In your face

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Von meiner Veränderung hatte natürlich auch meine Mom etwas mitbekommen. Und sie war hellauf begeistert, dass der pessimistische Schalter in meinem Kopf vorerst umgelegt wurde.
„Lucy, dass war ja ne richtig nette Runde oben! Und coole Musik habt ihr gehört! Da bin ich aber froh, dass zwischen Stormi und dir der Ofen noch nicht ganz aus ist. Und der junge Mann, der war richtig nett. Magst du den auch? Sah aus, als ob ihr euch alle bestens verstanden habt. Ja, ich weiß, ich bin peinlich. Ich mochte es früher auch nicht, wenn meine Mom mich so ausgequetscht hat."
„Nein, Mom, du bist nicht peinlich!", sagte ich und aus tiefster Überzeugung, ich meinte es wirklich so. Warum sollte ich meine Mutter ständig durch ein „Du bist so peinlich" runtermachen? Wem brachte das was? Hatte sie sich für mich geschämt, wenn ich früher mit marmeladenverschmiertem Mund und Erdnussbutter auf der Hose rumgelaufen war?
Vermutlich schon. Aber darum ging es nicht. Wer positiv denken wollte, durfte nicht so viel hinterfragen.
„Wo treibt sich eigentlich Anwar rum?", schaltete Zayn sich ein, während er fein säuberlich die Kruste von seinem Brot abtrennte. Die mochte er einfach nicht.
„Bei Mila, Aussprache. Ich frag mich aber auch, warum das so lange dauert. Vielleicht ist es etwas zu gut gelaufen, und sie sind direkt übereinander hergefallen?" Sie lachte, doch es war Galgenhumor. Meine positive Einstellung konnte nichts an meiner guten Auffassungsgabe ändern. Sie machte sich in Wirklichkeit auch Sorgen, dass das so lange dauerte und wusste, dass da was nicht stimmte.
Meine Hand mit der Gabel zitterte. Ich schaffte es kaum, die Nudeln zum Mund zu führen.
‚Ruhig, Lucy. Er wird schon nicht in krumme Dinger verwickelt sein. Da ist nichts dabei, er ist doch ein alter Trödler. Vielleicht hat er sich wirklich mit Mila versöhnt und nur vergessen, uns Bescheid zu sagen!'
Dumm nur, dass ich mir das selber nicht glaubte.
„Es wird schon dunkel draußen. Er ist schon seit Stunden unterwegs!"
Zayn trug natürlich auch nicht dazu bei, die Stimmung zu entspannen.
„Er wird schon nicht überfallen worden sein. Er ist ein Typ, der wird doch nicht auf der Straße vergewaltigt!" Ich musste es laut sagen, um mir selbst einzureden, dass da alles in Ordnung war.
„Männer können auch Opfer von Gewalt werden. Glaub mir das mal!",  sagte Zayn so verbittert, wie ich mich vorher immer angehört haben musste.
„Geht nicht ans Handy!"
Meine Mutter hatte es natürlich sofort ausprobiert.
Und sofort war von dem guten Tag nicht mehr viel übrig. Doch ich hatte keine Sorge um Anwar. Ich hatte Sorge um die Leute, denen Anwar geschadet hatte.
Und noch immer war ich mit diesem furchtbaren Wissen alleine.
So ging ich, trotz des schönen Tages mit einem unguten Gefühl ins Bett. Die neue Lucy beschäftigte sich nicht mit Problemen, sie verdrängte sie.
Doch sich einzureden, dass alles in Ordnung war war mindestens genauso schwierig und nervenaufreibend, wie sie in allen Einzelheiten auszuklamüsern.
Deshalb fiel ich in einen sehr leichten Schlaf und schrak hoch wie ein Stehaufmännchen, als es an der Tür klingelte.
Vorsichtig schälte ich mich aus dem Bett und stieß im Flur fast mit meinen Eltern zusammen, die sich, natürlich auch in höchster Alarmbereitschaft, auf den Weg zur Tür machten.
„Lucy, was machst du da?! Geh zurück ins Bett!", zischte Zayn mir durch seine Beißschiene sehr feucht zu.
Ich nickte. „Ich wollte nur auf Toilette!"
Was natürlich eine faustdicke Lüge war. Aber immer noch besser, als ihn anzuherrschen, dass ich mit meinen 15 Jahren viel zu alt für seine Bevormundungen war.
Ich ließ mich etwas zurückfallen und wartete, bis ich meine Mom die Tür öffnen hörte.
Ein lautes : „Anwar!" übertraf meine schlimmsten Befürchtungen und ließ mich sofort nach unten eilen.
Das grelle Flurlicht, dass jemand anknipste blendete mich fast, doch das ließ mich Anwars Anblick nicht weniger entsetzlich finden:
Seine Haare klebten ihm nass am Kopf, er hatte eine Platzwunde auf der Stirn, ein Veilchen und seine Nase war von halbgetrocknetem Blut überströmt, es war schon bräunlich, genau wie seine aufgesprungene Lippen. Seine Klamotten waren zerrissen.
„Was ist bitte passiert?" Meiner Mom standen Tränen in den Augen.
„Bin, bin nur hingefallen. Nichts weiter. Der Abend lief ziemlich scheiße weil Mila und ich auf keinen gemeinsamen Nenner kommen, da war ich einen heben. Nichts Tragisches, aber dann hab ich mich noch voll auf die Fresse gelegt. Und, ja, deshalb hat das so lange gedauert. Kann ich reinkommen?"
So sah Anwar aber nicht aus. Irgendwas kam mir an der Story komisch vor, während meine besorgten Eltern ihn reinführten. Zayn wollte einen Krankenwagen holen, was Anwar so panisch und abprubt verneinte und ihm davon abriet, dass mir spätestens jetzt etwas faul an der Sache vorkam.
Vielleicht war es der merkwürdig-leere Blick nach jedem Satz des Unfallberichtes. Falls man es so nennen konnte, denn Details wollte er nicht ausspucken.
Hingefallen war Anwar bestimmt nicht, da stimmte was ganz und gar nicht.
Er log meine Mom schon wieder an und Zayn obendrein! Die Leute, die ihm Asyl gewährten und sich aufopfernd um ihn kümmerten.
Das konnte doch nicht wahr sein! Die zwei waren vielleicht ein bisschen zu naiv und gutgläubig, aber das rechtfertigte es nicht, sie so nach Strich und Faden zu verarschen.
Ich ging hoch. Wie die seine Wunden verarzteten, das wollte ich mir nicht antun.
Eins stand auf jeden Fall fest, ich musste die Wahrheit ans Licht bringen. Meiner Mom und Zayn sagen. Aus Anwar rausbekommen, was wirklich los war. Ich wollte ihn gleich morgen fragen, wenn er nicht vorher wieder abhaute.
Aber das war nicht so einfach. Er kam mir gar nicht mehr vor wie mein Onkel, sondern wie ein ganz fremder Mensch.
Sowas hätte ich ihm nie zugetraut, alles nicht.
Was war los? War er verdroschen worden? Hatte er sich geprügelt? Ich hatte keine Ahnung.
Oh Mann, warum musste so ein schöner Tag so beschissen enden? Ich hatte Stormi wieder gewonnen, aber dafür meinen Onkel verloren.
Ja, das wars. Ich brauchte seelischen Beistand, einen guten Rat. Und Stormi war sicher noch nicht entgangen, zu was für einem Wrack ihre Cousine geworden war.
Es war vielleicht mitten in der Nacht, aber ich musste jemanden um Rat fragen. Und wenn ich auf jemanden zählen konnte, dann auf Stormi.
Deshalb wählte ich wie von selbst ihre Nummer. Ich hatte das Gefühl, ihr alles anvertrauen zu können.

Hey Leutz
Wirres kapi 😂🙆🏻‍♀️ ist schon spät deshalb bis auf die bitte mir Tipps zu geben hab ich nix zu sagen... Nacht 💤🌙😴😘
Eure Mila 🦄💓

Smells like Teen SpiritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt