Vergeben und vergessen?

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Ich merkte zwischendurch selbst, dass ich mich irre beziehungsweise paranoid anhörte. Immerhin waren Omas nicht gerade dafür bekannt, alle zu manipulieren und alles an sich reißen zu wollen.
Doch wenn er das bescheuert fand, ließ er es sich nicht anmerken. Vielleicht lag das auch daran, dass er zu sehr mit Quarzen beschäftigt war.
Ich ließ nichts aus, aber besonders detailliert schilderte ich ihm die Szene, die er selbst mitgekriegt hatte, dass sie ihn angelogen hatte, um zu verhindern, dass wir uns trafen.
„Wow", sagte er. „Das ist so abgedreht, das kannst du dir gar nicht ausgedacht haben!"
„Danke", sagte ich, fast beleidigt. Für meinen Geschmack stempelte er mich in seinem Kommentar etwas zu sehr als Spinnerin ab.
„Leider sehen die meisten das anders und fallen auf sie herein. Und vielleicht kannst du jetzt auch verstehen, warum sich mein Mitleid ehrlich gesagt in Grenzen hält."
Er nickte nachdenklich.
„Am Anfang fand ich dich voll hart, ich meine, das ist deine Oma, aber, daran, dass die euch alle isolieren will undso könnte echt was dran sein. Jetzt nichts gegen deine Mom, aber, die wirkt schon ein bisschen merkwürdig. Wie sie immer mit geistesabwesendem Blick vor sich hinstarrt..."
Ich war empört. Wenn jemand meine Mom beleidigte, ging mir das voll gegen den Strich. Er tat so, als wäre meine Mom Bella!
„Ja, die sind halt voll in ihren Bann!", wiederholte ich mich.
Eine Weile standen wir nur so da, dann ließ er die Kippe fallen und trampelte etwas darauf herum.
„Und, was machen wir jetzt?", fragte Reign.
Ich zuckte die Achseln.
„Reingehen, schätze ich. Das kann ich meiner Mom nicht antun, jetzt nicht zu kommen. Sonst denkt sie..."
Ich brach ab. Was ich da sagte, machte keinen Sinn. Meine Mom wollte, dass ich mich mit meiner Oma gut verstand und es würde ihr überhaupt nicht schmecken, zu wissen, dass ich nicht gerade in Sorge um Letztere war.
Ich machte mir eher Sorgen darum, was sie zu Hause noch alles veranstalten könnte.
Und außerdem war mir inzwischen ein leiser, aber brisanter Verdacht gekommen.
Was, wenn alles nur gespielt war? Bisher hatte ich mir jeglichen Gedanken an sowas verboten, weil es mir doch zu sehr in Richtung Verschwörungstheorie ging, aber nachdem ich Reign nochmal alle ihre Missetaten aufgezählt hatte, war ich felsenfest davon überzeugt, dass dieser Frau alles zuzutrauen war.
Trotzdem schlurften wir wieder nach drinnen, wo Bella immer noch saß.
„Hi", flüsterte sie, als sie und sah.
„Gigi ist schon los. Ich sollte hier auf euch warten und euch Bescheid sagen. Jetzt hab' ich blöderweise die Zimmernummer vergessen!"
Sie kratzte sich am Kopf.
„Ich kann sie anrufen!", bot Reign sich an. Er dachte eine Spur praktischer, ich wollte mich schon über Bellas Vergesslichkeit aufregen.
Dabei konnte sie ja nichts dafür.
„Lass mich das machen!", sagte ich. „Du hast die Nummer ja gar nicht!"
Ich schrieb meiner Mom, die mir zum Glück zügig antwortete und verriet, dass sie sich in Zimmer 101 aufhielten und wir Bella bitte mitbringen sollten.
Den Sinn hinter dieser Aufteilung verstand ich auch nicht, aber, mir war schnell klar, dass Bella nicht gerade scharf darauf war, hineinzugehen.
Sie wirkte mehr als gehetzt und gestresst, je mehr wir uns dem Flur näherten.
„Was ist los?", fragte ich sie, ihr Verhalten schrie förmlich nach dieser Frage.
„Ach,", murmelte sie, „ nichts. Ich fühle mich nur hier im Krankenhaus nicht so richtig wohl, es ist mir nicht ganz geheuer!"
Tja, da musste sie jetzt wohl durch, so hart es klingen mochte. Zum Glück blieb eine Antwort mir erspart, denn in diesem Moment kamen wir an.
Ich pochte dreimal gegen die Tür, hörte ein „Herein!".
Ich öffnete die Tür einen Spalt, da hörte ich Schritte und ein lautes „Hey!", von Reign.
Ich wirbelte auf dem Absatz herum. Bella war abgehauen! Unbeholfen rannte sie den Flur entlang.
Was sollte das denn? Und vor allem, was sollte ich jetzt machen?
„Ich fang sie ein!", sagte Reign wie aus der Pistole geschossen und jagte ihr nach.
Sein Laufstil war nicht gerade unsportlich. Hatte auch was.
Oh Mann, ich musste mich jetzt mal aufs Wesentliche konzentrieren!
Und das war erstmal das eintreten.
Oma lag in einem Krankenbett, Anwar und Mom saßen auf Stühlen daneben, meine Mom hielt Omas Hand.
Diese Szene hatte schon etwas und ich bekam mal wieder ein schlechtes Gewissen für meine Gefühlskälte. Auch, wenn ich zu meiner Oma eine klare Meinung hatte, ihre Kinder liebten und schätzen sie und waren besorgt um sie.
Zögernd kam ich näher.
„H... hi", brachte ich hervor.
„Lucy!", krächzte meine Oma erschöpft.
Ich schluckte. Ich trat näher an ihr Bett. Alle Bedenken waren vergessen, alle Gedanken, die ich mir vorher gemacht hatte.
Ich war verunsichert.
„Und...?", stammelte ich die Frage, die ich mir die ganze Zeit gestellt hatte. „Wisst ihr schon was?"
Anwar seufzte.
„Nur der Blutdruck, wahrscheinlich", sagte meine Oma. Sie wirkte jetzt so zerbrechlich, dass ich gar nicht anders konnte, als Mitleid mit ihr zu haben.
„Nicht so schlimm. Damit habe ich ja schon länger Probleme, ihr wisst, warum."
Ach ja. Die Lyme-Borreliose.
Trotzdem... mein Gewissen war noch nicht bereinigt.
„Tut... tut mir leid", stammelte ich. „Dass ich dich so angebrüllt habe. Das war unfair."
Ich schämte mich für alles Schlechte, was ich über die gedacht hatte. Sie war meine Oma! Das waren ihre Kinder! Denen wollte sie doch nichts Schlechtes! Sie hatte eine kontrollierende Natur, aber, wer war frei von Fehlern?
In die schlechten Eigenschaften von jedem Menschen konnte man bestimmt so viel reininterpretieren, bis er als komplettes Monster dastand.
„Das macht nichts, Lucy", sagte sie matt. „Es tut mir leid, dass ich ihn weggeschickt habe. Das tut mir leid, ich hatte nur Angst um dich, weil ich es immer noch nicht realisiert habe, dass du inzwischen eine junge Erwachsene und kein kleines Kind bist."
Ich trat zögerlich noch einen Schritt näher und legte meine Hand auf ihre.
Meine Mom schniefte, wahrscheinlich vor Rührung. Es war ein ruhiger, friedlicher Moment.
Alle Streitigkeiten waren vergessen, dass Bella sich aus dem Staub gemacht hatte, war vergessen.
„Bleibt so!", rief Anwar. „Das ist ein Bild für die Ewigkeit!"
Er hatte vielleicht übertrieben, es schmalzig und schnulzig ausgedrückt. Aber in diesem Moment veränderte sich etwas.

Hey Leutz
Die Yolandafrage 😂 sag wie hältst du's mit... keine Ahnung wies weitergeht 😂 mit der Kontrolle 😂✌🏼 was sagt ihr, alles gut oder kommt noch was? 🤔 hautz in die Kommis 🧡🙈
Eure Mila 🦄💓

Smells like Teen SpiritWo Geschichten leben. Entdecke jetzt