Realtalk

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Nach diesem Vorfall war ich richtig froh, dass ich am Montag in die Schule musste. Kaum zu glauben, aber wahr. Ich musste mal wieder unter Leute, richtige Leute. Mir nicht mehr das Trübsalblasen zu Hause reinziehen, auch, wenn Anwar mir manchmal verschwörerisch zuzwinkerte, um mich daran zu erinnern, wie sie Widerstand bildeten, wenn Oma nicht da war.
Doch das war nicht mehr vorgekommen. Sie war rund um die Uhr da, machte, tat, hatte immer ein tröstendes Wort... aber, ob meine Mom und Bella in dieser Situation jemanden brauchten, der ihnen erst Recht das Gefühl gab, bemitleidenswert und hilflos zu sein anstatt jemand, der ihnen mal in den Hintern trat? Oder, freundlicher formuliert, sie aufbaute.
Ich hatte mich sogar freiwillig mit Ans beschäftigt. Ich fand, dass ihre quirlige Art eine erfrischende Abwechslung bot. So weit war ich schon!
Doch nicht mal die war mehr gut drauf. Am Sonntagabend hatte sie total geheult, „Ich vermisse meine Mama!" und so. Und sie ließ sich von niemandem mehr beruhigen.
Da die Besuchszeit sowieso ablief, fuhr Anwar sie schnell nach Hause und mit ihr auch der letzte Funken kindlicher Unbeschwertheit.
Wie gesagt, da war die Schule eine willkommene Abwechslung.
Als ich das stickige Klassenzimmer betrat, wusste ich schon nicht mehr, worauf genau ich mich gefreut hatte.
Denn sofort ging irgendein Getuschel los.
Dann ging der Unterricht los, Bio, örks. Da ich den Stundenplan immer noch nicht auswendig kannte, war das immer wieder eine unangenehme Überraschung für mich. Wir diskutierten immer noch über Drogen, diesmal aber über trockenes und langweiliges Zeug, wie genau die Wirkstoffe anschlugen und so weiter.
Das hieß konkret: ziemlich viel Fachsprache und viel zu kompliziert. Ich war richtig erleichtert, als es an der Tür klopfte.
Sofort danach trat Frau Bridget ein. Das war unsere Konrektorin und die schneite nicht alle Tage rein. Eigentlich nur, wenn jemand etwas richtig Übles ausgefressen hatte, wie damals, als Adri eine Mensafrau als „fette Alte" bezeichnet hatte und das noch wochenlang Gespräche gab.
„Was gibt's?", fragte unsere Biolehrerin.
„Hallo, guten Tag zusammen. Entschuldigung für die Störung. Ich wollte wissen, ob...", sie sah auf ihre Liste, „Stormi Webster und Lucy Hadid mal kurz mitkommen können. Können sie die kurz entbehren? Ach ja, und Dustin Gambler. Können sie die drei mal bitte kurz entbehren?"
„Ouuuuhhhh!", machte die ganze Klasse. Wildes Gemurmel und Getuschel setzte ein. Man musste kein Sherlock sein, um zu verstehen, worum es hier ging.
Langsam richtete ich mich auf. Wie frustrierend, hier so abgeführt zu werden wie zur Schlachtbank! Die anderen sahen uns mit einer Mischung aus Mitleid und blanker Sensationsgier an.
„Okay, das war's auch schon. Tschuldigung für die Störung. Tschüss zusammen!"
Stormi, Dustin und ich wurden abgeführt wie Schwerverbrecher. Zumindest tat Dustin so, der war leichenblass und biss sich die ganze Zeit auf die Lippe.
Stormi schien unbeeindruckt von dem Ganzen, sie schlurfte einfach hinter unserer Konrektorin her. Wahrscheinlich hatte sie wieder die ganze Nacht Netflix geguckt.
Als ich näher an die herantrat, bemerkte ich, dass sie wie die Pest nach Schnaps stank. Und als hätte jemand diese Fahne mit zu viel schwerem Parfum kaschiert.
Erst dachte ich, sie wäre unter die Alkohliker gegangen, dann kam mir der Geruch sofort von ganz woanders bekannt vor. Sie hatte ja auch Flöhe gehabt! Und scheinbar war sie auch bei Dr. Parisi. Der und Kylie waren wie gemacht füreinander. Sie hatten zwar nicht viel gemeinsam, aber ich fand sie beide seltsam und das reichte schon.
„Okay, ich wollte das eben nicht vor der ganzen Klasse sagen. Aber, ihr ahnt sicher schon, worum es geht. Da hat noch jemand mit euch Gesprächsbedarf."
Dustin schluckte. Er hatte es bisher strikt vermieden, einen von uns anzusehen.
Ich straffte die Schultern. Fast freute ich mich schon auf die Konfro. Es klang vielleicht schäbig, aber, da ich immer noch zu 100% hinter meiner Aktion stand, da ich seit Yolanda erst recht allergisch auf Kommandos reagierte, freute ich mich schon fast, meinen Standpunkt lautstark zu vertreten und mich so abzureagieren.
„Sollte das nicht mit unseren Eltern geklärt werden? Ich versteh' gar nichts mehr,", sagte Stormi. Nicht mal vor der Frau schlug sie einen angemessenen Ton an!
Ich wollte es ihr gleichtuen.
„Ja. Was heißt ja, obwohl, doch, aber, das kann sie euch am besten selber mitteilen. Ihr seid ja keine kleinen Kindern mehr, mit jungen Erwachsenen kann man sowas auch besprechen. Sie wollte es so. Das ist nunmal das Prinzip unserer Schule, Demokratie und offene Meinungsäußerung."
Sie klang sehr stolz und selbstzufrieden. So ein Müll! Unsere Schule war alles andere als das, auch wenn der „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage"-Sticker etwas anderes vermuten ließ.
Als wir ihr Büro betraten, saßen dort nicht nur irgendeine Sekretärin, sondern auch unsere Französischlehrerin. Scheinbar war sie seit dem Vorfall nicht mehr in der Schule gewesen. Warum sollte es sonst sowas Besonderes sein, dass sie da war.
Als ich ihr in die Augen sah, vergaß ich um ein Haar alle meine Vorsätze. Was ich da sah, diese Verzweiflung, diese Unsicherheit, erinnerte mich an jemanden...
Moment mal, Lucy, nicht sentimental werden! War ja peinlich, wie leicht ich mich einlullen ließ. Ich war im Recht! Das durfte ich niemals vergessen!
Die Sekretärin schleppte noch einige Stühle aus dem Nachbarraum an, damit jeder von uns einen Platz fand.
„Also... Frau Kiefer..."
Stormi erhob Einspruch: „Hä, wieso Kiefer? Hieß sie nicht..."
Die Konrektorin setzte zu eine Erklärung an, wurde aber von der Lehrerin persönlich unterbrochen.
„Ich habe geheiratet. Am Wochenende, um genau zu sein..."
Und einen Tag nach der Hochzeit saß sie hier. Okay, jedem das seine. Das hatte sie doch bestimmt nur gesagt, um an unser Mitleid zu appellieren.
„Okay, also, Frau Kiefer wollte mit euch nochmal über den Vorfall sprechen, persönlich. Eure Eltern hat sie ja bereits kontaktiert, aber zum persönlichen Gespräch ist es noch nicht gekommen, das mit euch zu bereden ging ihr vor. Und ich werde dabeisein, damit das Ganze nicht eskaliert."
Sie hielt uns für mündige Fast-Erwachsene, wollte aber die ganze Zeit als Aufpasser daneben sitzen? Was stellte sie sich denn bitte für eine Eskalation vor? Wir waren weder kleine Kinder noch Choleriker!
Vor meinem inneren Auge erschien das Bild von mir, wie ich mit wutverzerrtem Gesicht auf Kennys Fahrrad eintrat.
Mir schoss das Blut in den Kopf. Okay, vielleicht war es doch ganz gut, dass die da war. Falls mal wieder die Pferde mit jemandem durchgingen.

Hey Leutz
Endlich mal wieder eine schulszene 🙈😂 Yay or nay? Vielleicht geht es euch wie Lucy und ihr seid froh über die Abwechslung haha 🙈 lassts mich in den Kommis wissen 🤔
Einen chilligen Abend euch 😎✌🏼
Eure Mila 🦄💓

Smells like Teen SpiritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt