Familienbande

4 0 0
                                    

Ich hatte Mühe, ihm hinterherzukommen. Er verschwand in der Tür, die ich eben aus Versehen geöffnet hatte. Ich blieb etwas betreten davor stehen, da kam er auch schon wieder raus. Penelope thronte auf seinem Rücken. Oder, hing eher, wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Reign schien dabei gar nichts zu finden.
„Okay. Dann los!", sagte er nur. Ich ahnte schon, dass beim Essen alles andere als entspannte Stimmung herrschen würde. Wegen Penelope. Ich konnte nichts dafür, aber, ich bekam bei sowas immer Beklemmungen. Sogar noch Schlimmere als bei Bella. Vielleicht sollte ich mal ein Praktikum im Krankenhaus machen, um dem gegen zu steuern.
Unten war der Tisch bereits gedeckt. Kourtney balancierte eine riesige Auflaufform und dampfende Schüsseln. Bestimmt hatte sie mal gekellnert, das sah sehr professionell aus. Besser, als bei Allison damals. „Hallo! Setzt euch!" Sie wirkte richtig vergnügt.
Ich glitt in die Küchenbank und sah zu, wie Reign Penelope auf einem Stuhl absetzte. Kourtney stellte ihr eine riesige Tasse vor die Nase.
„Was gibt's heut?", fragte Reign, während er schon gierig in die Auflaufform linste.
„Ist ein Rezept von Allison. Ein Gemüseauflauf. Aber, keine Sorge, dazu gibt es Schnitzel."
Sie hatte wohl schon seinen nicht gerade begeisterten Gesichtsausdruck gesehen. Und meinen. Ein Rezept von Allison, das hörte sich schon nicht gerade sehr vielversprechend an.
Die ganze Zeit musste ich zu Penelope rüberschielen. Sie schien gar nichts von dem mitzubekommen, was rund um sie geschah. Die Haare, dünn und licht, hingen ihr ins Gesicht. Ihr Handgelenk war so dünn, dass ich damit rechnete, dass es einfach abbrechen würde, wenn sie versuchen würde, die Tasse hochzuheben.

Ihre Haut war gelblich. Da hob sie den Kopf. Sofort guckte ich weg, reflexartig. Ich fühlte mich ertappt. Hoffentlich hatte das niemand bemerkt. Ich nahm mir vor, ab jetzt nicht mehr in ihre Richtung zu gucken. Zumindest nicht so auffällig.
Kourtney ließ sich meinen Teller reichen, dann häufte sie mir eine Riesenportion des Auflaufs drauf. Wo da der „Auflauf" war, verstand ich nicht so ganz, es war eigentlich nur Gemüse, im Ofen ein bisschen gebräunt. In dem Rezept konnte nicht viel dringestanden haben. Wenigstens bekam ich noch ein Schnitzel, sogar mit Panade. Bestimmt trotzdem glutenfrei.
Gerade, als ich mir ein Stück absäbeln wollte, hielt Reign mich am Arm zurück. „Wir beten noch!"
Oh, peinlich. Jetzt stand ich als Gierschlund da! Kourtney murmelte irgendetwas, dann sprachen es alle nach. Entweder hatte ich was an den Ohren, oder, ich verstand kein Wort.
„Das war armenisch!", erklärte Reign mit vollem Mund. „Aha."
Ich kam mir vor wie eine Wilde, die zum ersten Mal in der Zivilisation war. Von nichts hatte ich hier eine Ahnung. Es war nur gut, dass Kourtney mich schon vorher gekannt hatte. Sonst hätte sie bestimmt den Kopf darüber geschüttelt, womit ihr Sohn da bitte angekommen war.
„Jetzt dürft ihr endlich essen."
Kourtney lächelte und reichte Penelope einen Löffel, den die in die Tasse tauchte.
„Ja", sagte ich. Super Gespräch! Ich war immer noch verlegen. Oh Mann! Kaum, dass wir „zusammen" waren, hatte ich das Gefühl, hier alle beeindrucken zu müssen, oder was?

Zum Glück hatte Reign die Unterhaltung an sich gerissen, bevor ich noch irgendetwas Falsches sagen oder machen konnte.
„Ist echt lecker. Das Fleisch. Wisst ihr, was Mason mir erzählt hat? Der meinte, die Leute, in der Wohnung unter denen, die braten sich den ganzen Tag irgendwas und das muss stinken, wie die Pest! Irgendwas komisches, da war sogar mal Qualm im Treppenhaus! Und das beim Kochen! Das muss man sich mal vorstellen! Und, wenn der das schon sagt!"
„Mhm", sagte Kourtney nur. Doch ihn schien das gar nicht zu stören. „Klingelt der so bei denen, fragt, was los, sagen die so ja, das liegt am Ofen. Sagt der so, ja, ich kann mir den mal angucken. Nee, wollten sie nicht. Meinten nur, ja, sorry, sowas kommt nicht mehr vor. Da wusste der schon, wie der Hase läuft! Ich hab die ja auch mal gesehen, die sind wirklich übelst komisch!"
Er kicherte. Irgendwie süß. Wie ein Kleinkind, das beim Essen den ganzen Tisch unterhalten wollte. Ich fühlte mich immer noch unwohl. Ich hatte mich die ganze Zeit dabei ertappt, zu Penelope rüber zu schielen, wie sie immer wieder den Löffel zum Mund führte und dabei halb in der Schüssel hing. Ich wusste nicht, warum. Ich konnte nicht weggucken.
„Wie war's heute in der Schule?", fragte ich plötzlich. Ich wollte auch mal was sagen. Und so gleich mal herausfinden, was er eigentlich den ganzen Tag so trieb. „Wie?" Er zuckte die Achseln. „Ich geh nicht mehr zur Schule."

Kourtney seufzte. „Ja, leider. Ich kann's ja auch irgendwie verstehen, aber..."
Ich schaute zu ihm. Aus den Antworten entnahm ich, dass er die Schule nicht zu Ende gemacht hatte. Fand ich das schlimm? Oder wollte ich einen Rebellen? Ich hörte, dass es ihm unangenehm war, aber, ich musste weiter nachhaken. „Warum, wenn ich fragen darf?"
„Weiß nicht", er zuckte die Achseln. „Bin halt irgendwann einfach nicht mehr hingegangen. Das war nichts für mich, irgendwie."
„Und, was war mit dem Tag der offenen Tür? Da hab ich dich doch gesehen, wie du Schlagzeug gespielt hast! In einem Schülerorchester?", fragte ich weiter.
„Achso, ja. Denen ist an dem Tag der Schlagzeugspieler aufgefallen, da kam meine Schwester auf die Idee, dass ich doch einspringen sollte. Ich hab komplett improvisiert, hatte ja die Noten nicht!" Er klang mehr als stolz. „In diesem Orchester läuft eh alles drunter und drüber."
Kourtney sah nicht gerade begeistert aus. Mit angestrengter Miene zerteilte sie ihr Schnitzel.
Was war denn hier los? Was war das denn für eine Stimmung am Mittagstisch? Reign hing also den ganzen Tag nur rum und blieb der Schule fern. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Ich hätte die Schule ja am liebsten selbst schon oft geschmissen.
Aber, was kam dann? So ganz ohne Zukunftspläne? Ach nein, er wollte ja Musiker werden. Aber, so richtig hingehauen hatte das ja noch nicht.
„Und, was machst du jetzt so? Statt Schule, meine ich?" Ich wusste, mit diesen Fragen machte ich mich bei ihm nicht gerade beliebter, aber, ich konnte es nicht lassen. Ich war zu neugierig.
„Ja, nichts!" Er klang genervt. „Mal gucken. Vielleicht kann ich bei Mason irgendwas anfangen, er wollte da mal fragen."
Kourtney warf mir einen mitleidigen Blick zu. „Er meint es nicht so. Er wird auch sauer, wenn ich ihn drauf anspreche."
Nach einer Weile legte ich meinen Arm auf seinen, als eine versöhnliche Geste. Er ließ es zu und grinste mich schief an. Wenigstens war er nicht nachtragend.

Hey Leutz
Lückenfüllerkapi 🙈 habt ihr eine Idee was noch passieren könnte? Wenn ja, hautz in die Kommis. Mir fällt im Moment nichts ein. Will zum Ende kommen aber weiß nicht wie 🤔 hautz in die Kommis wenn ihr Tipps habt 😏⬇️
Eure Mila 🦄💓

Smells like Teen SpiritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt