Problemkind

8 0 0
                                    

Aus sicherer Entfernung beobachtete ich den Schaden, den ich angerichtet hatte, nochmal. Eigelb triefte die Hauswand herunter. Es sah nicht besonders schön aus, aber, zwei Eier, die waren wirklich nicht so schlimm. Von Vandalismus war das noch meterweit entfernt. Da musste ich direkt noch ein Weiters hinterherpfeffern.
Blöd nur, dass ich wirklich nicht mehr die Sportlichste war. Oder vielleicht traute ich mich insgeheim einfach nur nicht richtig. Das nächste Ei schaffte es nämlich gar nicht bis an die Wand, es prallte vor der Tür einfach aus dem Boden auf. Verdammt noch mal! Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Ich war ja einfach sowas von feige.
Wenn ich es Stormi heimzahlen wollte, dann auch richtig und nicht ein paar Eierschalen auf dem Bürgersteig hinterlassen, die auch einer tollpatschigen Hausfrau aus der Einkaufstasche gefallen sein könnten!
Nein. Ich riss mich zusammen und schluckte alle Bedenken herunter. Mit einem Eierkarton im Arm pirschte ich mich nochmal ein paar Schritte näher an das Gebäude heran. Und dann feuerte ich eine wahre Salve ab! Drei, vier, fünf, eins nach dem anderen. Ich sah gar nicht mehr auf, ich wollte erst gucken, wenn zumindest die obere Reihe leer war.
Plötzlich gab es einen lauten, dumpfen Aufprall, sodass ich erschrak. Ich hatte eine Fensterscheibe getroffen.
Sekunden später sah ich verschwommen ein Gesicht dahinter auftauchen. Ich konnte nicht erkennen, wer es war und das nicht nur, weil die Scheibe total versifft war. Ich konnte nur einen Umriss sehen. Bevor ich richtig geschaltet hatte, stand ich erstmal wie erstarrt still.

Dann nahm ich Reißaus. Ich drehte mich nicht mehr um, mit dem Eierkarton unter dem Arm gab ich Fersengeld, egal wohin, Hauptsache weg. Als ich das Gefühl hatte, in Sicherheit zu sein, blieb ich stehen. Mitten auf dem Bürgersteig beugte mich mich vor und stützte die Arme auf die Knie. Mein Atem ging stoßweise. Obwohl das nicht das erste Mal war, dass ich die Flucht ergriffen hatte, so ganz hatte ich mich an die Rennerei immer noch nicht gewöhnt. Wie hatte ich das beim Fußball nur mehrmals die Woche ausgehalten? Mit dem Geknarze der Zwiebel im Rücken?
Ich schämte mich in Grund und Boden. Wer war da am Fenster gewesen? Es hätte jeder sein können. Kylie, Stormi... und Miles wohnte ja jetzt auch da! Fast hoffte ich, dass er der ominöse Schatten war. Er kannte mich am wenigsten, er hatte mich erst einmal gesehen. Vielleicht hatte er mich gar nicht erkannt.
Vielleicht wurde ich generell nicht erkannt, weil ich so schnell wieder weg war. Vielleicht hatte die Gestalt am Fenster sich genauso erschrocken wie ich und auch erstmal eine Zeit gebraucht, um richtig zu schalten.
Obwohl, bei meinem Glück wahrscheinlich nicht. Bei meinem Glück würde ich wahrscheinlich nicht nur in flagranti erwischt, sondern auch noch aufgenommen. Überwachungskamera, Handyfoto, ganz egal.
Was hatte ich mir nur mal wieder dabei gedacht? War ich denn völlig durchgeknallt? Ich schämte mich total. Was für eine kindische und überflüssige Aktion!
Dass ich zu Hause auch noch Ärger hatte, fiel mir erst auf, als ich vor der Tür stand.

Ich hatte meine Mom einfach weggedrückt. Das mochte sie nie gerne, aber, jetzt, wo sie sowieso schon stocksauer auf mich war, hatte ich nur noch mehr Öl ins Feuer gegossen. Ich hoffte nur, dass sie vom Eierwerfen noch nichts erfahren hatte. Ich betete, dass mich niemand erkannt hatte. Hoffentlich!
Unsicher verharrte mein Finger in der Luft. Sollte ich klingeln? Wie sehr würde sie ausrasten? Warum hatte ich keinen Schlüssel? Ach ja, wegen Zayn.
„Lucy, ein Schlüsselkind? Nein, auf keinen Fall. Es ist doch sowieso meistens jemand zu Hause", hatte er immer dagegen argumentiert. Und als danach zeitweise Oma Yolanda eingezogen war, war das natürlich erst recht undenkbar.
Ich klingelte trotzdem. Bella machte auf.
„Gigi ist wirklich sauer!", eröffnete sie mir. In ihrem leiernden Tonfall meinte ich, ein bisschen Schadenfreude herauszuhören. Oder bildete ich mir das nur ein? „Sie muss mal ein ernstes Wörtchen mit dir reden!"
Jetzt war ich mir ganz sicher, dass sie schmunzelte. Dabei hatte meine Mom mich heute im Auto schon dermaßen zusammengestaucht, dass es für die nächsten drei Jahre reichte. Von einer frechen Antwort sah ich ab, dazu war ich gerade wirklich nicht in der Position. Mit hängenden Schultern trat ich ein.
„Ja. Das hab ich mir schon so gedacht."
„Warum machst du denn auch immer so viel Blödsinn?", fragte Bella. Für einen Moment wollte ich wütend werden; was hatte sie denn hier zu sagen? Gar nichts, also, warum war sie so frech und spielte sich als Ersatzmutter auf, obwohl sie noch nicht mal dazu in der Lage war, für sich selbst zu sorgen?

Aber dann besann ich mich eines Besseren. Sie hatte ja Recht. Warum machte ich es nur allen so schwer? Ich hatte meine Freunde verggrault, in der Schule Probleme und mit meiner Familie nur noch Stress. Dabei machte ich das wirklich nicht mit Absicht, wirklich! Es war immer eine Verkettung unglücklicher Zufälle. Aber leider hörte sich das nicht wie eine befriedigende Erklärung, sondern nur wie ein Versuch an, sich rauszureden.
„Lucy! Du kommst also auch mal wieder?"
Meine Mom klang kaum noch wütend. Eher entkräftet und mit den Nerven am Ende. Ich sagte nichts, ich nickte nur. Alle Erklärungsversuche würden es nur noch schlimmer machen.
„So langsam weiß ich echt nicht, was ich mit dir noch machen soll!", platzte sie heraus. Ich schluckte. Wie klang das denn? Als ob sie mich ins Heim stecken oder ins Internat geben wollte! Bitte nicht!
Stumm schüttelte ich den Kopf. Bella beobachtete das Schauspiel aus sicherer Entfernung. Was wollte die eigentlich? Ich wurde aus ihr einfach nicht schlau. Ergötzte sie sich daran, wenn meine Mom sauer auf mich war, oder ging ihr die schlechte Stimmung nahe? Im Auto hatte sie deswegen ja noch geheult.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich den Eierkarton noch immer im Arm hielt. Bisher hatte dazu noch niemand was gesagt. Ich versteckte ihn hinter meinem Rücken, doch dadurch lenkte ich die allgemeine Aufmerksamkeit erst auf mein seltsames Mitbringsel. Wie dämlich konnte man sein?!
„Was hast du da?", fragte Bella. „Eier", sagte ich tonlos. Was sollte ich noch lügen?
„Ich wollte euch überraschen und was für euch kochen. Pfannkuchen, die esst ihr doch so gerne!"
So viel dazu. Diese Lüge hatte ich mir ganz von selbst zusammengesponnen, ohne lange darüber nachzudenken.
Ich manövrierte mich auch immer tiefer in die Soße!

Hey Leutz!
Das hat Lucy doch ganz treffend beschrieben oder ;D sich immer tiefer reinmanövrieren :D aber irgendwie habe ich langsam genug von der abwärtsspirale... habt ihr ne Idee wie ich wieder frischen Wind reinbringen könnte? Hautz mal in die Kommis!
Einen schönen Abend noch! :)
Eure Mila

Smells like Teen SpiritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt