"Jetzt machst du aus meiner Frau eine Kriminelle?"

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„Also willst du dich wirklich neben den Staatsanwalt setzten und dir anhören was dein Ex und seine Tante aussagen?", Martin musterte mich über den Rand seiner Kaffeetasse genau. Seid dem Grillabend war eine Woche vergangen und die Verhandlung war in drei Wochen. Klaus hatte es in der Zwischenzeit geschafft, dass ich nur noch einmal aussagen musste da die Gerichtsverhandlungen von Leon und Ela zusammengepackt wurden. „Nur wenn Paul neben mir sitzen darf. Die Richterin ist vielleicht ganz gut, aber ich kann das Risiko nicht eingehen dass die beiden sie um den Finger wickeln.", antwortete ich und sah auf die Karten in meiner Hand. Wir hatten es uns auf der Terrasse gemütlich gemacht und Martin brachte mir das Pokerspielen bei.
„Gute Idee, wobei ich nicht weiß ob die Mohr sich darauf einlässt, eben weil Paul auch Zeuge ist.", wand Martin ein bevor er seine Karten auf den Tisch warf, „Ich hab heute einfach kein Glück.".
„Ganz ehrlich? Ich hab sowieso keine Ahnung was ich hier mache.", lachte ich als ich Schritte im Wohnzimmer hörte.
„Ernsthaft Martin? Jetzt machst du aus meiner Frau eine Kriminelle?", Paul kam auf uns zu und sah auf die Karten vor uns. „Noch nicht. Das ist erst nächstes Mal dran. Heute stand erst mal das lernen auf dem Plan.", erwiderte der Angesprochene und griff sich seine Kaffeetasse. „Das hab ich jetzt einfach mal überhört.", Paul schüttelte seinen Kopf und setzte sich dann neben mich.
„Ich hab heute mit deinem Staatsanwalt geredet.", er legte mir seine Hand auf den Unterschenkel und malte mit seinem Daumen kleine Kreise auf den Jeansstoff. „Und was sagt er?", ich biss mir auf die Innenseite der Wange und warf einen raschen Blick zu Martin der ebenfalls gespannt auf die Antwort von Paul wartete. „Er sagt das du nur allein als Nebenklägerin beiwohnen dürftest, eben bis ich meine Aussage gemacht habe.", informierte uns Paul und ich wusste direkt das er sich innerlich schon auf eine Diskussion mit mir vorbereitete. „Alles klar, dann bin ich eine normale Zeugin und das Opfer.", entschied ich und sammelte die Karten auf dem Tisch ein und begann sie zu mischen. „Daria, Bitte du... bitte was?", mein Ehemann sah mich verwirrt an was mein Bauchgefühl bestätigte. „Keine Sorge Paul. Du musst mich nicht davon überzeugen, dass das eine miese Idee ist, mich allein, ohne jemanden von euch, in einen Raum mit Ela und Leon zu setzten.", ich teilte die Karten aus und spürte ein Paul meinen Oberschenkel drückte. „Ich hab mich seid heute Mittag auf eine hitzige und stundenlange Diskussion mit dir vorbereitet.", gab Paul zu und nahm die Karten auf die ich ihm hinschob. „Ich weiß. Und ich hab euch versprochen nichts stressiges mehr zu machen. Daher will ich keine Sekunde länger als unbedingt nötig alleine mit denen sein.", ich lächelte Paul kurz an und versuchte mich dann wieder an die Poker Regeln von Martin zu erinnern.
„Du bist in der letzten Zeit noch reifer geworden.", anerkennend lächelte Martin mich an und blickte dann mit einem Stirnrunzeln auf seine Karten. Paul und ich tauschten einen raschen Blick, beide überrascht über diese Aussage, und spielten dann noch weitere fünf Runde mit Martin.

„Hallo Frau Petrowa.", kaum hatten Paul und ich das Büro des Staatsanwalt betreten, stand der ältere Mann im Anzug auf. „Mittlerweile ist es Frau Richter.", korrigierte ich den Mann und schüttelte seine Hand. „Herzlichen Glückwunsch, ich werde das auch gleich in den Akten ändern. Weiß die Verteidigung schon davon?", der Staatsanwalt schüttelte auch die Hand von Paul und bat uns dann uns hinzusetzten.
„Nein, und ich hab ehrlich gesagt keine Lust das die beiden das wissen.", gab ich zu und griff blind nach Pauls Hand. „Leider glaube ich nicht, dass sich das vermeiden lässt, Frau Richter. Aber Richterin Mohr und die beiden Verteidiger müssten sowieso gleich kommen? Haben Sie die Dokumente mit gebracht um die ich sie gebeten habe?", der Staatsanwalt, Herr Römer, sah auf die Aktenmappe die Paul in der Hand hielt.
Da klar war, dass ich als Nebenklägerin in der Verhandlung gegen Ela und Leon, ohne Paul an meiner Seite, beiwohnen sollte, habe ich davon abgesehen. Nach Gesprächen mit meinem Hausarzt, meiner Gynäkologin in der Klinik und mit Frau Neumann auf der Wache, haben mir die drei Ärzte einen Arztbrief ausgestellt, dass es in meiner jetzigen Situation und um die Schwangerschaft nicht weiter zu gefährden, unmöglich sei, im selben Raum mit Ela und Leon zu sein.
„Ja, ich hab die Originalen Arztbriefe hier. Und auch unsere Heiratsurkunde, damit Sie den neuen Nachnamen meiner Frau offiziell haben.", Paul hielt die Mappe hoch und drückte meine Hand, als jemand laut gegen die Bürotür des Staatsanwaltes klopfte. „Wenn man vom Teufel spricht.", scherzte Herr Römer und rief dann „Herein.".
Nervös sah ich zur Tür die von einer jungen Empfangsdame geöffnet wurde um die Richterin und zwei ältere, übergewichtige, bereits ergraute Männer in das Büro zu lassen. „Römer.", einer der Anwälte nickte dem Staatsanwalt zu und sah mich dann mit einem finstern Blick an, „Sie müssen Daria Petrowa sein.". „Das stimmt.", gab ich kleinlaut zu und drückte Pauls Hand. Da die beiden Strafverteidiger mich noch immer argwöhnisch beäugten, sahen sie nicht wie Herr Römer seinen Platz der Richterin Mohr anbot und ihr den Zettel zuschob auf den er sich vorhin eine Notiz gemacht hatte, dass er meinen Nachnamen in den Akten ändern musste.

„Da ich nicht lange Zeit habe, lassen Sie uns alle beginnen.", begann Frau Mohr und sah zog eine Akte aus ihrer Aktentasche, „Frau Petrowa. Herr Römer hat mir gerade von ihrem Wunsch berichtet, leider ist es nicht möglich diesen zu erfüllen, da Sie vor Gericht ihre richtigen Personalien bekanntgeben müssen. Und die wären, so wie ich dem kleinen Zettel hier entnehmen kann, nun Daria Richter. Ist das Korrekt?". Ich nickte und spürte wie Paul meine Hand kurz drückte, als würde er mir Mut zusprechen wollen. „Haben Sie ihre Heiratsurkunde dabei?", Frau Mohr sah uns über den Rand ihrer Brille an und lächelte als Paul ihr die Aktenmappe zu schob. „Und auch die drei Arztbriefe im Original.", antwortete Paul und ich lächelte ihn an. „Warum ist er denn hier?", beschwerte sich einer der Anwälte und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Kollege Pohl, beruhigen Sie sich. Wie ich Ihnen und dem Kollegen Voigt bereits erklärt habe, begleitet Herr Richter seine Frau um sie zu unterstützen.", Herr Römer sah seine Kollegen durchdringend an. „Das kann ja jeder behaupten.", auch Herr Voigt warf mir einen finsteren Blick zu, der mir einen Schauer über den Rücken jagte. „Aber so wie ich sehe hat Frau Richter alle nötigen Papier dabei.", schaltete sich die Richterin ein, nachdem Sie die Arztbriefe durchgelesen hatte.
„Die kann man leicht fälschen.", Herr Pohl warf seinem Kollegen einen kurzen Blick zu und wollte nach den Briefen vor der Richterin greifen, zuckte aber zurück als er den Blick der Richterin sah. „Nach dieser Besprechung werden Sie alle eine Kopie von den Briefen bekommen, die Originale behalte ich.", Richterin Mohr sah die beiden Verteidiger scharf an und blickte dann zu mir und Paul.
„Frau Richter, aus den Briefen gehen hervor das es für Ihrer Gesundheit und auch die von ihrem Kind untragbar ist im selben Raum wie die Angeklagten zu sein. Wäre es für Sie okay, wenn die beiden den Raum während ihrer Befragung verlassen oder wäre es Ihnen lieber wenn wir die Befragung unter vier Augen, in meinem Büro, machen?", die Richterin lächelte mich sanft an und ich überlegte einen Augenblick. „Können wir vielleicht beides machen? Das wir, wenn ich merke dass es mir zu viel im Gerichtssaal wird , in Ihr Büro wechseln? Ich möchte nicht mehr Umstände als nötig machen.", wollte ich wissen und hörte wie die Anwälte von Ela und Leon auflachten. „Wenn Sie keine Umstände machen wollten, dann würde es dieses Gespräch gar nicht geben.", erklärte Herr Voigt und sein Kollege nickte. „Hören Sie nicht auf die beiden, Frau Richter.", Herr Römer lächelte mich sanft an, als er merkte wie ich näher an Paul rutschte. „Herr Römer hat Recht, noch entscheide ich was in meinem Gerichtssaal geschieht. Wenn wir es so machen wie Sie vorschlagen, wird Ihr Mann vor dem Saal warten müssen, da er erst nach Ihnen mit seiner Zeugenaussage dran ist.", Frau Mohr blickte von der Akte vor sich auf und wartete auf meine Antwort. „Das ist in Ordnung, davon sind wir eh ausgegangen. Nach meiner Aussage wollte ich den Saal eh verlassen.", ich sah zu Paul, der mir zustimmend zu nickte. „Klar um die anderen Zeugen zu beeinflussen.", brummte Herr Pohl und fuhr sich über seinen Vollbart.
Ich sah Frau Mohr an dass sie langsam sauer wurde, aber sie atmete einmal tief durch bevor sie sprach: „Dann sei es so. Ihre Befragung startet im Gerichtssaal und wenn Sie merken dass es nicht mehr geht, wechseln wir in mein Büro und nehmen die weitere Vernehmung auf Video auf und spielen das dann im Gerichtssaal ab. Nach Ihrer Befragung können Sie im Zeugenraum warten bis entweder Ihr Mann oder jemand anders zu Ihnen stößt. Ist das für alle Okay?".
Ich nickte und sah auch dass Paul und Herr Römer sofort nickten. Die beiden Anwälte besprachen sich einige Minuten und stimmten dem Vorschlag dann auch zu.

Erst wenn man ganz unten ist, weiß man was wichtig ist. Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt