Bitte halt mich nur fest.

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„Nochmals danke,Stephan.", hörte ich Paul seinem Freund noch hinterher rufen,bevor er die Haustür schloss und zu mir auf das Sofa kam. Geradehatte ich die letzten Tabletten eingenommen und wurde, dank desstarken Antibiotika, wieder müde. „Also haben du und Stephan euchgegen mich verschworen?", lachte Paul und ließ sich auf das Sofafallen. Ich versuchte krampfhaft wach zu bleiben, merkte aber wie ichmehr und mehr die Kontrolle verlor. Mein Kopf wurde immer schwererund sackte immer wieder zur Seite. „Willst du ins Bett?", fragtePaul und legte mir seine Hand stützend an die Wange. „Nein, ichwill Zeit mit dir verbringen. Ich hab dich vermisst.", brummte ich.„Ach kleine.", seufzte Paul und strich mir mit dem Daumen überdie Wange. Und damit war der Punkt überschritten, mir fielen dieAugen zu ich sackte nach vorne, und landete so direkt auf PaulsBrust.

„Hey Oli, lieb dass du anrufst. Ihr geht es besser,ihre Temperatur ist bei 37,5 Grad. Die Tabletten hat sie alleeingenommen und ich hab all deine Anweisungen befolgt.", hörte ichPaul sagen als ich aufwachte. „Ja mach ich.", Pauls Schrittekamen näher, als ich mich aufsetzte.
„Wie geht's dir?",fragte er und drückte mir einen raschen Kuss auf die Lippen.„Besser.", antwortete ich und wunderte mich dass meine Stimmeschon fast wieder da war. Sonst war ich immer wochenlang heiser,„Darf ich heute endlich in den Garten?". Paul sah mich ungläubigan: „Das ist nicht dein Ernst oder?". Ich nickte. „Daria. Vorzwei Tagen hattest du hohes Fieber. Da lass ich dich bestimmt nichtden Hinterhof entlauben. Das bringt dich sicher ins Grab. Ist es daswas du willst?", den letzten Satz hatte Paul als Scherz gemeint,seine Augen weiteten sich, als ich seine Frage eine Spur zu langsamverneinte. „Daria?", er zog mich näher an sich heran. „Ichliebe dich. Das weißt du, oder?". Ich sah nach unten auf meine,ineinander verschränkten Finger und suchte verzweifelt in meinemKopf nach einer Ausrede, einem Witz oder einer Ablenkung um aus derSituation raus zu kommen. Ich konnte Paul nicht die Wahrheit sagen,sie würde ihn zerstören.

„Daria?", hörte ichPaul flüstern und hörte die Angst in seiner Stimme.
Er legteseine Finger unter mein Kinn und hob es hoch. „Schau mich an.",bat er. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und sah ihmin die Augen.

„Ich bin einfach müde.",fing ich an das Gefühlschaos in mir zu erklären und hoffte dassPaul einfach nur stumm zuhörte. „Egal wie oft ich denke, dassalles gut wird, schmeißt mir das Universum Steine zwischen dieBeine. Erst die Sache mit meinen Eltern. Dann Leon. Dann Ela, derAutounfall und jetzt meine Wohnung.", ich atmete tief durch undversuchte die richtigen Worte zu finden. „Ich bin müde vomständigen kämpfen. Vom ständigen ausgehen dass die nächsteKatastrophe um die Ecke auf mich wartet. Vom ständigen 'Du bist sostark.', 'Du bist so tapfer.' 'Du bist so mutig.' hören. Ich willnicht mehr stark sein. Ich kann einfach nicht mehr.", ich merktewie mir die Tränen in die Augen stiegen und auch Pauls Augen wurdenglasig. „Kleine...", fing er an, ich legte ihm aber schnellmeinen Zeigefinger auf die Lippen. „Bitte Paul, sag nichts. Ichweiß selber dass ich kaputt bin. Bitte halt mich nur fest.". Kaumhatte ich die Bitte ausgesprochen, zog mich Paul in eine Umarmung unddrückte mich so fest, als wolle er verhindern dass ich komplettzerbrach.
„Wir haben eine Psychologin auf der Wache. Vielleichtkannst du mal mit ihr reden.", Paul strich mir mit seinem Daumendie Tränenspuren aus dem Gesicht. „Aber ich bin keinePolizistin.", warf ich ein und lehnte mich an ihn. „Egal. Ich binmir sicher, bei dir macht Klaus eine Ausnahme.".

Bei dieser Aussage schnellteich hoch. „Bitte sag den anderen nix. Ich will sie nichtenttäuschen.". „Dari...", Paul zog mich wieder in seine Armeund meinen Kopf auf seine Brust. „Sie werden nicht von direnttäuscht sein. Keiner von ihnen. Seine Schwächen zuzugeben zeugtnämlich von einer Menge Stärke.". Ich nickte verhalten undschloss die Augen. „Bist du sicher?", nuschelte ich in PaulsBrust. „Zu hundert Prozent.", brummte er.

„Fuck!",fluchte Paul als wir abends im Bett lagen. „Was ist?", brummteich im Halbschlaf. „Wir haben deinen Geburtstag noch nichtgefeiert.", kam es von Paul. „Das müssen wir auch nicht.", ichhatte noch einen funken Hoffnung in mir, dass Paul die Sache auf sichberuhen lassen würde. Dieser Funke erlosch, als Paul seineNachttisch Lampe einschaltete und sich aufsetzte. „Wir feiern ihngroß. Keine Wiederrede. Du hast es mehr als verdient.", er nahmsein Handy in die Hand und tippte darauf herum. Ich wollte geradewidersprechen als Paul sein Handy ans Ohr und seinen Zeigefinger inmeine Richtung hob.
„Hey Kumpel.". Es herrschte kurz Stille.„Nein kein Code rot. Eher Code verpasster Geburtstag.". Pauls sahkurz zu mir rüber und ich schüttelte den Kopf und sah ihneindringlich an. „Klingt gut.", sagte Paul mit einem schelmischenLächeln auf den Lippen und legte auf. „Was habt ihr vor?",wollte ich wissen und verschränkte meine Arme vor der Brust. „Daswüsstest du wohl gerne.", ließ Paul mich im Ungewissen und wolltemich küssen, ich wich aber vor ihm zurück. „Dari bitte.",versuchte Paul es erneut, ich wich aber wieder zurück. „Ich glaubeich schlafe heute auf dem Sofa.", entschied ich, schwang meineBeine über den Bettkante und wollte aufstehen. Aber zwei starke Armeschlangen sich um meine Hüfte und zogen mich zurück. „Nur übermeine Leiche.", knurrte Paul und drückte meinen Rücken gegenseine Brust. „Das lässt sich machen.", zischte ich und versuchtePauls Arme von mir zu lösen.
„Komm schon Daria.", er küsstemeine Schulterblätter. „Lass mich dich überraschen.", seineKüsse wanderten zu meinem Hals. „Vertrau mir, es wird dirgefallen.", hauchte er, bevor vorsichtig an meinem Ohrläppchenknabberte. „Du hast Glück dass ich dich liebe, Richter. Ich hoffedas ist dir bewusst.", seufzte ich und ließ nach hinten an seineBrust sinken. „Und ich danke Gott jeden einzelnen Tag dafür.",hauchte er, als er meinen Kopf in seine Richtung drehte und michinnig küsste.

Am nächsten Tag wurde ich erst wach, als meinMagen knurrte. Als ich meine Augen öffnete sah ich dass Paul schonaufgestanden war, seien Bettseite war leer und es lag ein Zettel aufseinem Kopfkissen. 'Ich bin schon arbeiten. Wollte dich nicht weckendu sahst so friedlich aus. Sei bereit für heute Abend. XO Paul.'.Ich schüttelte den Kopf. Nie hätte ich es für möglich gehaltendass es jemanden gab der einen dickeren Dickschädel hatte als ich –aber Paul kam schon nahe dran.
Der Tag verging wie im Flug. Ichduschte, rasierte mich und schminkte mich. Als ich gerade einpassendes Outfit wählen wollte fiel mir wieder ein dass ich das garnicht konnte. Meine Kleidung, bis auf die paar Sachen die ich beiPaul hatte, war ein Haufen Asche auf meinem Balkon. Gerade als ichüberlegte das Beerdigungskleid anzuziehen, klingelte es an derHaustür.

„Wir haben gehört du brauchst eine ShoppingBegleitung?", kam es von Jule als ich die Tür öffnete. „Woherwisst ihr dass ich einkaufen gehen muss?", fragte ich und bat Juleund Hannah ins Haus. „Von wem wohl?", fragte die blondePolizistin lachend und hielt eine Kreditkarte hoch. Als ich den Namendarauf las musste ich lachen. „Typisch Paul.".
„Er meintewir sollen dich zur Not in die Läden zerren.", erklärte Jule undreichte mir meine Jacke. „Und dass wir ja nicht zulassen sollen,dass du auf die Preise achtest.", ergänzte Hannah und hielt mirmeine Handtasche hin. „Widerstand zwecklos?", fragte ich. „Aberso was von!", kam es synchron von den beiden Frauen, die sich beimir unter harkten und mich aus dem Haus zogen.


Erst wenn man ganz unten ist, weiß man was wichtig ist. Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt