es hin. Schon immer liebte Alice den Wind und seine unberechenbare Art. Weil er Alice frei machte. Er trug alles weg, was schwer auf ihr lastete und vertrieb die dunklen Seiten auf ihrer Seele. Wenn auch nur für einen Moment. Doch dafür, waren diese Momente umso wertvoller und ließ, für einen kurzen Augenblick, immer wieder die kleine Flamme der Hoffnung in Alice aufkeimen, dass die Freiheit einmal wieder ihr gehören würde. Alice öffnete die Augen. Jetzt erst verstand sie, weshalb ihre Mutter immer sagte, man solle den Morgen nicht verschlafen.
Die Sonne war gerade vollständig aus dem Meer aufgestiegen und die Farben leuchteten so lebendig wie kaum zu einer anderen Tageszeit. Außerdem wirkte alles so friedlich, als gäbe es nichts Böses auf dieser Welt. Manchmal wünschte sich Alice, in genau diesen Augenblicken, die Zeit anhalten zu können, um für immer in ihnen zu verweilen.
Schnell zog Alice ihre Schuhe aus, krempelte die Hosenbeine ihrer Jeans hoch und lief im kalten, feuchten Sand bis zum Wasser. Als das Wasser an den Strand und über Alice Füße rollte, wich sie zurück und stieß einen kleinen Freudenschrei aus. Es war, für einen Bruchteil einer Sekunde, herrlich unbeschwert, was Alice schon seit Jahren nicht mehr erlebte.
Danach lief Alice dem Strand entlang weiter, bis der Weg rauf auf die Klippen führte. Dort blieb sie eine Weile stehen, ließ die wärmenden Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht tanzen, bevor sie zurück nachhause ging. Befreit und erleichtert. Leichtfüßig, als würde sie auf Wolken gehen. Es fühlte sich gut an und war ein kleiner Hoffnungsschimmer, am dunklen Horizont.
 
Conner war einmal mehr, auch wenn er schon fünf Jahre in Ballyconneely lebte, von der Natur, die ihn umgab, so fasziniert, dass er sein Tempo drosselte und im Schritttempo weiter ging. Er ließ seinen Blick schweifen, bis etwas seine Aufmerksamkeit vollkommen einnahm und zum stehen bleiben zwang.
Wo kam diese Frau plötzlich her, die unweit von ihm, auf den Klippen stand? Ihre Haare wurden von der Sonne beschienen und schimmerten Kupfern. Der leichte Wind der wehte, erfasste die Haare immer wieder und ließen sie wie die Flammen eines Feuers erscheinen.
Conner war wie verzaubert und konnte weder denken, noch sich von dem Anblick abwenden. Die Frau sah aus, als wäre sie gerade irgendeiner Legende aus ferner Zeit entstiegen. Stärke und Mystik umgab sie.
Conner ein waschechter Ire, kannte die Legenden, Sagen und Mythen welche sich um sein Land rankten. Er hatte auch schon so einige solcher Orte gesehen und wusste, dass dies nicht von irgendwo her kam. Das die Connemaras zu dem Teil Irlands gehörten, der noch am meisten mit Sagen und Mythen verbunden war, wurde ihm schon bald einmal mehr als bewusst, kaum war er hier angekommen. Noch nie, hatte er jedoch gesehen, dass dies auch auf Menschen zu traf.
Doch hier und jetzt, an diesem ohnehin schon magisch wirkenden Morgen, wurde Conner eines besseren belehrt. Die Frau sah aus, als wäre sie eins mit ihrer Umgebung, der Natur, den Legenden und Sagen. Als gehöre sie genau hier ihn.
Hatte er nicht vor einem Monat, schon einmal den selben Gedanken? Conner hielt sich die Hand über die Augen, da die Sonne in einen Winkel wanderte, dass sie in blendete. Somit war auch die Frau verschwunden.
Conner schüttelte den Kopf. Es war die selbe Frau, die Conner vor einem Monat bei der Bushaltestelle gesehen hatte. So lange hielt der morgendliche Drang bereits an, viel zu früh zu erwachen und einfach nicht mehr in den Schlaf zu finden. An jenem Morgen war Conner deshalb ebenfalls unterwegs. Eine andere Runde, als gewohnt und da stand sie auf einmal und nahm seine volle Aufmerksamkeit ein. Die Haare, hatte sie damals zusammen genommen und sie sah weniger frei aus, wie gerade eben. Diese mystische Aura, umgab sie jedoch schon damals.
Wo war sie seit dem geblieben? Außer, dass sie immer wieder in seinen Träumen auftauchte, hatte Conner sie nicht mehr gesehen. Hatte seine Fantasie ihm vielleicht schon damals einen Streich gespielt und heute schon wieder? War es die Wirklichkeit? Conner würde es bestimmt erfahren. Denn falls die Frau real war, musste er ihr, früher oder später begegnen. Noch verwirrter als davor auch schon, machte sich Conner wieder auf den Weg nachhause, um zu Duschen und sich fertig für die Arbeit zu machen.

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