"Komm schon Paul, selbst du hast was besseres verdient."

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„Charlotte?", fassungslos schüttelte Paul seinen Kopf. Überrascht von Pauls Reaktion ließ ich meinen Arm sinken, was die junge Frau ausnutzte und an mir vorbei ins Haus ging. „Hier hat es sich ja gar nicht verändert. Vielleicht solltest du hier mal renovieren. Oder dir eine neue Putze suchen.". Verwirrt sah ich zwischen Paul und der Frau hin und her und versuchte schlau aus der Situation zu werden. „Was willst du hier?", Paul schob seine Hände in die Hosentasche und sah die Frau vor ihm missbilligend an.
„Darf ich dich nicht mal besuchen?", die Frau warf Paul einen kurzen Blick zu und sah sich dann weiter im Flur um. Mit wenigen Schritten war ich an Pauls Seite und warf ihm einen fragenden Blick zu, als die Frau sich an mich wand: „Ich hätte gerne einen Espresso mit einem Schuss fettarmer Milch. Das schaffst du doch bestimmt, oder?".
„Charlotte, noch mal: Was willst du hier?", Paul hielt mich fest, als ich wirklich in die Küche gehen wollte um den geforderten Kaffee zuzubereiten. „Ich wollte meinen großen Bruder besuchen. Erstrecht wenn er heiraten will. Was glaubst du wie wir uns gefühlt haben, als wir von Pfarrer Baumann angerufen worden sind, weil er wissen wollte ob wir auch zu deiner Hochzeit kommen.", erklärte die Frau. Und da war mir alles klar. Ich hatte ihr Gesicht auf ihrem Einschulungsfoto gesehen, an dem Tag als ich das erste mal allein in unserem Haus war.
„Außerdem wollte ich deine werte Verlobte kennenlernen. Ist es Daniela? Oder doch Franka? Baumann wollte nicht so recht mit dem Namen rausrücken.", fügte Pauls Schwester hinzu und ging in die Küche. „Paul?", ich warf meinem Mann einen Blick zu und hoffte das er merkte wie unwohl ich mich fühlte. „Keine Sorge, sie bleibt nicht lange.", raunte mir Paul zu ehe wir hinter seiner Schwester her gingen.
„Also wer ist die zukünftige Frau Richter? Ich hoffe wirklich auf Franka. Mit ihr hat das Shoppen echt Spaß gemacht.", Charlotte öffnete wie selbstverständlich die Küchenschränke und sah sich deren Inhalt an. „Charlotte benimm dich.", zischte Paul als seine Schwester nun auch ins Wohnzimmer gehen wollte. „Miesepeter wie eh und je. Bist du etwa immer noch Bulle?", lachte Charlotte und ließ sich, mit überschlagenen Beinen, auf einem der Barhocker nieder.
„Erstens heißt es Polizist und ja ich bin mittlerweile Polizeioberkommissar. Und zweitens sitzt du meiner Frau gegenüber.", Paul legte seinen Arm um meine Hüften und zog mich an sich.
„Bitte was? Du hast deiner Putze einen Antrag gemacht? Komm schon Paul, selbst du hast was besseres verdient.", Charlotte sah ihren Bruder mitleidig an und zückte ihr Handy. Instinktiv schob ich mich hinter Paul, was seine Schwester zum lachen brachte. „Sie ist keine Putzfrau, sie arbeitet in einem Kindergarten und außerdem brauche ich bestimmt nicht deinen Segen um mit ihr glücklich zu werden.", ich hörte es an Pauls Stimme das er langsam sauer wurde. „Was zickst du mich so an? Freust du dich denn gar nicht, mich nach fünf Jahren wieder zu sehen?", Charlotte sah ihren Bruder empört an. „Ich hätte mich gefreut, wenn du dich benommen hättest. Nicht nur das du dich hier wie selbstverständlich in meinem Haus umsiehst ohne eingeladen worden zu sein, nein du beleidigst auch noch Daria.", fuhr Paul seine kleine Schwester an.
„Tz, wenn das so ist, glaub ja nicht das Papa und Mama oder auch ich zu eure kleinen Hochzeit kommen werden.", Pauls Schwester sprang von dem Barhocker auf und griff sich ihre Handtasche die sie auf der Kücheninsel abgestellt hatte. „Glaubt ihr nicht, dass ihr eine Einladung bekommen hättet, wenn wir euch hätte dabei haben wollen?", Paul zog mich neben sich und legte mir erneut seinen Arm um die Hüfte und legte seine Hand auf meinen Bauch. „Das wird dir noch Leid tun.", zischte die junge Frau und stürmte aus dem Haus. Erst als ich die Eingangstür zuschlagen hörte traute ich mich auszuatmen.

„Ich hätte nie gedacht das sie so werden wird.", brummte Paul enttäuscht und zog mich an seine Brust. „Dann bin ich wohl nicht die einzige mit einer verrückten Familie.", murmelte ich in die Brust von Paul und schlang meine Arme um seine Hüften. „Du schaffst es wirklich immer wieder, dass ich lache.", Paul drückte mich noch enger an sich und drückte mir einen Kuss auf den Haaransatz.
„Was hältst du davon wenn ich bei Klaus nach einen spontan Urlaub frage und wir für ein langes Wochenende in das Standhaus fahren. Und nach der Kirche und der Feier dann für eine längere Zeit?", schlug Paul vor als wir und voneinander lösten.
„Gute Idee. Ein bisschen Urlaub kann ich gut gebrauchen. Auch wenn ich weiß das Emily da rumlaufen könnte.", stimmte ich ihm zu und sah schmunzelnd dabei zu wie er sein Handy aus seiner Hosentasche zog und direkt bei seinem Dienststellenleiter anrief. „Hey Klaus ich hab da mal ne Frage.", fiel er gleich mit der Tür ins Haus.
Während Paul mit Klaus telefonierte, klingelte es erneut an der Haustür. Diesmal war es aber der Lieferjunge, den ich bezahlte und dann das Essen in die Küche brachte. Der Appetit war mir aber nach der Begegnung mit Charlotte völlig vergangen. „Ich bespreche das mit Daria und rufe dich dann wieder an.", antwortete Paul gerade und legte auf. „Was willst du mit mir besprechen?", ich holte zwei neue Flaschen Limonade aus dem Kühlschrank und hielt Paul eine davon hin. „Klaus sagt das lange Wochenende geht klar, aber für direkt nach der Kirche und der Feier sieht er schwarz. Wir könnten frühestens Anfang August für zwei Wochen weg.", erklärte mein Mann und nahm einen Schluck der Limo. „Das ist doch kein Problem. Dann teilen wir die Flitterwochen auf. Ein paar Tage jetzt und den Rest dann im August. Wir können auch ganz hier bleiben. Ich bin immer glücklich wenn du bei mir bist.", ich lächelte Paul sanft an und hielt ihm meine Hand hin.
„Womit hab ich dich verdient?", hauchte Paul und stellte sich vor mich hin. „Du musst in deinem früheren Leben was mieses angestellt haben, das das Universum dich mit mir bestraft.", scherzte ich und zog Paul am Hosenbund noch näher an mich heran.
Sprachlos schüttelte Paul lachend seinen Kopf. Ich wollte ihn noch weiter necken, als Pauls Magen anfing zu knurren. „Vielleicht solltest du die Pizza essen.", ich griff über die Kücheninsel und schob Paul den Pizzakarton zu. „Und was ist mit dir?", Paul sah mich skeptisch an. „Ich hab keinen Hunger mehr. Krümel zuliebe esse ich etwas von dem Salat.", erklärte ich und zog den Salat vor mich. „Iss zu mindestens ein Stück. Für mich.", bat Paul und hielt mir ein Pizzastück hin. „Na gut. Aber nur weil ich dich liebe.", stimmte ich zu und nahm ihm das Stück ab.

Erst wenn man ganz unten ist, weiß man was wichtig ist. Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt