'Ich hasse dich!'

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„Frau Petrowa? Darf ichSie kurz sprechen?", hörte ich eine tiefe Stimme von Herr Wolfneben mir. „Natürlich.", willigte ich ein und ging mit Herr Wolfein paar Meter weiter, in eine halbwegs ruhige Ecke. Aus denAugenwinkeln sah ich, dass Paul sich zwar mit Daniel, Hannah und Majaunterhielt, mich aber keine Sekunde aus den Augen ließ. Als sichHerr Wolf räusperte schenkte ich ihm meine ungeteilte Aufmerksamkeitund sah ihn fragend an. „Ich will Sie nicht lange aufhalten. Aberich möchte Sie um einen Gefallen bitte.", begann er. In meinemKopf ging ich verschiedene Szenarien durch in der derDienststellenleiter meines Freundes meine Hilfe gebrauchen könnte.„Gerne.", antwortete ich und berührte wie zufällig den kleinenStern an meinem Hals. „Ich werde bald in Rente gehen.", fuhr derPolizeihauptkommissar fort. „Und ich dachte ich könnte heute dieChance nutzen, da wir gerade alle hier sind, um meinen Nachfolgerbekanntzugeben. Aber natürlich nur wenn es für Sie auch okay ist.Es ist ja immerhin ihre Feier.". Einen Augenblick sah ich ihn anund nickte dann: „Nur unter einer Bedingung." Herr Wolf sah michabwartend an. Ich hielt ihm meine Hand hin: „Ab heute duzen wiruns. Ich bin Daria.". Ein kleines Lächeln schlich sich auf seineLippen. „Ich hab schon gedacht Sie wollen eine 'Sie kommen aus demGefängnis frei.' Karte.". Gerade als er meine Hand ergreifenwollte, konnte ich mir einen kleinen Scherz nicht verkneifen: „Achdie bekomme ich regelmäßig von Paul.". Völlig Ernst sah ich meingegenüber an, der mich völlig perplex anstarrte. Lange konnte ichdie ernste Miene nicht aufrecht erhalten, und fing an zu lachen. „Ichverstehe. Das war also eine Kostprobe des sagenumwobeneDaria-Humors.", fing Herr Wolf auch an zu lachen und ergriff nunkomplett meine Hand. „Ich bin Sven. Freut mich dich kennenzulernenDaria.".

Kurze Zeit später standen Paul und ich an einemder Stehtischen und sahen seinen Kollegen beim Tanzen zu. „Du wirstmir nicht verraten was der Wolf von dir wollte, oder?", fragte Paulmich gerade als ich einen Schluck meiner Cola nahm. Ich schütteltemeinen Kopf. „Und ich kann auch nichts tun um dich vom Gegenteil zuüberzeugen?", versuchte es Paul weiter und hauchte zarte Küsseauf meinen Hals. „ Du spielst dreckig...", brummte ich und musstemich zusammen reißen um ihm nicht um den Hals zu fallen. „Kommschon...", hauchte Paul in mein Ohr als er mich an meinerempfindlichsten Stelle hinter dem Ohr küsste. Ich war kurz davorklein beizugeben als ich Jule sah. Augenblicklich kam ich zurBesinnung und drehte mich zu Paul. Dieser sah mich siegessicher anund schmunzelte als ich mich zu ihm beugte. „Führen Sie all IhreVerhöre so, Herr Richter?", säuselte ich ihm ins Ohr und sahamüsiert zu wie sich sein Gesichtsausdruck von angeturnt zu ertapptwechselte. Kopfschüttelnd sah er mich an und wollte gerade etwassagen, als jemand auf der Bühne gegen das Mikrophon klopfte und sichso bemerkbar machte.

Auf der Bühne stand Sven und fuhr sichmit der Hand durch die Haare. Er ließ seinen Blick über die Meuteschweifen und nickte mir zu als sein Blick auf mich fiel. „DieUnterbrechung tut mir leid, aber sie wird nicht lange dauern. Wie ihralle wisst bin ich nicht mehr der jüngste, daher...", fing er anwurde aber von einem „Dafür siehst du aber immer noch gut aus!",aus der Menschenmenge unterbrochen. Sven entfuhr ein kleines Lachen.„Danke Martin. Aber weiter im Text. Mit Genehmigung des Ehrengastesheute habe ich eine kleine Sache zu verkünden.". Ich spürte Paulsverwunderten Blick auf mir während Sven Klaus auf die Bühne rief.
„Alles geht mal zu Ende und so auch meine Zeit alsDienststellenleiter unserer kleinen Wache. Mein letzter Tag wirdSilvester sein.", erklärte Sven und ein Raunen ging durch dieMenge. Ich spürte wie Paul sich anspannte und sah stolz hoch zuKlaus. „Und deswegen möchte ich euch heute euren neuenDienststellenleiter vorstellen.", er drehte sich zu Klaus und wiesmit seiner Hand auf ihn. Klaus sah ihn ungläubig an. „Sofern dunatürlich willst.", fügte der Noch-Dienststellenleiter hinzu undsah Klaus abwartend an.
Es dauerte einen Augenblick bis Klausbegriff was gerade los war, aber dann lächelte er breit undschüttelte die Hand seinen Chefs. Und mit einem Mal brach einBegeisterungssturm los. Es wurde geklatscht, gepfiffen, gestampft undeinige Kollegen brüllten etwas in Richtung Bühne.

„Duwusstest davon?", brüllte mir Paul, über den Lärm seinerKollegen hinweg, ins Ohr. „Nur dass er seinen Nachfolger benennenwollte. Mehr nicht.", brüllte ich zurück. Paul lächelte mich anund drückte mich an sich. Ich schloss die Augen und genoss dasGefühl dass seine starken Arme um meinen Körper in mir auslösten.Müde lehnte ich mich an ihn, denn mittlerweile war es 2 Uhr morgensund ich somit sechzehn Stunden auf den Beinen.
Gerade als ichPaul vorschlagen wollte, heim zu fahren, wurde erneut an dasMikrophon geklopft. Diesmal standen Hannah, Stephan, Jule und Danielauf der Bühne. „Nein.", keuchte ich und sah mich nach einerFluchtmöglichkeit um, da ich genau wusste was nun passieren würde.Den Ausgang im Blick wollte ich mich durch die Menge schieben, Paulaber hielt mich fest. „Lass mich los Paul. Bitte.", flehte ichmeinen Freund an. Er aber schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, aberich hab es den vieren, naja eigentlich der gesamten Wache,versprochen.". Ich zischte ihm ein 'Verräter' entgegen als Danielzu reden begann.
„Da wir wissen wie sehr du das Bad in derAufmerksamkeit aller genießt, halten wir das hier kurz.". Ertauschte seinen Platz mit Hannah: „Aber wir allen möchten uns dirfür deine Freundschaft danken und dich in unserer Polizei-Familiewillkommen heißen. Auch wenn wir Pauls Schwärmerei über dich nichtmehr hören können.". „Hey! So schlimm war ich gar nicht!",brüllte Paul seinen Kollegen entgegen, was alle zum lachen brachte.„Klar doch Paul.", lachte Jule die nun am Mikrofon stand. „Undweil wir alle der Meinung sind, dass wir dich dafür entschädigenmüssen, dass du es so lange mit unserem Chaoten aushältst haben wirwas für dich. Komm bitte hoch.". Ich schüttelte den Kopf undversuchte meine Füße mit dem Boden unter mir zu verschmelzen, aberPaul begann mich zur Bühne zu schieben. Kurz bevor wir ankamenzischte ich ihm sauer 'Ich hasse dich!' zu. Er schmunzelte undhauchte mir ein 'Ich liebe dich auch' entgegen.

Mitzitternden Schritten ging ich die zwei Stufen zur Bühne hoch undwurde von meinen Freunden in die Mitte genommen. Nun stand Stephan amMikrophon und hielt eine kleine Kiste in der Hand. „Wie ich sehehat Paul dir sein Geschenk schon gegeben.", lachte Stephan miteinem kurzen Blick an meinen Hals. Wie automatisch schloss sich meinelinke Hand wieder um den Stern. „Und wie Daniel es schon sagte, wirwissen dass du uns für diese Aktion am liebsten qualvoll tötenwillst, aber ein Geschenk muss sein.", fuhr mein bester Freund fortund hielt mir das Päckchen entgegen.
„Wie Recht du dochhast.", murmelte ich, stand aber so nah am Mikro dass es der ganzeSaal mitbekam. „Mit welchem Teil denn?", hörte ich Klausbrüllen. Ich zuckte mit den Schultern: „Such es dir aus.".
Eigentlich hatte ich gehofft mit der Kiste einfach die Bühneverlassen zu können, aber Pauls Kollegen fingen an „Öffnen!Öffnen! Öffnen!", zu brüllen. Erst war es ein Kollege, aber nachund nach stimmten alle mit ein. Also ergab ich mich meinem Schicksalund öffnete den Karton und holte ein kleines Modelauto hinaus. Julenahm mir die nun, so dachte ich, leere Kiste aus der Hand. Gerührtsah ich das Modelauto an. Es war ein Model des Autos, dass ichjahrelang fuhr bis ich den Autounfall hatte. Mit glasigen Augen sahich meine Freunde an. „Ich danke euch.", dann drehte ich mich zumMikro und bedankte mich bei allen Anwesenden. „Genau deswegen mögenwir dich alle so sehr Daria.", sagte Stephan. „Du glaubst dochnicht wirklich dass wir dir nur ein Modelauto schenken.". Ich sahihn verwirrt an. „Was meinst du? Ich find es klasse. Ich hab meineCora geliebt.". Im Publikum lachten einige Kollegen auf. „Daswissen wir. Und deswegen...", nun stand Jule neben mir und hieltmir erneut die Kiste hin. Verwirrt sah ich die Kiste und dann Julean, als Stephan mir das Modelauto aus der Hand nahm. „Los wühldrin.", befahl Daniel. Ich tat was er wollte und fuhr mit der Handdurch die Maischips bis ich auf etwas kleines hartes stieß. Als iches rauszog weiteten sich meine Augen. „Nein.", entfuhr es mir.
„Doch.", lachte Hannah. „Nein.", stammelte ich erneut undsah immer noch perplex auf den kleinen Gegenstand in meiner Hand.„Dornröschen. Es ist wie es ist. Es ist ein ..."

Erst wenn man ganz unten ist, weiß man was wichtig ist. Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt