„Und du wirst uns nie wieder los."

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Paultrocknete gerade seine Haare ab als ich mir einen Klecks Zahnpastaauf die Zahnbürste gab. „Ich komme morgen übrigens erst gegenAbend nach Hause.". „Aber du hast doch den Frühdienst morgen.",ich sah meinen Freund irritiert an. „Ja, das schon. Aber danach istdie Beerdigung.". Paul trat neben mich und zog seine Zahnbürsteaus dem Becher. „Oh", entfuhr es mir und ich spuckte denZahnpasten-Schaum in das Waschbecken. „Schaffst du es?", prüfendsah ich Paul ins Gesicht und versuchte seine Gesichtszüge zu deuten.„Ich muss.", brummte er und spülte seinen Mund aus. „Du musstgar nichts.", widersprach ich ihm und spülte nun selber meinenMund aus. „Doch. Der Junge gehörte zur Familie. Es ist klar dassich dahin gehe.", Pauls Augen hatten wieder diesen dunklen Tonangenommen, wie gestern Nachmittag als er mir von dem Tod seinesKollegen erzählte. „Ich könnte dich begleiten.", schlug ichvor, wohlwissend dass ich nicht durfte. Eben weil ich nicht zurPolizei gehörte. „Das kann ich nicht von dir verlangen.", Paulsah mich, durch den Spiegel, traurig lächelnd an. Ich saßmittlerweile auf der Badewanne und cremte meine Hände ein. „Ichmöchte dich begleiten um dir beizustehen, Paul. Ich liebe dich undwill nicht dass du da alleine durch musst.", erklärte ich und sahPaul zu wie er Rasierschaum in seinem Gesicht verteilte. „Sicher?Du kennst da niemanden.", sagte Paul und griff nach seinemRasierer. „Und? Dann lerne ich die da kennen. Außerdem kenne ichja schon ein paar Kollegen von der Wache.", beruhigte ich meinenFreund, „Aber ich will mich auch nicht aufzwingen. Wenn du willstdann komme ich mit, wenn nicht dann nicht.".
Paul hielt mittenin der Bewegung innen. „Natürlich will ich dass du mitkommst. Ichhatte nur gehofft dass du meine Kollegen unter anderen Umständenkennenlernst.". Ich stand auf und trat hinter ihm. Während ichmeine Arme um ihn schlang sagte ich: „ Es ist schon okay.".

Amnächsten Morgen stand ich gemeinsam mit Paul auf. Während er einpaar Stunden Streife fuhr, machte ich mich fertig und fuhr mit demFahrrad in das nächstgelegene Kleidungsgeschäft und sah mich nachgeeigneter Trauerbekleidung um. Dank der Verwüstung meinerWohnunghatte ich keine Kleidung mehr, nur die paar Teile die ich bei Paulhatte. Nach einer Stunde hatte ich mich für ein schwarzes Kleid,eine schwarze Jeans, eine dunkelblaue Bluse und ein schwarzes Jacketentschieden. Im Laden daneben erstand ich ein paar schwarzeTurnschuhe und ein paar schwarze Pumps.
Wieder zuhause sprang ichunter die Dusche, schminkte mich, machte mir die Haare und zog michum. Da ich wusste, dass ich einen guten Eindruck hinterlassen musste,entschied ich mich für das wadenlange schwarze Kleid dass mit einwenig Spitze besetzt war. Die Jeans, die Bluse und das Jacketverstaute ich in einer Sporttasche, für den Fall der Fälle.
Geradeals ich im Hausflur in die Pumps schlüpfte, kam Paul nach Hause. Wirhatten am morgen ausgemacht, dass er sich auf der Dienststelle umzog,mich abholte und wir dann gemeinsam dann zum Friedhof fuhren. Paulstarrte mich mit leicht geöffneten Mund an und ich wurde nervös.Ich sah an mir herunter und fragte: „Doch zu viel? Ich hab auchnoch ein anderes Outfit. Warte kurz.".
„Quatsch. Du siehstatemberaubend aus.", Paul sah an mir hoch und runter. „Du siehstauch nicht schlecht aus.", gab ich das Kompliment zurück, haktemich bei ihm unter und ging mit ihm zum Auto.

KurzeZeit später waren wir an der Kapelle angekommen. Schon von weitenhatte ich die unzähligen Streifenwagen gesehen. Als ich ausstieg sahich wie Jule, Stephan, Daniel und Hannah auf uns zu kamen. Wirbegrüßten uns kurz, ich ging davon aus dass sie mich wegschickenwürden, eben weil ich kein offizieller Teil der Polizei-Familie war.Hannah schien meine Bedenken zu merken, denn sie nickte Jule kurz zuund zog mich dann ein paar Meter von Paul, Stephan und Daniel weg.„Ich weiß was du denkst, Daria. Deswegen wollte ich dir nur sagen,dass ich froh bin dass du da bist.". Jule nickte und sah rasch zuden Männern rüber, bevor sie sich an mich wandte: „Wir brauchendich. Paul braucht dich.". Ich sah zwischen den beiden hindurch undlächelte Paul an. „Auch wenn ich nicht zu euch gehöre?", fragteich leise. Die beiden Frauen vor mir sahen mich ungläubig an.„Kleine, du gehörst längst zu unsere Familie.", erklärte Juleund nahm meine Hand in ihre. „Und du wirst uns nie wieder los.",fügte Hannah hinzu und nahm meine andere Hand. Paul sah zu unshinüber, sah wir wir uns an den Händen hielten und kam auf uns zu,Stephan und Daniel folgten ihm. Kurz bevor sie uns erreichten,drehte ich mich um und wischte mir die Tränen weg. „Alles guthier?", hörte ich Paul fragen als ich mich wieder zu meinenFreunden umdrehte. Ich lächelte ihn an „Jetzt ja.".


EinigeStunden später verließen wir die Kapelle. Meine Augen waren rot vomweinen, auch Paul hatte glasige Augen. Einigen Polizisten liefen dieTränen immer noch in Strömen die Wangen hinab, andere sahen wiebetäubt nur geradeaus. Wir verabschiedeten uns und gingen zum Auto.„Lieb von dir, dass du angeboten hast, die drei zu betreuen.",sagte Paul und lehnte sich gegen sein Auto. Ich stellte mich neben imund sah in den Himmel. Er war wolkenlos und die Sonne schien. „Klar.Es ist nicht nur mein Job. Eher meine Berufung. Wie bei euch. Nurdass ich... dass ich nicht mein Leben...", ich rang um Fassung.Paul zog mich in seine Arme und strich mir beruhigend über denRücken. Tief durchatmend löste ich mich von seiner Brust und sahihn stumm dankend an. „Lass uns heim fahren.", flüsterte Paulund öffnete die Beifahrertür für mich.


Zuhauseangekommen stieg ich unter die Dusche und zog mir die kuscheligstenSachen an die ich in Pauls Schrank finden konnte. Als ich die Treppehinunter kam hörte ich Paul lachend. „Ist denn schonWeihnachten?". Ich sah verwirrte an mir herunter und mussteschmunzeln. Auf dem Pulli war ein Weihnachtsmann aufgestickt. „Dasist mir nicht aufgefallen, ich wollte einen kuscheligen Pulloveranziehen. Und weil meine Sachen ja in Flammen aufgegangen sind,musste halt dein Schrank dran glauben.". „Meine Sachen sind auchdeine. Und vielleicht sollten wir nächstes Wochenende mal shoppengehen. Ich bin ein guter Modeberater. Vor allem bei derUnterwäsche.", ein schelmisches Grinsen schlich sich in seinGesicht.


Erst wenn man ganz unten ist, weiß man was wichtig ist. Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt