Kapitel 103

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Alice war froh um Conners Nähe. Dieser Ort, schien sie jedes Mal erdrücken zu wollen. Selbst jetzt, nach dem sie nun wusste, dass nicht alles düster und Rabenschwarz war. Das selbst nach dunklen Zeiten, durchaus mal wieder die Sonne scheinen konnte. So, wie gerade eben. Die Sonne schickte ihre Strahlen zwischen den Wolken hindurch und wärmte ihre Wangen, die leicht gerötet waren von der Kälte. Alice sah zu Conner, der ihr das Eisentor aufhielt und seine Hand entgegenstreckte. Sie erfasste diese und drückte sich fest an Conners Brust. „Ich bin so froh, dass du da bist. Hier oben ist es immer, als wolle mich die Dunkelheit von damals, erneut verschlingen.“
„Du bist stärker als die Dunkelheit, Alice. Das weißt du auch. Du warst damals nicht alleine und bist es jetzt auch nicht.
Nein, das war sie nicht. Alice fühlte sich jedoch allein und verlassen. Obschon die Hände ihrer Geschwister und deren Liebe, sie festhielten.
„Alle dachten, ich hätte von alle dem, was an diesem Tag hier geschah, nichts mit bekommen. Und wahrscheinlich dachten sie auch, ich sei gefühlskalt, weil keine einzige Regung meinen Körper, äußerlich erfasste. Nicht die kleinste Träne, die von Trauer und innerer Aufruhr hätte deuten können.“ Alice fing an zu erzählen, als sie den Weg entlang gingen. Das zweite Mal, ging sie ihn nun schon, seit dem trüben Tag vor zehn Jahren. „In meinem Innern war ich jedoch so präsent, wie wohl kein anderer an diesem Tag. Alles habe ich mit bekommen. Selbst die windschiefen Kreuze, die hier am Weg entlang stehen. Alles hat es mir eingebrannt. Wie ein Tattoo, welches man sich unter die Haut sticht. Ich könnte dir noch jedes einzelne Wort wiedergegen, welches der Pfarrer sprach. Jeden Nonsens, mit dem er uns Trost spenden wollte. Alles ist hier oben so klar und deutlich da, als würde es gerade eben erst geschehen.“ Das Leuten der Glocken, ließ Alice zusammenzucken. „Selbst die Glocken sangen ein trauriges Lied an dem Tag.“ Sah sie zum Kirchturm hoch. „Meine äußere, scheinbare Gleichgültigkeit täuschte. In meinem Innern schrie und tobte es, als würde ein Orkan durch mich hindurch fegen. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen, drang kein Gefühl an die Oberfläche und ließ mich kalt wirken. Wahrscheinlich waren es einfach zu viele Gefühle, die in mir herum jagten und die neu für mich waren, als dass ich sie hätte raus lassen können.“
Conner sagte nichts. Strich Alice einfach ein paar Tränen von den Wangen und folgte ihr, als sie weiter ging. Bis sie wieder stehen blieb.
Vor einem gepflegten Grab, auf dem frische Blumen standen. Er wusste, dass Savannah, mindestens einmal in der Woche her kamen.
„Wusstest du, dass Savannah und Sean sich hier kennengelernt haben?“ Conner nickte. „Irgendwie...keine Ahnung...es verleiht dem Ganzen, diesem Ort, etwas Schönes. Einen gewissen Glanz.“ Alice schüttelte den Kopf. „Hallo Mama, Hallo Daddy. Ja, ich bin endlich wieder da.“ Sie strich über den Grabstein und legte dann eine Muschel auf das Grab. „Eine Muschel aus Dingle. Du hättest es genossen, dort unten am Strand entlang zu gehen, um Muscheln zu sammeln, Mama.“ Alice lächelte, bei dieser Erinnerung. „Bald werde ich dir eine Rose aus deinem Garten auf dem Feenhügel bringen. Ich hab das Haus wieder gefunden. Es sah ebenso mitgenommen aus, wie ich, als ich es antraf. Doch jetzt, erstrahlt es wieder in seiner schönsten Pracht. Conner, die gute Seele der Familie, hat es wieder her gerichtet. Du würdest bestimmt ausflippen, wenn du es sehen könntest, Mama.“ Alice hatte sich mittlerweile auf den Boden gekniet und nahm Conners Hand in ihre.
Mit welcher scheinbaren Gelassenheit sie nun hier saß und mit ihren Eltern sprach, erstaunte diesen. Nachdem sie zuvor noch völlig aufgelöst und in der Vergangenheit gefangen war. Den leichten Schimmer in Alice Augen, war ihm jedoch nicht entgangen. Gleichzeitig wirkte sie zufrieden. Was für eine erstaunliche Frau.
„Conner hat übrigens einiges dazu beigetragen, dass auch ich wieder in neuem Glanz erstrahle. Oder zumindest einmal wieder etwas leuchte.“ Tief atmete Alice durch. Sie spürte, wie der Sturm wieder anfing in ihr zu toben und alles in ihr dagegen ankämpfte. „Conner hat mich gefunden, Mama. Du hattest recht. Mit jedem einzelnen Wort, in deinem Brief, behieltest du Recht. Ich habe mich verloren, während ich mich selber vor der Welt, der kalten Realität, versteckt habe. Zumindest versuchte. Dadurch, wurde ich nur noch tiefer in die harte Realität getrieben. Ohne Aussicht, dort wieder raus zu kommen. Doch ich habe es geschafft. Woher ich die Kraft nahm, weiß ich nicht. Sie war da und ich habe sie genutzt, um endlich wieder nachhause zu können.“ Die Worte, sprudelten nur so aus Alice heraus. Es fühlte sich erstaunlicherweise unglaublich befreiend an. „Ballyconneely war meine Rettung. Hier haben nicht nur John und Savannah auf mich gewartet, sondern auch Conner. Und ich weiß, dass du das gewusst hast, Mama. Vielleicht schon, als du diesen Brief geschrieben hast. Du wusstest es, dass es irgendwo auf dieser Welt jemandem für mich geben wird, dem ich mein Herz schenken werde. Ich weiß zwar nicht, ob er sich so glücklich schätzt, wie du es in deinem Brief geschrieben hast, dass ich ihm mein Herz geschenkt habe, doch…“ Alice schenkte Conner ein liebevolles Lächeln. „Er wollte mich unbedingt. Weshalb er mich nun so schnell auch nicht wieder los werden wird. Weißt du weshalb, außer weil ich ihn liebe?“ Alice machte eine Pause, als erwarte sie auf eine Antwort. „Conner kennt mein Elfen Lied und hat es mir auch schon vorgesungen. Und du hast geschrieben, dass ich diesen Menschen festhalten soll.“ Alice Stimme war nur noch ein Flüstern. Es hörte sich an, als würde sie ihrer Mama ein Geheimnis erzählen.
Conner war mittlerweile näher an Alice heran gerutscht, schlang einen Arm um ihre Taille und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren. „Das will ich auch nicht. Nie mehr. Und ja, ich schätze mich genau so glücklich, wie der Mann, den deine Mama im Brief beschrieben hat.“, flüsterte er. Bemüht, sein Zittern in der Stimme zu unterdrücken. Das alles, verlangte so einiges von ihm ab. Er konnte sich so gut vorstellen, wie gerne Alice nun mit ihrer Mama im Garten auf dem Feenhügel sitzen würde, um über all das und die Liebe zu sprechen.
„Conner hat mich gesehen, Mama. So, wie du mich immer gesehen hast und was anderen Menschen schwer fiel zu sehen und mich dann so zunehmen, wie ich war und bin. Er tut es. Weshalb du ihn lieben würdest.“ Alice schloss die Augen und lehnte sich gegen Conner. „Conner hat nie hinterfragt, was noch alles auf ihn zukommen wird. Er hat hinter den Schatten gesehen, der ich nur noch von mir selbst war. Und…keine Ahnung, was er dort gesehen hat, aber scheinbar hat es ihn so fasziniert, dass es ihn nicht mehr los ließ.“ Lange, würde Alice diesem Sturm, nicht mehr standhalten. Es waren zu viele Gefühle und Emotionen, die einmal mehr, in geballter Ladung über ihr herein brachen. „Conner war der zweite Engel, neben Claire, der ihr mir geschickt habt. Dafür, werde ich euch für immer dankbar sein. Und ich…ich wünsche mir gerade nichts mehr, als dass ihr hier bei mir…und Conner…wärt und mein Glück mit uns teilt. Ich bin tatsächlich wieder glücklich. Seit Jahren, bin ich endlich mal wieder aus tiefstem Herzen glücklich. Und das, verdanke ich alles, dem tollsten Menschen, den ich jemals kennengelernt habe. Der Mensch, der mich wieder lernte zu vertrauen und zu lieben. Der Mensch, der sich in mein Herz geschlichen, dort eingenistet und seine Liebe verbreitet hat.“ Alice sah zu Conner hoch. „Dem Menschen, den ich aus tiefstem Herzen liebe. Und für immer in meinem Herzen tragen und lieben werde.“
Spätestens jetzt, war es um Conner geschehen. Er wusste nicht, ob Alice schon jemals so ehrlich und offen, über ihre Gefühl zu ihm gesprochen hatte, wie gerade eben. Jedes einzelne Wort, hatte sich durch Conner hindurch, in sein Herz geschlichen. So, dass er seinen Emotionen nicht mehr länger stand halten konnte und einfach hemmungslos anfing zu weinen. Sein Körper bebte und zitterte, als Alice ihre Arme um ihn schlang und fest an ihren Körper zog. Eine schönere Liebeserklärung, hätte Alice ihm nicht machen können. Sie kehrte in diesem stillen Moment mit ihren Eltern, ihr Herz nach außen. Etwas, was sie so lange, immer wieder vermied oder es zumindest versuchte zu vermeiden.

„Es tut mir leid. Ich wollte nicht weinen.“ Schluchzte Conner. „Weil ich…ich stark sein wollte. Für dich.“
Alice strich Conner durch die Haare und küsste seine Stirn. „Du darfst weinen und sollst es auch tun.“ Sanft legte Alice ihre Hände an Conners Wangen und zwang ihn so, leicht, sie an zusehen. Dabei strich sie ihm die Tränen weg. „Du allein, machst mich stark, Conner. Genau deshalb. Weil auch du Schwäche zulassen kannst. Ich kann mich fallen lassen, weil ich weiß dass deine Stärke mich auffangen wird, ohne mich schwach zu machen.“ Alice betrachtete den sonst so starken Mann vor ihr, der immer mal wieder zu einem Häufchen Elend seiner Gefühle wurde, dabei versuchte es zu verhindern. Sie suchte nach den richtigen Worten. Genau das, hatte Alice von Conner gelernt. Das Schwäche zeigen nicht bedeutete, dass man an Stärke verlor. Im Gegenteil. „Du bist diese Mischung aus stark sein und Schwäche zu lassen, die ich brauche. Deine Stärke, genau wie deine Schwäche, brauche ich. Weil ich dadurch verstanden habe, dass Stärke bedeutet, auch Schwäche zu lassen zu können.“ Fest sah Alice Conner an. Dieser konnte ihrem Blick jedoch nicht mehr länger standhalten. Die Tränen legten einen brennenden Schleier über seine Augen. Überhaupt machte ihn diese Frau mal wieder fix und alle. Auf eine jedoch sehr positive Art und Weise.
„Ach Conner.“ Mit diesen Worten, wurde er von Alice erneut in ihre Arme gezogen. „Ich liebe dich so sehr, mein Schatz.“ Es war jedes Mal, wenn Alice diese Worte aussprach, als würde sich ein weiterer Geröllhaufen von ihrem Herzen lösen und krachend ins tiefe Nichts fallen. Sie dadurch wieder ein Stück weit mehr befreien und öffnen. „Am liebsten würde ich es in die ganze Welt hinaus schreien.“
Conner entwich ein tiefes Seufzen. Er schlang seine Arme fester um Alice und zog sie so noch näher an sich heran, was eigentlich gar nicht mehr möglich war. Alice schickte dabei ein Lächeln in den Himmel, als wolle sie sich bei ihren Eltern für all das hier bedanken.
„Ich…das…“ Wollte Conner etwas zu alle dem sagen, was Alice alles losgeworden war. Sie hatten den Friedhof wieder verlassen und waren auf dem Weg zum Feenhügel. Alice blieb stehen und legte Conner einen Finger auf den Mund. „Sag nichts. Ich weiß es doch.“
„Danke.“, flüsterte Conner und gab Alice einen Kuss, den sie gleich darauf intensivierte. Die Arme um seinen Hals gelegt, zog sie ihn zu sich runter und hielt ihn fest bei sich. Bis ihre Lungen nach Luft verlangten.

„Und was machen wir heute noch?“, fragte Conner, als sie weiter gingen. Den Arm, fest um Alice geschlungen, drückte er immer wieder Küsse auf ihre Haare. Er bekam nicht genug von ihrer Nähe. Conners Inneres, war immer noch aufgewühlt, weshalb ihm Diese unglaublich gut tat. Noch mehr, als sonst.
„Lass uns Savannah, Sean und John auf den Feenhügel einladen.“ Alice schmiegte sich fest an Conners Seite. Dabei dachte sie über ihren Vorschlag nach. „Jeder bringt einfach mit, was er Zuhause zu Essen und Trinken hat. So müssen wir nicht mehr was Großes Kochen. Außerdem geht es nicht um das Essen, sondern um die Menschen und das Zusammensein mit ihnen. Oder was denkst du, Conner.“ Alice sah fragend zu Conner hoch, aus dessen Augen sich erneut Tränen lösten. Sie blieb stehen. Ihr Blick wurde besorgt, während sie ihm über die Wangen strich.
Was Conners Gefühlswelt anging, stand die, seit sie beim Friedhof waren, definitiv zu nah am Wasser. „Tut mir leid. Es macht mich einfach glücklich, dich so lebensfroh zu sehen. Und was deine Idee angeht, die finde ich super.“ Wischte er sich übers Gesicht. Sie hatten mittlerweile Alice Haus wieder erreicht und verzogen sich schnell ins warme Innere. „Soll ich John anrufen?“
Alice nickte zustimmend. „Ist das für dich wirklich in Ordnung heute Abend? Wir können es auch verschieben, wenn du lieber einfach nur Kuscheln und Zweisamkeit möchtest.“
„Es geht mir gut, Alice. Die Zeit auf dem Friedhof, hat mich emotional etwas aufgewühlt. Da kommt mir die Ablenkung gerade richtig.“ Gab Conner Alice einen Kuss und wählte Johns Nummer.

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