"Haben Sie erbarmen!".

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Mitten in der Nacht wachte ich auf und brauchte einen Augenblick bis ich wusste wo ich war. Ich lag immer noch in Pauls Armen, dieser schien immer noch tief und fest zu schlafen, denn er brummte immer wieder wie ein Bär im Winterschlaf. Durch das große Fenster fiel gerade genug Mondschein dass ich die Konturen seines Gesichtes betrachten konnte. Mein Blick wanderte über seinen Haaransatz, weiter über seine markante Nase und blieb an seinen Lippen hängen.
Wie oft hab ich mir vorgestellt das diese Lippen auf meinen liegen würden. Wie oft ist es mittlerweile fast dazu gekommen? Langsam hob ich meine Hand und strich mit zitternden Fingern über die Kontur seiner Oberlippe. Ich spürte die kleinen Bartstoppeln und die warme Luft die er ausatmete an meinem Daumen.
Erschrocken zuckte ich zusammen als hochsah und in zwei große grau-blaue Augen sah. Ein Lächeln umspielte seinen Mund als er meinen erschrockenen Blick wahrnahm. Mein Daumen lag immer noch auf seinen Lippen als ich das Gefühl hatte in seinen Augen zu versinken. „Sorry...", nuschelte ich und wollte meine Hand gerade wieder an mich nehmen, als ich spürte dass er einen leichten Kuss auf den Daumen hauchte. Eine Gänsehaut machte sich über meinen ganzen Körper breit. Ich sah ihm weiterhin tief in die Augen und biss mir auf meine Unterlippe um dem Drang zu widerstehen ihn direkt zu küssen. Sein Blick huschte für eine Sekunde zu meinen Lippen und dann wieder zu meinen Augen. Millimeter für Millimeter rutschten wir näher an einander ran. Meine Hand ruhte mittlerweile auf Pauls Wange.
Zwischen unsere Lippen passte nur noch ein Blatt Papier, Pauls Hand wanderte über meinen Unterarm, über meinen Oberarm bis hin zu meinem Hals. Spätestens jetzt musste er meine Gänsehaut wahrnehmen. Ich traute mich kaum zu atmen. Wir tauschten einen letzten Blick aus und überbrückten die letzten Millimeter zwischen uns.
Ich hatte das Gefühl als würde ich schweben als ich seine Lippen auf meinen spürte. Meine Hand bewegte sich wie von allein von seiner Wange an seinen Hinterkopf und krallte sich in seinen Haaren fest. Seine Hand lag immer noch an meinem Hals, er fuhr aber immer wieder mit den Fingerspitzen meinen Hals hoch und runter, ohne die Handfläche zu bewegen.
Völlig außer Atem lösten wir uns voneinander und atmeten tief durch. „Das war...", setzte Paul an. „wow", vollendete ich seinen Satz.
Der Mann, in dessen Armen ich lag, schüttelte lachend den Kopf: „Besser hätte ich es nicht formulieren können." Ihn böse anfunkelnd löste ich meine Hand aus seinen Haaren und gab ihm einen spielerischen Klaps auf den Hinterkopf. Bevor ich erneut ausholen konnte zog mich Paul in den nächsten Kuss. Irgendwann schliefen wir, dicht aneinander gekuschelt, ein.

„...9 Oktober. Heute werden es 15 Grad und die Sonne zeigt sich leider heute nicht so oft, aber dafür bleibt es trocken.", tönte es ohrenbetäubend vom Couchtisch her. Mit einer, scheinbar geübten, Handbewegung deaktivierte Paul den Handywecker. „Den hab ich total vergessen gestern Abend.", brummte er und zog mich wieder an sich heran. Eigentlich wollte ich weiterschlafen, wurde aber von einem lauten Brummen unterbrochen. Zuerst dachte ich es sei ein weiterer Wecker bis Paul laut anfing zu lachen. Fragend blickte ich hoch. „Ich hab den idealen Spitznamen für dich.", ließ mich der Kommissar wissen. Da ich ihn immer noch fragend ansah sprach er weiter, „Du bist mein kleiner Bär." „Das sagt der, der heute Nacht einen halben Wald abgesägt hat.", brummte ich und entzog mich ein wenig seiner Umarmung. „Erstens ich schnarche nicht. Und zweitens hat dein Magen gerade so laut geknurrt dass ich bezweifele dass du gestern auch nur irgendwas gegessen hast.", klärte er mich auf. Irritiert sah ich ihn für einen kurzen Augenblick an. „Verdammt. Ich hab gestern wirklich nichts gegessen. Nachdem du weg warst wollte ich erst ein bisschen Tv gucken. Weil es dort aber nichts gutes gab bin ich hier hoch und hab was gelesen. Dann warst du auf mal da. Und dann waren da deine Lippen...", den letzen Satz hauchte ich schon beinahe. Paul schien ihn trotzdem gehört zu haben, den sein Gesichtsausdruck wurde sofort weicher. Er zog mich erneut an sich und wollte mich gerade wieder küssen als mein Magen wieder sein bestes gab um den Moment zu zerstören.
„Ich glaube ich sollte dir was zu essen geben. Sonst verdaust du dich bald selber. Und das kann ich nicht zulassen.", schmunzelte Paul und stand auf. Ich aber zog mir die Decke über den Kopf. „Komm schon kleine. Sonst muss ich dich tragen.", hörte ich dumpf durch die Decke die ich mir daraufhin direkt vom Kopf riss. „Das wagst du nicht!", drohend sah ich ihn an. Als er einen Schritt auf mich zu ging, rutschte ich auf dem Sofa weiter nach hinten. „Daria, komm schon.", bat mich mein gegenüber. „Aber es ist so warm hier. Bitte. Nur noch zehn Minuten!", flehte ich schon fast. Aber der Kommissar schüttelte nur ungläubig den Kopf. „Daria Petrowa. Entweder du stehst selber auf, oder ich bringe dich eigenhändig in die Küche.". Wieder kam Paul einen Schritt weiter auf mich zu. Ich aber war schon an der hinteren Sofalehne angekommen. Ich konnte ihm also nicht mehr entkommen. Während ich mich nach weiteren Fluchtmöglichkeiten umsah, gab das Sofa ein wenig nach – das hieß das Paul nun auf das Sofa geklettert war.
Ich hob die Hände, als wäre ich ein Straftäter der sich ergeben wollte: „Bitte Herr Richter. Haben Sie erbarmen.". Besagter Herr Richter aber erwiderte nur „Sie wissen dass das nicht geht.", und warf sich auf mich.
Kurze Zeit später rangen wir schon fast, er versuchte mich zu packen, mich zu kitzeln und ich versuchte immer wieder unter seinen starken Armen hinweg zu tauchen um ihm so zu entkommen.
Gerade als Paul mich wieder packen wollte, sprang ich auf und stand neben dem Sofa.
„Na siehst du? Hab ich es doch geschafft dass du aufstehst.", triumphierte Paul und sah mich im nächsten Moment fragend an. „Ist alles okay?", hörte ich ihn noch fragen, bevor sich alles in meinem Kopf noch mehr drehte und ich zusammen sackte.

Erst wenn man ganz unten ist, weiß man was wichtig ist. Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt