Trust no one

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Als ich am verabredeten Treffpunkt ankam, sah ich Natalie schon an einem Stehtisch lehnen. Sie tippte auf ihrem Handy rum, wie so ziemlich jeder in dieser Mall und sah überhaupt nicht mehr aus wie die freundliche, besonnene, reife Natalie Eisenhuth die ich vom CSF kannte, sondern wie ein ziemlich durchschnittlicher Teenager.
Sogar in ihrer Hose waren Löcher und sie trug ihre Haare offen, nicht mehr ihre biederen geflochtenen Zöpfe. Ich war fast erschrocken.
Hatte sie schon immer so ausgesehen oder war mir ihre Transformation erst aufgefallen, seitdem ich so einen Hals auf sie hatte? Und warum störte mich das so? Ich hatte mich optisch doch auch verändert, seitdem wir zwölf waren und mein blonder Pferdeschwanz war einer türkisblauen Mähne gewichen. Hatte das Natalie auch aus dem Konzept gebracht, als sie mich zum ersten Mal gesehen hatte?
Plötzlich wusste ich, warum mich ihr Aufzug so störte. Weil ich mir John viel eher mit dieser Mainstream-Natalie, äh, kurz Nata vorstellen konnte als mit der bezopften, lila-gelb tragenden Mutterfigur die ich damals kennengelernt hatte.
Und, weil ich mir viel eher vorstellen konnte, dass er so auf die stand.
Schüchtern stellte ich mich zu ihr an den Tisch. Ich war von ihrem Aufzug verunsichert. Mein Wunsch, sie lautstark zur Schnecke zu machen, schwand.
Als Natalie mich sah und anlächelte, sah ich wieder ganz die Alte in ihr. Vielleicht hatte ich mir alles wirklich nur eingebildet.
Ich wurde fast wahnsinnig bei dem Versuch, ihr Verhalten zu deuten, weil ich wusste, dass ich genauso gut falsch liegen konnte.
Zum einen machte es mich schon misstrauisch, dass sie darauf verzichtete, mich zu umarmen. Die Chance hätte sie sich vor drei Jahren nicht entgehen lassen, auch, wenn das arrogant klang. Mir wäre es lieber, John würde so denken. Tja.
Lag das daran, dass sie ein falsches Spiel spielte und mich nur austricksen wollte? Oder war sie einfach vernünftiger und reifer geworden und hatte gelernt, eine gewisse Distanz einzuhalten, wenn das Gegenüber keine Umarmungen mochte?
Ich wusste es nicht.
„Wollen wir uns hier hinsetzen? Oder uns noch was Kleines zu essen holen?", schlug Natalie vor.
Ich schüttelte den Kopf, da ich noch bis zur Oberkante vollgestopft mit Nudelsalat war.
Natalie holte sich trotzdem eine Pommes, aber ließ mich mich schon mal hinsetzen.
Ich hatte Mühe, einen Tisch zu finden, der noch nicht belegt war. So war das nunmal in einer Großstadt wie LA.
Kurz darauf kehrte Natalie schon wieder, ein Tablett mit Fritten in der Hand.
Schwungvoll ließ sie es auf den Tisch fallen, wobei ihre Eisteeflasche hinfiel.
Sie hob sie auf. „Mann, jetzt ist die ganze Kohlensäure raus!"
Natürlich hatte sie Mayonaise genommen. Nach meinem Mittagessen konnte ich keine Mayonaise mehr sehen!
Angeekelt rückte ich ein Stück ab, sodass ihr Essen nicht mehr ganz in meinem Blickfeld war.
Schlagartig wünschte ich mir das Café mit seiner merkwürdigen Athmosphäre herbei. Besser, als so ein Massenauflauf! Ich hatte Allison unrecht getan.
„Also", Natalie gabelte eine Pommes mit einem kleinen Dreizack auf, „worüber wolltest du mit mir quatschen?"
Auf einmal kam ich mir unendlich lächerlich vor.
Wie hatte ich mir das vorgestellt? Wie wollte ich bitte anfangen?
Warum fiel es mir leichter, mich einer Wildfremden wie Kourtney anzuvertrauen als Natalie Eisenhuth, die ich seit vielen Jahren kannte und lange gemocht hatte?
„Also", räusperte ich mir eine Schüssel voller Knödel aus dem Hals und begann, mit ihrer Serviette herumzuspielen.
„Ich wollte dich da mal was fragen, also, ich habe irgendwie den Eindruck, dass..."
Erbärmlich, dieses Herumgestammel! Gleichzeitig versuchte ich, Natalies Blick zu analysieren.
„Naja, als ob du was dagegen hast, dass... dass John und ich uns treffen wollen, beziehungsweise, dass ich..."
„Hey, Lucy, immer noch, du brauchst doch nicht eifersüchtig zu sein!", lachte Natalie. Ich wusste, sie hätte auch wütend werden können, aber schon dieses Lachen regte mich extrem auf. Immerhin hatte sie sich mehr als dubios verhalten, wenn er in der Nähe war. Und mich jetzt einfach als paranoid darzustellen und seelenruhig weiterzufuttern...
Da platzte mir der Kragen! Das ließ ich mir nicht bieten! Ich ließ mir überhaupt nichts von niemandem bieten! Das hatte Kendall mir damals beigebracht und sie hatte verdammt nochmal recht! Wie konnte ich nur so blöd sein und das wahrscheinlich Wichtigste, was mir jemals jemand beigebracht hatte, wieder vergessen!
Wahrscheinlich war diese wichtige Information auch noch Regeln über die Bruchrechnung oder Ähnlichem gewichen.
„Ach ja?", sagte ich plötzlich kein bisschen unsicher mehr. „Und warum gibst du dann so an, wenn er in deiner Nähe ist? Zeigst deine tollsten Fußballtricks, reißt irgendwelche Witze und kommst auf deinem total tollen Mofa an? Und jetzt willst du, dass ich mich nicht mit ihm treffe, damit er den Trennungsschmerz überwinden kann? Ist das dein Ernst? Warum tust du überhaupt so, als ob du mir bei ihm helfen willst? Weißt du was, damals, beim ersten Mal, als ich euch beide gesehen hab, hab ich dich erwischt! Und weil du das nicht zugeben wolltest, hast du dir diese Lüge von wegen, du willst mir helfen, ihn dir zu klären aus den Fingern gesaugt!"
Ich wusste nicht, wie laut ich geworden war, hoffentlich nicht zu sehr.
Natalie war ganz blass geworden und hatte aufgehört, zu kauen. Sie hatte die Standpauke mehr oder weniger passiv über sich ergehen lassen.
„Lucy", sagte sie irgendwann langsam. „Das glaubst du ja wohl nicht wirklich, oder?"
Entweder war sie darüber so schockiert, oder, ich war ihr auf die Schliche gekommen. 50/50.
„Mir war nicht bewusst, dass das bei dir so ankam, als ob ich ihn beeindrucken will. Das ist nur Quatsch! Ich kenne ihn halt von früher, als Kinder haben wir zusammen rumgealbert, uns Fußballtricks gezeigt und als wir uns getroffen haben, hab ich mich wieder wie in den alten Zeiten gefühlt! Glaubst du echt, ich könnte so hinterhältig sein? Und ich weiß, dass John sensibel ist, deshalb wollte ich ihm Zeit geben..."
Sie stockte. Traurig sah sie mich an.
„Lucy, ich weiß ja, dass du manchmal... ach, egal, ich finds echt traurig, dass du mir sowas zutraust. Ich dachte, wir wären Freundinnen!"
Oh nein, jetzt zog sie die Karte. Ich verdrehte innerlich die Augen.
Doch dann beugte sie sich verschwörerisch zu.
„Okay, auch, wenn du das anders siehst, für mich bist du immer noch 'ne Freundin. Und ich will, dass du mir glaubst, ich will dir bei John helfen! Deshalb... ach, egal, ich hab's noch keinem erzählt, weil das irgendwie... naja, egal, ich sag's dir jetzt. In Wahrheit stehe ich nämlich auf..."
Ich hielt gebannt den Atem an.

Hey Leutz
Ein Cliffhanger der Extraklasse 🙌🏼😂
Haut mal Tipps und Vermutungen in die Kommis ✌🏼
Und eure Meinung über Natalie haha 🙈 glaubt ihr ihr? Und findet ihr Lucy paranoid oder hatte sie einen Grund 🙈
Morgen gehts weiter seid gespannt haha 😏😏😏
Bis morgen 😏🧡
Eure Mila 🦄💓

Smells like Teen SpiritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt