Natürlich wollten in der Pause alle genau wissen, was in den vier Wänden vorgefallen war. Das war uns allen drei gleichermaßen unangenehm, immerhin waren wir einmal auf einen gemeinsamen Nenner gekommen.
Deshalb hasste ich Gruppenarbeit und alles, was damit zu tun hatte: in jeder Gruppe gab es Unstimmigkeiten, es sei denn, jemand sagte zu allem ja und Amen. Aber in unserer Gruppe war dazu niemand bereit.
Ich war heilfroh, als der Schultag vorbei war. Er hatte in eine Doppelstunde Englisch gemündet, dieses Fach fand ich einigermaßen okay, weil die Lehrerin niemanden ungefragt drannahm oder sonst irgendwelche fiesen Tricks anwendete und die Themen manchmal auch in Ordnung waren.
Zu mehr Lob konnte ich mich nicht zwingen, immerhin war das immer noch ein Schulfach.
Nach der Schule schlurfte ich lustlos nach Hause, weil mir wieder eingefallen war, wer und was da auf mich wartete. Ich wünschte mir sogar allen Ernstes, ich würde wieder Fußball spielen, dann hätte ich wenigstens einen Grund um mal vor die Tür und unter andere Leute als meine Familie und Klassenkameraden zu kommen.
Aber das konnte ich vollends vergessen, zumal meine Mom meine Fußballschuhe schon lange an irgendwelche Freundinnen, die jüngere Kinder hatten, verschenkt hatte, nachdem ich ziemlich überzeugend deutlich gemacht hatte, dass ich nie wieder in meinem Leben einen Fußballplatz betreten würde.
Tja, jetzt zweifelte ich schon wieder an diesem Entschluss. Aber nicht zu sehr.
Als ich zu Hause ankam, öffnete Bella mir die Tür.
„Hi!" Sie beugte sich ganz merkwürdig nach vorne. Erst hatte ich keine Ahnung, was sie von mir wollte, dann kapierte ich, dass sie mich umarmen wollte.
Oh nein! Na gut, was sein musste, musste sein. Ich ließ es über mich ergehen, wobei ich mich steif wie ein Brett machte.
Es wäre etwas einfacher für mich, wenn sie nicht immer so eiskalt wäre. Aber das war sie, ihre Hände kälter als meine, obwohl ich von draußen kam und dieser Geruch nach irgendwelchen Salben und Eukalyptus.
Naja, irgendwann ließ sie mich los und ich ging hinein in die gute Stube. Wie immer saßen alle am Küchentisch, nur Oma Yolanda stand am Herd.
„Hallo, Lucy! Schön, dass du da bist! Komm rein, komm doch näher! Heute gibt's Hühnersuppe!"
Kein Wunder, dass hier niemand gesund wurde, wenn es immer nur das Essen schlechthin bei Krankheiten gab!
Ich hatte überhaupt keine Lust darauf, nickte aber trotzdem.
„Hallo, Maus. Und, wie war's in der Schule?", fragte meine Mom. Ich zuckte die Achseln.
Vielleicht übertrieb ich. Vielleicht war das hier nicht die Hölle, sondern ein gemütliches Mehrgenerationenhaus, nur, weil ich 15 war, konnte ich mit so viel Familie überhaupt nichts anfangen. Vielleicht war das das, was meine Mom gerade brauchte. Vielleicht würde sie auch alleine, mit ihrer dauerschlechtgelaunten, pubertären Tochter ohne den sanften Zayn wahnsinnig werden und es gar nicht mehr aushalten.
Doch leider dachte ich meistens nur an mich. Die Gefühle meiner Mom und ihre Meinung zur Situation waren mir in meinen Überlegungen bisher so egal gewesen wie Dustins Französischnoten oder das, was John sich gedacht hatte, als ich abgehauen war.
Ich war eine Egoistin. Das hatte Natalie mir schon mal vorgeworfen und wenn Natalie Eisenhuth einem Vorwürfe machte, dann hätte man wirklich Mist gebaut. Vor allem mir, bisher hatte sie mir so gut wie alles nachgesehen. Aber ich hatte sie eben nicht Ernst genommen, weil ich nur an mich dachte und die Meinung anderer für einen schlechten Scherz hielt.
Unangenehme Erkenntnisse. Bisher hatte ich mich als Opfer der Umstände gesehen, gegen das sich alle verschworen zu haben schienen und der Gedanke, dass ich auch Mist gebaut hatte und nicht gerade ein Engel war, passte ganz und gar nicht dazu.
Ich blickte frustriert in den Teller, den Yolanda mir vor die Nase gestellt hatte und zählte die Fettaugen.
Vielleicht hatte ich wirklich übertrieben. Natürlich, dass Zayn uns sitzengelassen hatte, dafür konnte ich nicht und das war alles andere als optimal, aber, war das wirklich das Ende der Welt?
Ich hatte eine Familie, die sich um mich sorgte und viele Menschen, die sich Gedanken um mich machten und mir helfen wollten, nur bisher hatte ich sie immer alle verprellt und auf Abstand gehalten.
Zayn wusste ich auch nie richtig zu schätzen, bis zu dem Zeitpunkt, in dem er abgehauen war. Er war für mich immer selbstverständlich gewesen, genauso wie die Tatsache, dass er und Mom sich gut verstanden.
Eine seltsame Erkenntnis. Ich wusste nicht, ob ich mich schämen oder freuen sollte.
„Schmeckt's?", fragte Oma. Ich blickte auf. Mit einem Mal sahen ihre Gesichtszüge schon viel weniger verkniffen und reptilienartig aus.
Mir kam es so vor, als hätte mir jemand eine graue Brille abgenommen, durch die ich alles verzerrt und in Horrorszenarien sah. Und zum ersten Mal musste ich grinsen, vor Erleichterung.
„Ja. Echt lecker!"
Sie nickte nur. Ein richtiges Gespräch würde zwischen uns wahrscheinlich nicht mehr in Gang kommen, aber, das war nicht schlimm. Immerhin war ich mir jetzt sicher, dass sie nicht bösartig war. Herrisch, ja, resolut, ja, einen Kontrollwahn hatte sie auch, aber sie meinte alles nur gut. Und umgänglicher, als ich angenommen hatte, war sie auch.
Mittendrin klingelte es an der Tür.
„Bleibt sitzen, ich gehe!", sagte Oma. Ich löffelte weiter meine Suppe in mich hinein und dachte mir nichts dabei. Bestimmt war das irgendein Vertreter oder sowas, um mich abzuholen hatte schon seit Jahren niemand mehr geklingelt.
Anwar beugte sich vor und verwickelte mich in ein Gespräch, er erzählte von einer Szene aus den Simpsons, die er heute geguckt hatte, als jemand Hühnersuppe aus den Gebeinen seiner Familie gekocht hatte und lachte wie ein kleines Kind über mein angewidertes Gesicht.
„Anwar, lass sie essen", sagte meine Mom abwesend.
„Bäääähhh!", machte Bella und streckte die Zunge raus. „Das ist ja ekelhaft! Total eklig!"
„Ey, habt euch nicht so! Die Lucy kann sowas ab!", lachte Anwar und klopfte mir auf die Schulter.
Er hatte sich wohl mit diesen Witzen wegen Oma die ganze Zeit zurückhalten müssen.
Die kam kurz darauf wieder zurück, alleine.
„Wer war das?", fragte ich.
„Ach, niemand. Die haben nur ein Paket für die Nachbarn abgegeben. Halb so wild!", winkte sie ab.
Ich nickte und aß auf.
Als ich nach dem Essen auf mein Zimmer ging, sah ich, dass ich eine Nachricht bekommen hatte, die mich an meiner neuen Weltanschauung direkt wieder zweifeln ließ...Hey Leutz
Na, was geht? Lucy hat wieder positive Vibes 😂✌🏼 wurde wieder Zeit oder? Findet ihr sie hat recht oder redet sie sich alles schön? Hautz in die Kommis 👇🏼👇🏼👇🏼
LG, eure Mila 🦄💓
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Smells like Teen Spirit
Teen FictionHey Leute, hier ne neue Geschi von mir! Eine Fortsetzung von Wahrheit ist auf'm Platz. Seid gespannt! Weiter Infos kommen Mila 🦄