„Du bist einmalig."

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In der Nacht kam ich nichtzur Ruhe. Ich wartete bis Paul eingeschlafen war und lief dann imHaus umher. Immer wenn ich meine Augen schloss sah ich meinenAngreifer vor mir. Zuerst ging ich in mein Büro und sortierteendlich meine Bücher ein die immer noch verstreut auf dem Fußbodenlagen. Danach wanderte ich weiter im Haus umher. Sortierte die Postim Wohnzimmer. Wusch das Geschirr das in der Spülmaschine war undstellte es trocken in die Schränke. Sogar einen Essensplan für dienächste Woche schrieb ich. Der Himmel wurde bereits wieder hell alsich hoch in Pauls Lesezimmer ging. Gezielt griff ich mir den drittenBand der Harry Potter Reihe und machte es mir auf dem Sofa bequem.
„Wieso wusste ich dass ich dich hier finde?", hörte ich einpaar Stunden später Pauls sanfte Stimme und lies das Buch sinken.„Hast du überhaupt geschlafen?", fragte er und sah mich prüfendan. Ich schüttelte nur stumm meinen Kopf. Paul setzte sich auf dasSofa und zog mich in seine Arme. „Albträume?", flüsterte er.„Ich hab es nicht mal versucht. Immer wenn ich meine Augenschließe...", begann ich zu erklären und spürte wie Paul sichverkrampfte. „Es tut mir leid.", sagten wir beide gleichzeitig.Irritiert hob ich den Kopf und sah das Paul mich auch irritiertansah. „Dir muss nichts leidtun.", sagten wir wieder beidegleichzeitig was uns zum lachen brachte. Ich vergrub meinen Kopfwieder an Pauls Brust und er begann mit meinen Haaren zu spielen.„Nicht... Das macht mich nur müde...", bat ich meinen Freund undwollte seine Hand aus meinen Haaren ziehen. „Das ist der Plan.",nuschelte Paul und nahm meine Hand in seine. „Paul bitte...",flehte ich und versuchte krampfhaft meine Augen aufzuhalten. „Esist okay. Ich bin da und beschütze dich.", versprach er und gabmir einen Kuss auf die Stirn. Ich schloss meine Augen und schlieflangsam ein.

„Ich wusste dass es dirgefallen hat.", hörte ich einen Mann hinter mir keuchen. Sofortspannte ich sämtliche Muskeln in meinem Körper an und Panik stiegin mir auf. „Bitte nicht.", keuchte ich, hörte dann aber PaulsStimme so leise als wäre sie kilometerweit weg: „Ich bin da. Dubist in Sicherheit.". „Diesmal bringe ich es zu Ende!",säuselte mein Angreifer und war mir jetzt so nahe, dass ich seinenAtem auf der Haut spürte. Mir stiegen Tränen in die Augen, als ichan mir runter sah und fremde Hände unter mein Shirt wandern.„NEIN!", schrie ich und versuchte mich aus seinem Griff zubefreien. Meine Fingernägel gruben sich in die Unterarmes des Mannesund ich schrie immer lauter und verzweifelter um Hilfe.
„Dari!" Ich versuchte mich weiter zu befreien, dachte ich hätte mir PaulsStimme nur eingebildet. „Daria. Ich bin da.". Seine Stimme klanglauter aber ich hatte noch immer Angst dass ich sie mir nureinbildete. „Ich beschütze dich.", Pauls Stimme schien nun inmeinem Kopf, zu sein, „Du bist in Sicherheit!". Langsamverschwanden die Hände auf meinem Körper und so auch der Atem inmeinem Nacken. Als ich mich zögernd umdrehte stand ich auf einerWiese und über mir funkelten die Sterne wie Diamanten. Meine Atmungnormalisierte sich zunehmend und als ich Paul in einigen MeternEntfernung auf der Wiese stehen sah schlich sich ein kleines Lächelnauf meine Lippen.
Wie in einem kitschigen Liebesfilm liefen wirwie in Zeitlupe aufeinander zu.

„Ich liebe dich.",hauchte ich ihm in sein Ohr als ich meine Arme um seinen Nackenschlang. „Und ich liebe dich.", erwiderte Paul und zog mich engeran sich.

Meine restlichen Träume waren harmlos und als ichnach ein paar Stunden meine Augen wieder öffnete, lag ich immer nochin Pauls Armen. „Gut geschlafen?", fragte mein Freund und gab mireinen Kuss auf die Stirn. „Dank dir.", bedankte ich mich undstrich Paul über die Brust. Dann fiel mein Blick auf seineUnterarme. Schockiert setzte ich mich auf. „Alles ok?",verwundert sah Paul mich an. „War ich das?", mit zitterndenHänden wies ich auf seine Unterarme die mit Kratzspuren übersähtwar. „Schon gut.", versuchte Paul mich zu beruhigen. Ichschüttelte aber meinen Kopf. „Nein Paul. Nichts ist gut. Ich habdich verletzt!". Paul hob seine Hand und wollte sie beruhigend aufmein Knie legen, ich aber sprang auf und brachte einige Meter Abstandzwischen uns. „Daria. Bitte.", Paul stand auch auf, blieb aberbeim Sofa stehen. „Ich hab dich verletzt. Den einzigen Menschen demich wichtig bin. Ich bin ein Monster. Was wenn ich dir irgendwann sowehtue dass du... dass du...", ich redete wie ein Wasserfall undmeine Atmung wurde immer schneller. „Verdammt.", knurrte Paul,überbrückte die Distanz zwischen uns in wenigen Schritten und zogmich in seine Arme. „Das war ein Albtraum. Du könntest mir nieabsichtlich weh tun. Das weiß ich. Ich würde dir mein Lebenanvertrauen.". In dem Moment brach ich in Tränen aus.

Esdauerte einige Minuten bis ich mich soweit beruhig hatte, dass ichmich von Paul lösen konnte. Noch bevor ich was sagen konnte, wandsich Paul an mich: „Du musst mir jetzt gut zuhören, ja? Das was dualles erlebt hast, reicht für zehn Leben. Das nicht alles spurlos andir vorbei geht, ist klar. Aber ich liebe dich, in guten wie inschweren Tagen. Verstanden?". Ich nickte und merkte wie mir wiederdie Tränen über die Wangen liefen. Sanft wischte Paul sie weg unddrückte mir einen Kuss auf die Nasenspitze. „Wir machen es unsheute gemütlich. Immerhin ist es Sonntag Mittag. Und morgen fahrenwir zum Arzt, okay?", schlug mein Freund vor und sah mich prüfendan.
„Okay...", murmelte ich, wohlwissend dass ich dem nichtentkommen konnte.

Gemeinsam lagen wir auf demSofa unter einer dicken Decke eingekuschelt und sahen uns weitereFolgen von Chicago Fire an. Hin und wieder döste ich für ein paarMinuten ein, hatte aber keinen weiteren Albtraum. Zum Abendessenbestellten wir uns Sushi. Da ich wusste das Paul kein Sushi mochte,verschwand ich kurz im Bad und bestellte ihm sein Lieblingsessen, einSteak mit Pommes, aus seinem Lieblingsrestaurant und bezahlte esdirekt.
Mir nichts anmerken lassen, kuschelte ich mich danachwieder zu Paul unter die Decke und genoss seine Wärme. Als es gute30 Minuten später an der Tür klingelte stand Paul, ganz derGentleman auf und ging zur Tür. Ich hörte ihn kurz mit demLieferjungen diskutieren und wie danach ein weitere Mann dazu kam.Mit einem schelmischen Grinsen ging ich zur Kücheninsel und beganndiese zu decken. Als ich gerade eine Kerze vor meinem und Paul Tellerentzündete kam Paul in die Küche. „Schatz?", fragend hielt erzwei Tüten von verschiedenen Lieferdiensten hoch. „Ja bitte?",fragte ich und versuchte unschuldig zu wirken. „Was ist das?",fragte Paul weiter nach und stellte die Tüten auf der Kücheninselab. „Ich nehme an, dass es unser Essen ist.", lachte ich beieinem kurzen Blick in die Tüten. Paul sah mich kopfschüttelnd an:„Das weiß ich, aber warum steht hier nicht nur Sushi?". „Wäredas nicht ein Rätsel für den Oberkommissar Richter?", neckte ichihn und zog die Sushi Packungen aus der Tüte. „Der sagt mir dassmeine Freundin mir mein Lieblingsessen bestellt hat. Er weiß nurnoch nicht wieso.", sanft nahm Paul meine Hand in seine und hieltmich so vom weiteren Auspacken ab. „Also?", fragend sah er michan und ich konnte seinem Blick nicht länger widerstehen. „Ich weißdoch dass du kein Sushi magst. Und weil ich dir auch was gutes tunwollte, hab ich dir das Essen bestellt. Einfach weil ich dich liebeund nicht weiß wo ich ohne dich wäre. ", gestand ich und sah Paultief in die Augen. „Du bist einmalig.", mit einem Ruck zog michPaul in eine Umarmung und küsste mich leidenschaftlich. Nach einigenSekunden löste ich mich von ihm was ihn zum brummen brachte. Erwollte mich wieder küssen, ich drehte aber meinen Kopf weg. „DasEssen wird kalt.", erklärte ich und strich Paul über seine Wange.„Das Essen ist mir sowas von scheißegal.", knurrte Paul und ließseinen Blick lüstern über meinen Körper wandern. „Paul Richter.Also wirklich!", gespielt empört schlug ich meinem Freund auf denOberarm, setzte mich auf einen der Barhocker und klopfte auf denBarhocker daneben: „Kommst du?".


Während wir aßenunterhielten wir uns über das was die nächsten Tage für uns undvor allem für mich anstand. „Mein Angebot steht immer noch, dassdu mit der Psychologin der Dienststelle sprechen kannst.",erinnerte mich Paul und streckte sich eine Pommes in den Mund. „Nimmes mir nicht übel, aber wenn ich schon mit irgendeiner fremdenPerson über meine Schwächen und Probleme reden muss, dann nicht mitjemanden der dich und den Held in dir kennt.", erklärte ich.„Erstens bin ich kein Held und zweitens ist ist wirklich gut. Siewürde auch nicht anders von dir denken, nur weil wir beide zusammensind.", versuchte mich Paul von der Objektivität der Psychologinzu überzeugen. „Ich weiß Paul. Warten wir vielleicht erst mal denTermin morgen ab. Lass uns aber erst mal zur Wache zu HerrWesterhoven. Ich muss wissen ob es was neues gibt.", bat ich.

Erst wenn man ganz unten ist, weiß man was wichtig ist. Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt