„Unkraut vergeht nicht."

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Und erneut liefen mir dieTränen in Strömen die Wangen hinunter, diesmal waren es aberFreudentränen.
„Komm her...", murmelte Paul und hielt mirseine Arme entgegen. Darauf bedacht ihm nicht wehzutun ließ ichmeinen Kopf auf seine Brust sinken. „Du weißt nicht wie froh ichbin deine Stimme zu hören.", flüsterte ich und genoss es seinenHerzschlag zu hören. „Erinnere mich bitte daran, dir die Ohrenlang zu ziehen, wenn ich wieder fit bin, ja?", bat mich Paul.Verwundert hob ich meinen Kopf und sah meinen Freund an. „Du bistnicht Schuld, Schatz.", erklärte Paul und sah mich tadelnd an. „Duhast also alles gehört?", fragte ich obwohl ich die Antwort schonwusste.
Paul nickte und sah mich liebevoll an. „Ich bin frohdass dir nichts passiert ist.", gab Paul zu und zog sich dieAtemmaske vom Gesicht. Als er sich aufsetzten wollte, zog er scharfdie Luft ein. „Pass auf!", rief ich und drückte ihn wiederzurück auf die Matte. Der Herzmonitor zu meiner rechten piepteschneller und Sekunden später stand eine Krankenschwester im Raumgefolgt von Frau Mertens.
„Meine Güte. Müssen Sie uns soeinen Schrecken einjagen", entfuhr es der Ärztin, als sie sah dases Paul gut ging und er aufgewacht war. „War nicht meine Absicht.Ich wollte mich nur aufsetzten.", brummte Paul und versuchte eserneut. Direkt schlug der Herzmonitor erneut Alarm und Paul verzogsein Gesicht. „Herr Richter. Bleiben Sie bitte liegen.", befahlFrau Mertens und war an seine Seite getreten. Mein Freund gab sichgeschlagen und griff nach meiner Hand während Frau Mertens ihm überdie Op aufklärte.
„Also kann ich gleich nach Hause?", wolltePaul wissen. „Nein.", antworteten die Ärztin und ich wie auseinem Mund. „Herr Richter, Sie werden zwar gleich auf eine normaleStation verlegt, aber sie bleiben noch mindestens drei Tage unserGast.", führte Frau Mertens ihre knappe Antwort weiter aus. „Nagut.", gab Paul klein bei und drückte meine Hand.
„FrauPetrowa, ich schlage vor Sie fahren heim und packen ein paar Sachenfür ihren Freund zusammen. Er wird gleich eh noch einmal in das CTgebracht um ihn komplett durchzuchecken.",
schlug die Ärztinvor und nickte der Krankenschwester neben ihr zu. Diese begann aufihrem Handy herumzutippen und Paul beim CT anzumelden.
FrauMertens schien zu merken, dass ich Paul nur ungern allein lassenwollte und fügte hinzu: „Sie können ihn eh nicht begleiten und erist gleich bestimmt eine Stunde beschäftigt.".
Ich nickte undfolgte der Ärztin als sie Paul mitsamt des Bettes aus dem Raum, inRichtung Fahrstühle schob. „Hier trennen sich leider, für kurzeZeit, ihre Wege.", informierte uns die Krankenschwester und drücktebereits einen Knopf um den Aufzug zu rufen.


Sanft drückte ich Pauleinen Kuss auf die Lippen. „Bau ja keinen Mist.", raunte ich ihmzu als ich ihm durch die Haare wuschelte. „Ich bleibe brav, dasverspreche ich dir.", antwortete Paul gerade als er in den Aufzuggeschoben wurde und die Türen sich schlossen.

Nachdem ichselber in den nächsten Aufzug gestiegen war, atmete ich tief durchund fuhr mir mit den Händen durchs Gesicht. Noch nie war ich soglücklich gewesen, als in dem Moment als Paul wieder aufgewacht war.
Kaum hatte ich den Wartebereich der Notaufnahme betreten,sprangen Klaus, Martin, Jule, Hannah, Daniel und Stephan auf. IhreAugen weiteten sich, als ihr Blick auf mein Gesicht viel. „Nein!",keuchte Hannah und fiel in Daniels Arme. Verwundert über ihreReaktion trat ich näher an die Gruppe heran.
„Ist er...",presste Stephan zwischen seinen Zähnen hervor und ich sah dass erselber mit den Tränen kämpfte. „Was ist los?", wollte ichverunsichert wissen. „Du siehst aus als kämst du gerade aus einemHorrorfilm.", klärte Jule mich auf und hielt ihr Handy vor dasGesicht, bei dem die Frontkamera eingeschaltet war. „Oh.",entfuhr es mir, als ich in mein mit blutverschmiertes Gesicht sah.Meine Augen waren rot und angeschwollen. Meine Haare standen wirr zuallen Seiten ab.
„Das muss passiert sein, als ich meine Tränenweggewischt hatte.", erklärte ich. „Und das heißt?", harkteMartin nach und reichte mir ein Taschentuch.
„Paul ist wach. Erist gerade im CT und ich wollte eigentlich fragen ob mich jemand voneuch nach Hause bringen kann, damit ich ein paar Sachen für ihnzusammenpacken kann. Er muss nämlich hier bleiben.", beruhigte ichdie Anwesenden.
Bereits nach meinem ersten Satz fingen diePolizisten an zu jubeln und fielen sich in die Armen.
„Ich habdoch gesagt dass der Junge zäh ist.", lachte Martin und zog michin eine Umarmung.
„Ich weiß.", keuchte ich und wurde, alsMartin mich losließ, direkt in die nächste Umarmung gezogen.
Inden nächsten fünfzehn Minuten wurde ich einmal von allen drücktund hatte mich auch halbwegs wieder gerichtet. Mithilfe von Hannahund Jule hatte ich die Blutspuren aus meinem Gesicht entfernt undauch meine Haare sahen wieder halbwegs normal aus.
„Also, werfährt mich?", fragte ich in die Runde und erinnerte meine Freundean den zweiten Teil meines Berichtes.
„Ich glaube nicht dassdas geht, Daria. Offiziell ist euer Haus ein Tatort.", erklärteMartin. „Das hab ich total verdrängt.", sagte ich und sah zuStephan. „Klaus, wäre es nicht möglich dass sie da einenreinkann? Sie muss ja auch ihre Sachen da rausholen.", wand sichmein bester Freund an seinen Vorgesetzten. Dieser schien einenAugenblick zu überlegen und nickte dann: „Okay. Aber ich kommemit.".
Eskortiert von Daniel und Stephan folgte ich Klaus undMartin zu ihrem Dienstwagen. Zu viert fuhren wir zu Pauls Haus, Juleund Hannah blieben im Krankenhaus um im Notfall für Paul da zu sein.

Als Martin den Motor abstellte und wir alle ausstiegen, bliebich einen Augenblick am Streifenwagen stehen. „Daria?", Stephanwar neben mich getreten und sah mich besorgt an. „Ich brauche nureinen Moment.", flüsterte ich und starrte auf den Blutfleck vorder Haustür, der immer noch gut erkennbar war. „Ich weiß dassieht mies aus. Aber denk dran. Paul ist wach und wartet imKrankenhaus auf dich.", rief mir Stephan wieder ins Gedächtnis undich lächelte ihn dankbar an.
Wohnwissend dass es nicht einfachfür mich war, warteten Martin, Klaus und Daniel vor der Haustür bisStephan und ich zu ihnen stießen. Die vier folgte mir hoch und insSchlafzimmer. Während ich Stephan bat die beiden Koffer vom Schrankrunter zu holen, wand sich Martin an mich. „Daria, wenn du gleichmit dem packen fertig bist müsstest du mir einmal zeigen wo dustandest als Paul dich zu Boden gerissen hast.". Ich nickte undbegann achtlos ein paar Kleidungsstücke aus dem Schrank zu ziehenund in die Koffer zu werfen. Daniel und Stephan schienen sich wohlirgendwie nützlich machen zu wollen, denn sie finden an die Kleidungordentlich zu falten und in den Koffern zu verstauen. Ich ließ esunkommentiert und warf ein paar von Pauls Boxershorts in den Koffervor Daniel. Dann sah ich Stephan streng an: „Stephan, ich mag dichecht gerne. Aber wehe du fasst meine Unterwäsche an.". Schmunzelndhob der angesprochen seine Hände und drehte sich vom Koffer weg.Auch Martin, Klaus und Daniel waren offensichtlich darum bemühtunauffällig in eine andere Richtung zu schauen. „Ganz dieGentlemans.", lachte ich während ich ein paar meiner Unterhosenund Bhs in den Koffer vor Stephan unter den Stapel T-Shirts stopfte.„Reiner Selbsterhaltungstrieb.", erklärte Daniel als er sichwieder zu mir drehte, „Paul würde uns umbringen, wenn er mitbekämedass wir deine Unterwäsche anfassen würde. Egal ob an deinem Körperoder nicht.". Wieder lachte ich auf und lief schnell ins Badezimmerum unsere Zahnbürsten zu holen und noch ein paar andereKleinigkeiten die im Haus verstreut waren. So fanden Bücher, zweiLadekabel, ein wenig Nervennahrung und ein paar Duschutensilien ihrenWeg in die beiden Koffern.
„Fertig?", fragte Klaus und ichnickte. Wie aufs Kommando zogen Daniel und Stephan dieReißverschlüsse der Koffer zu und verließen damit dasSchlafzimmer.

„Also? Wo standest du?", erinnerte Martinmich wieder an seine Frage und ich deutete auf die Schlafzimmerwandan der ich nun ein kleines Loch entdeckte. „Ich stand da. Paulblickte dann auf mal hier her und riss mich dann zu Boden.",erklärte ich und spielte die Szene vom Morgen leicht nach. „Dashaben wir uns schon gedacht.", sagte Klaus, „Wir nehmen an, dassdas das Wert eines Scharfschützen war. Und Paul den roten Zielpunktvon ihm entdeckt hat.".
„Also hat er mir wiedereinmal dasLeben gerettet.", stellte ich fest.


Kurz darauf warenwir wieder im Klinikum und warteten im Stationszimmer von Paul aufihn. „Was passiert jetzt eigentlich mit dem Haus?", wollte ichgerade wissen, da wurde Paul auch schon in seinem Bett in den Raumgeschoben. Ich ließ seinen Kollegen den Vortritt ihn zu begrüßenund setzte mich danach zu ihm ins Bett.
Er sah mittlerweile vielbesser aus und konnte sich ohne große Schmerzen aufsetzten.
„Siehaben eine Stunde.", ließ uns Schwester Bär wissen und schlossdie Tür hinter sich.
„Wie geht's dir Kumpel?", fragteStephan und setze sich auf einen der Stühle an Pauls Bett.
„Unkrautvergeht nicht.", lachte Paul mit einem Augenzwinkern in meineRichtung.

Erst wenn man ganz unten ist, weiß man was wichtig ist. Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt