Die Sonne weckte Alice, nach einer völlig traumlosen und dadurch recht erholsamen Nacht. Ihr Blick fiel neben sich. Das Bett war leer und sah auch nicht aus, als ob es benutzt wurde. Conner war nicht hier geblieben. Er hatte sie also nicht die ganze Nacht festgehalten, wie er es versprochen hatte. Enttäuschung machte sich breit.
Ihr blinkendes Telefon, zog dann jedoch Alice Aufmerksamkeit auf sich.< Hey Kleines. Ich war da, die ganze Nacht. Musste aber irgendwann raus. Ich...es tut mir leid. Alles. Falls du mich suchst, ich bin zuhause. Eine Mütze Schlaf nachholen und nachdenken. Hab dich unglaublich lieb. Kuss Conner >
In Alice Augen, sammelten sich Tränen. ˋWas hast du erwartetˋ, stichelte ihre Zicke. Manchmal, würde sie sie am liebsten erwürgen. Wenn auch Conners Worte Alice schmerzten, musste sie ihnen auf den Grund gehen. Oder gerade deswegen.
Alice stieg aus dem Bett, um die Sonne und damit einen neuen Tag, in ihr Zimmer zu lassen. Was würde es für ein Tag werden? Was hatte der gestrige Abend, alles verändert? Es tat Conner leid. Doch was? Gedankenverloren, lehnte sich Alice, mit dem Rücken gegen den Fensterrahmen. Dabei fiel ihr Blick auf etwas, was gestern noch nicht so da lag. Panik stieg augenblicklich, in Alice hoch. Das durfte nicht wahr sein. Conner durfte es nicht entdeckt und schon gar nicht gelesen haben. Er sollte den Rest ihrer Geschichte erfahren. Aber bestimmt nicht so, wie Alice die in ihrem Buch geschildert hatte. Knall hart und schonungslos.
„SCHEISSE!“, schrie Alice und das Buch flog durch das Zimmer. Landete mit einem lauten Knall an der Tür, bevor es zu Boden fiel.
Gleich darauf, vernahm Alice, jedoch nur wie durch Watte hindurch, hektische Schritte auf der Treppe, während sie sich wieder dem Fenster zugewandt hatte. Sie brauchte frische Luft. Ansonsten würde sie ersticken.
„Alice, was ist passiert?“ Savannah stürzte förmlich ins Zimmer. Dabei stolperte sie erstmal über das Buch. Sie hob es auf und legte es wieder auf den Tisch zurück. „Na?“ War alles, was Savannah sagte, als sie ihren Kopf gegen den von Alice lehnte und ihr dabei liebevoll übers Haar strich.
„Es ist alles so verschissen, Savannah.“ Alice fiel ihr um den Hals und fing an zu weinen. Bitterlich. Warum taten ihr Conners Worte, so verdammt weh? Dieses ´Tut mir leid´, wollte nicht mehr aus ihrem Kopf verschwinden und kreiste, wie ein immer schneller werdendes Karussell, darin herum.
„Was ist gestern passiert? Hat es was mit dem Buch zu tun?“ Savannah setzte sich, mit Alice im Arm, unter dem Fenster an die Wand gelehnt, hin.
„Ich habe eine so verdammte Angst, dass Brian mich gefunden hat.“ Allein der Gedanke daran, ließ Alice Körper wieder zittern.
„Wie kommst du darauf.“
Alice wurde erst jetzt bewusst, dass Savannah noch keine Ahnung hatte, was gestern geschehen war. Weshalb sie ihr von dem Anruf erzählte.
„Wir werden als erstes gleich mal deine Nummer ändern. Ich denke jedoch nicht, dass er draußen ist. Das hätten sie dir bestimmt gesagt. Und außerdem, wie sollte er an deine Nummer gekommen sein?“ Savannah versuchte Alice zu beruhigen, obschon sie selber beunruhigt war.
„Was weiß ich. Der ist zu allem fähig und wird seine Kontakte auch weiterhin haben.“ Jeder Gedanke daran, diesem Scheusal jemals wieder gegenüber zu stehen, ließ Alice regelrecht in Panik ausbrechen.
„Denk jetzt nicht mehr darüber nach. Es gibt Wichtigeres, was momentan in deinem Leben passiert. Hast du Conner von Brian erzählt und was er dir angetan hat?“
„Mir blieb gestern, nichts anderes mehr übrig. Jedoch kam ich nicht bis zum Ende. Es war zu schwer und alles kam wieder hoch. So dass ich mir, in Conners Gegenwart, die Seele aus dem Leib gekotzt habe. Danach schlief ich, bis gerade eben.“, fragend sah Savannah sie an. „Conner hat versprochen, die ganze Nacht hier zu bleiben. Doch heute morgen war er weg. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal die Nacht hier verbracht. Das Bett war unbenutzt. Dann diese Nachricht, in der sich entschuldigte.“ Alice hielt ihrer Schwester das Display unter die Nase. „Wäre das alles nicht schon verwirrend genug, lag dieses verschissene Buch, aufgeklappt und umgedreht auf dem Tisch. So, als ob jemand eine Pause während dem Lesen machte.“ Redete Alice weiter, ohne Savannah auch nur einmal zu Wort kommen zulassen. „So, sollte er es nicht erfahren. Das wird er nicht überstehen.“
„Wieso nicht, Alice?“ Savannah kannte den Inhalt des Buches. John hatte es ihr gegeben. Alles konnte sie nicht lesen. Zu grausam war die Gewissheit, dass dies nicht irgendwem passiert war, sondern ihrer kleinen Schwester, auf die sie eigentlich hätte Acht geben müssen.
„Es ist zu ehrlich, direkt und schonungslos.“
Savannah strich Alice eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Aber Schatz. Genauso war es aber. Oder etwa nicht? So ist deine Geschichte.“
„Es hätte dennoch nicht geschehen dürfen. Warum habe ich dieses bescheuerte Buch auch hier rum liegen lassen?“ Alice war aufgewühlt.
„Wolltest du es schön reden? Das kann man nicht. Und genau deshalb, finde ich dieses Buch so unglaublich toll. Nicht die Tatsache, dass es dir passiert ist. Versteh mich nicht falsch. Denn dies zerreißt mir immer noch das Herz. Aber grundsätzlich. Und vielleicht ist es gut, für euch beide, dass Conner es so erfahren hat. Denkst du nicht auch? Zumal er scheinbar nur einen Teil gelesen hat.“
Alice zuckte mit den Schultern. Sie hatte keine Ahnung. Im Moment wusste sie überhaupt nichts mehr. „Er war auf der Seite hängen geblieben, auf der ich erzähle, wie es war, wenn er mich berührte und mich dann..." Die Worte blieben Alice im Hals stecken. Niemals hätte sie Conner davon erzählen können. Noch heute und obschon Alice wusste, dass es nicht ihre Schuld war, fühlte sie sich schmutzig, beim Gedanken daran.
„Vergewaltigte?“ Beendete Savannah Alice Satz.
Alice nickte. „Das war bestimmt zu viel für ihn. Wahrscheinlich wird er sich jetzt vor mir ekeln. Wer würde das nicht?“
Savannah glaubte sich verhört zu haben. „Jetzt hörst du mir mal ganz genau zu, kleine Schwester. Ein letztes Mal sage ich dir, dass du nicht immer dir die Schuld an allem geben sollst. Du bist das Opfer. Brian der Psychopath, der dir das angetan hat. Es gibt rein gar nichts, wofür du dich schämen musst. Es ist nicht gerade eine Vergangenheit, die man rum erzählt. Doch das hast du dir nicht ausgesucht. Wir alle kommen mal vom Weg ab. Das bedeutet jedoch nicht, dass es anderen das Recht gibt, einen so zu behandeln.“ Savannah redete sich regelrecht in Rage. Tief atmete sie durch, um sich zu beruhigen. „Außerdem. Denkst du nicht, dass ihr schon genug durchgestanden habt, dass dies nicht eine Flucht von Conner hervor ruft?“
„Irgendwann, ist jedoch auch das größte Fass voll.“ Alice befürchtete, dass dieser Moment gekommen war. Wer wollte schon eine Frau, die seelisch und körperlich ein Wrack war? Die von einem Mann benutzt wurde wie ein Stück Dreck.
Savannah schüttelte den Kopf. ˋWenn du wüsstest, was ich weiß, dann hättest du diese Gedanken gar nicht.ˋ Ihre Gedanken behielt sie für sich. Es war an Conner, dies tun, wenn er es für den richtigen Zeitpunkt hielt.
„Und für was, hat er sich dann entschuldigt?“
„Darauf, kann nur Conner dir eine Antwort geben, Liebes.“
Alice sah noch einmal auf die Nachricht. Er hatte sie vor vier Stunden abgeschickt. „Ich sollte zu ihm gehen.“ Mehr fragend, als bestätigend, sah Alice Savannah an. „Das solltest du, ja. Und Conner will es sicher auch. Sonst hätte er dir nicht geschrieben, dass du ihn zuhause findest.“
„Ja, wahrscheinlich.“ Alice seufzte und stand auf.
„Ihr überwindet auch noch die letzte Hürde. Ganz sicher. Conner ist keiner, der so schnell aufgibt und feige davon läuft. Ansonsten hätte er es schon lange getan oder sich gar nicht erst weiter darauf eingelassen. Genügend Möglichkeiten, um auszusteigen, gab es allemal.“ Savannah gab Alice einen Kuss auf die Wange.
Alice nickte abwesend und war mit ihren Gedanken schon längst wieder bei Conner.
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Irish Heart - Sprache des Herzens
RomansaDie unberührten Küsten, sanften grünen Hügel, der Himmel, der die Erde zu berühren scheint, lang vergessene Gerüche und das raue Meer, Irlands. Dies ist Alice Callahans Heimat. Ihre Wurzeln. All das, hatte sie, nach dem Tod ihrer Eltern verlassen...