Alle(s) gegen eine

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Ich war ein bisschen irritiert, dass Reign wieder so gelassen war und so tat, als wäre nichts gewesen. Scheinbar hatte er den Scott-Vorfall und das Geständnis von Anwars Schuld einfach aus seinem Gedächtnis gestrichen, dort schienen Sachen generell nicht lange zu verweilen.
Oder er überspielte das Ganze einfach. Ich hatte keine Ahnung. Oh Mann! Was sollte ich bitte machen?
Das war alles zu viel für mich! Was hatte Zayn nur gemacht, warum? Mir entfloh ein verzweifelter Laut, ein klagender Seufzer.
„Hey, Mann, ist alles okay?", fragte Reign irritiert. Endlich, endlich fragte mich mal jemand, wie es mir ging. Das kam selten genug vor. Doch ich hatte keine Ahnung, wie viel ich ihn verraten durfte, auch wenn ich diesem Jungen am liebsten mein Herz ausgeschüttet hätte. Okay, wahrscheinlich hätte ich in dieser Situation jedem mein Herz ausgeschüttet, Hauptsache jemand gab mir Tipps und half mir, eine Entscheidung zu treffen. Aber im Moment war es dafür denkbar ungünstig.
„Ja, ja, alles klar. Alles in Ordnung", murmelte ich vor mich hin. Doch leider war Reign nicht sehr feinfühlig und er ignorierte die lauten Hilferufe, die ich durch die Blume aussandte.
„Okay, dachte schon. Hast du Sofia irgendwo gesehen? Die läuft hier irgendwo rum und wir brauchen dringend Geld, wir wollen uns ein paar Lose ziehen. Hier kann man ein Original Lakers-Trikot gewinnen, richtig fett!"
Er freute sich wie ein kleines Kind. Mir waren irgendwelche Basketballtrikots total egal. Und wie Sofia aussah hatte ich auch keine Ahnung.
„Nee, sorry", sagte ich deshalb knapp.
Wie konnte er nur so blöd sein und nicht kapieren, dass es mir nicht gut ging? Warum war er nur so ein Idiot? Irgendwie machte mich sein undurchschaubares, unnachvollziehbares Verhalten rasend. Aber vielleicht war das nur, weil seine Schwester dabei war. Hoffentlich.
Die zerrte schon an seinem Arm. Vielleicht hatte sie Angst, ich könnte wieder über sie herfallen. Unbegründet, so viel konnte ich schon mal sagen. Absolut unbegründet.
Immerhin, nachdem er sich verabschiedet hatte, drehte Reign sich nochmal um und machte das „Ruf mich an"- Zeichen. Er sah so aus, als wollte er mir noch etwas sagen, ließ sich aber mitziehen.
Sein Geld, beziehungsweise Sofias Geld mit absolut sinnlosen Losen verbrennen, um sich ein überteuertes Stück Polyester anzueignen. Wie konnte man nur solche belanglosen Sorgen haben?
Machte mich das traurig oder neidisch? Ich wusste es nicht. Am liebsten wäre ich Reign hinterhergestürmt. Einerseits hätte ich ihn am liebsten verdroschen, ihn so lange geschlagen, bis er mal irgendwas merkte, andererseits wollte ich mich am liebsten in seine Arme schmiegen, bis das ganze Debakel vorbei war.
Woher kamen auf einmal diese Gewaltfantasien? Und warum machte dieser Junge mich nur so verrückt? Was hieß Junge, er war ja schon ein richtiger Mann.
Ich stand noch einen Moment unschlüssig rum, bis mir meine Mom wieder einfiel. Wo auch immer die gerade war. Lustlos und deprimiert machte ich mich auf den Weg zu dem Seiteneingang, wo ich sie zuletzt gesehen hatte, bevor ich auf die Mission gesandt wurde. Niemand. Nada, niente.
Auch das noch!
Jetzt konnte ich auch noch alles nach ihr absuchen. Mir ihre Verzweiflung antuen und sie mit hohlen Phrasen beruhigen, die ich selber nicht glaubte oder mich von ihr runterziehen lassen. Dann nach Hause, wo Oma, Bella, Anwar und Ans auf uns warteten. Und, wenn die Familie in schweren Zeiten immer zusammenhielt, dann würden die sicher noch eine Weile bleiben... ach was, für immer! Zumindest Oma. Und Bella. Und Anwar.
Hilfe! Was sollte ich denn jetzt bitte tuen? Angesichts dieser Aussichten war ich verzweifelter und hoffnungsloser denn je. Ich musste hier weg. Und zwar schleunigst. Ich verließ das Gebäude eiligen Schrittes und stellte fest, dass das Fahrrad noch da war. Man musste ja wenigstens einmal Glück haben.
Ich schwang mich auf und trat in die Pedale, bretterte fast eine Frau in den Vierzigern um, die sich maßlos entrüstete, doch das hätte mir nicht egaler sein können. Der Motor verlieh mir einen Schub nach dem anderen und ich brauste drauflos, ohne Last und ohne Ziel. Wohin auch? Ich musste weg von dieser deprimierenden Schule, aber konnte auch nicht nach Hause.
Dort hatte sich meine Familie eingenistet und dort erinnerte mich alles an Zayn. Dem würde ich nie wieder ins Gesicht sehen können. Oh Mann, mein Leben war ein einziger Scherbenhaufen. Und immer, wenn ich dachte, es könnte schlimmer nicht kommen, setzte irgendjemand noch einen drauf.
Nur Stress in der Schule, keine Hobbys, keine Freunde und jetzt auch noch eine Trümmer-Familie... was hatte ich denn falsch gemacht, dass alles so ausgeartet war?
Und da kamen mir auch schon die Tränen. Normalerweise bemitleidete ich mich nicht selbst, aber, da gab es einfach kein Halten mehr.
„Home is where the heart is", so lautete der kitschige Spruch in der Küche von Kylie und Stormi. Er kam mir in den Sinn, weil ich, gemäß seiner Definition, im Moment obdachlos war. Denn ich fühlte mich nirgendwo wohl, nirgendwo war jemand für mich da. Und am allerwenigsten in dem Haus, in dem ich wohnte.
Ich steuerte Kendalls Wohnung an. Die interessierte sich zwar wahrscheinlich auch nicht für mich, aber, ich musste ihr wenigstens das Fahrrad zurückgeben. Auch, wenn ich einen Diebstahl im Moment mit meiner schwierigen Situation zu Hause rechtfertigen könnte. Aber, nein, damit könnte ich im Moment gar nichts anfangen.
Obwohl... ich, auf mich alleine gestellt... mit dem Fahrrad, einfach durch die Gegend fahren, gucken, wie ich klarkam...
Also, nein, jetzt reichte es. Ich drehte langsam völlig durch! Das Fahrrad musste zurück in Kendalls Besitz, Schluss aus. Alles andere wäre albern.
Diesmal zog sich der Weg deutlich länger. Wahrscheinlich, weil ich vor lauter Trübsal gar nicht die Energie hatte, kräftig in die Pedale zu treten. Auch die Schübe des Motors kamen seltener. Im Gegenteil, der Motor gab ganz komische Geräusche von sich. Ich fuhr auf den Bürgersteig und stieg ab. Dreimal schüttelte ich das Rad, wackelte am Lenker, um zu gucken, ob es sich jetzt muckste oder ob ich wieder weiterfahren konnte.
Als ich wieder aufstieg, bemerkte ich, dass die Handbremse völlig locker saß und die Speichen knirschten. Das konnte doch nicht sein! So eine Schrottmühle!
Frustriert stieg ich ab und pfefferte das Rad volle Kanne auf den Bürgersteig. Da niemand kam, trat ich wütend darauf ein. Mann, tat das gut, auch wenn das mit den Schluppen schmerzte. Nein, es tat einfach nur weh! Verdammt noch mal!
Mit einem herumliegenden Ast bearbeitete ich das Rad, erst probehalber. Dann merkte ich, wie gut es tat, seinen Frust rauszulassen, auch, wenn es nur ein Rad war, an dem man sich abreagierte. Und da ging es erst richtig los.

Hey Leutz
Sorry dass gestern kein kapi kam war müde und hatte keinen Bock 😅 hab im Moment ne ziemliche Flaute haha 🙈😕
Schreibt Tipps in die Kommis wär echt nice ✌🏼
1 schönen Tag noch 🧡✌🏼
Eure Mila 🦄💓

Smells like Teen SpiritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt