Seine Worte zogen mir den Boden unter den Füßen weg. „Leukämie?", Pauls Stimme war hauchdünn. „Es wäre möglich ja. Aber auch eine Infektion oder ein Mangel an Vitaminen.", versuchte der Arzt zurückzurudern und uns ein wenig der Panik zu nehmen. „Das kann nicht sein. Mir geht es gut. Keine laufende Nase oder so. Und seitdem ich vom Krümel weiß, nehme ich auch Vitaminpräparate aus der Apotheke und von Ihnen ein.", ich schüttelte meinen Kopf. „Dann, wenn wir Ihre Kreislaufbeschwerden und die Hämatome an Ihren Extremitäten als Symptome ansehen, wird es mit großer Wahrscheinlichkeit die Leukämie sein. Ich schlage vor Sie fahren morgen früh in ein Krankenhaus um dort ein großes Blutbild machen zu lassen. Dort kann man dann im Fall der Fälle direkt eingreifen. Und bitte sein Sie nüchtern.", bat der Arzt mich und atmete tief durch. „Wenn es wirklich Leukämie ist, was ist dann mit unserem Kind?", Paul legte seine Hand, die meine immer noch umklammert hielt, auf meinen Bauch. „Das entschiedet sich dann. Aber die Erkrankung an sich stellt kein Risiko da. Die Behandlung dagegen...", Dr. Lang ließ den Satz unvollständig im Raum stehen. „Und was sollen wir jetzt machen?", ich brauchte Paul nicht anzusehen um zu wissen dass ihm die Tränen in den Augen standen. In mir war es leer. Ich spürte nichts. Weder als Dr. Lang noch mal erklärte dass wir uns erst Sorgen machen sollten, wenn auch der Bluttest im Krankenhaus auffällig wäre. Noch als wir uns verabschiedeten oder im Auto saßen und auf dem Weg zurück nach Hause waren.
Kaum steckte Paul den Schlüssel ins Schloss wurde die Tür schon von Stephan aufgerissen. Hinter ihm standen Jule, Hannah und Daniel und alle vier sahen uns sorgenvoll an. „Was ist es gewesen?", wollte mein bester Freund wissen, als ich stumm an ihm vorbei ging, die Treppe hoch und direkt ins zukünftige Babyzimmer. Dort zog ich den Hogwarts-Schuluniform-Onsie aus der Wickelkommode und presste ihn mir an die Brust. Als Paul in den Raum kam rutschte ich gerade an der blauen Wand hinunter und fing an zu schluchzen. Völlig überfordert setzte Paul sich neben mich und zog mich in seine Arme, wo ich meine Beine so gut es ging an die Brust zog und den Tränen endlich freien Lauf ließ.
„Paul? Daria? Ihr macht uns Angst.", Daniel war vor uns in die Hocke gegangen. „Ist was mit eurem Krümel?", Stephan rutschte neben mir die Wand hinunter und strich mir über den Hinterkopf. Hannah und Jule setzten sich jeweils rechts und links neben Daniel. Paul sah jeden unserer Freunde kurz an und atmete dann noch einmal tief durch: „Es kann sein dass Daria Leukämie hat.". „Was? Wie? Warum?", Hannah liefen schon jetzt die Tränen die Wangen hinunter. „Der Arzt hat was von geringen roten und weißen Blutplättchen geredet. Wir sollen morgen noch mal in die Klinik und dort ein Blutbild machen lassen. Dann haben wir Gewissheit.". „Das kann doch auch 1000 andere Gründe haben.", Jule versuchte das Gute zu sehen, aber ich hob meinen Kopf und sah sie mit verquollenen Augen an. „Das haben wir auch gedacht. Aber ein Vitaminmangel kann es nicht sein. Ich nehm doch extra die Mittel ein.", erklärte ich und vergrub mein Gesicht wieder in Pauls Armen. „Es muss einfach.", Stephan rutschte noch näher an mich und Paul heran und legte seinen Arm um uns. Auch Daniel, Hannah und Jule rutschten näher, sodass wir sechs einen Haufen bildetet in dem alle weinten.
Irgendwann schlief ich vor Erschöpfung ein und wachte erst auf, als Daniel im Flur telefonierte um sie alle bei Klaus für den gesamten Tag ab zu melden. „Nein kein Notfall. Wir haben nur alle die Nacht durchgemacht und können einfach nicht.", log er Klaus gerade an. Er lauschte der Antwort von seinem Vorgesetzten und fuhr sich durchs Gesicht. „Das müssen sie dir selber sagen.", als sein Blick auf mich fiel verabschiedete er sich von Klaus und setzte sich vor mich hin. „Das hättest du nicht tun müssen.", ich lächelte ihn traurig an. „Und wie ich das tun musste. Ich meine schau dir mal die anderen an.", er wies auf Jule und Hannah, die auf dem Teppich lagen und schliefen, Stephan der mit verschränkten Armen an der Wand gelehnt schlief und zum Schluss auf Paul, der mich noch immer festhielt. „Wag es ja nicht dich dafür zu entschuldigen.", ermahnte mich Daniel. „Du machst Paul und Stephan langsam Konkurrenz was das Gedanken lesen angeht.", diesmal lächelte ich ihn aufrichtig an. Wir blieben einige Zeit lang still sitzen und lauschten den gleichmäßigen Atemzüge von unseren Freunden.
„Wie spät ist es denn?", fragend sah ich Daniel an, der Hannah verliebt anlächelte. „Augenblick.", Daniel zog sein Handy der Hosentasche, „Es ist 7:32. Sollen wir die anderen wecken damit wir los können?". „Wir?", ich sah Daniel mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Natürlich, denkst du wir lassen euch allein?", brummte Jule und setzte sich auf. „Ihr müsst nicht...", fing ich an als auch Leben in Hannah kam. „Wir müssen nicht. Aber wir wollen.", sie rieb ihre Augen und lehnte sich an Daniel. „Ich hab euch so lieb.", flüsterte ich den dreien entgegen, als ich spürte wie Stephan mir seinen Arm auf die Schulter legte: „Ich hoffe damit meinst du auch mich.". „Wie könnte ich meinen Bodyguard vergessen.", lachte ich und wollte mich an Stephan lehnen, aber sobald ich mich bewegte drückte mich Paul noch näher an sich. „Paul wenn du sie nicht los lässt, braucht sie keinen neuen Bluttest mehr.", lachte Daniel und schnipste gegen Pauls Stirn um ihn aufzuwecken. „Was ist los?", alarmiert sah er sich um und ließ erst von mir ab, als er sicher war dass alles gut war.Zu sechs traten wir in die Notaufnahme der Klinik am Südring. Da ich zunehmend nervöser wurde, übernahm Paul das Reden. „Guten Morgen. Der Frauenarzt meiner Verlobten schickt uns. Bei einer Blutabnahme wurde festgestellt dass sie zu wenige rote und weiße Blutplättchen hat. Das würden wir gerne noch mal checken lassen.". Er klang als hätte er den Text im Kopf so oft gesagt, damit er es halbwegs sicher über die Lippen bekam. „Daria?", Oli kam auf uns zu und sah uns überrascht an. „Hey.", ich sah ihn traurig an. „Was ist los?", sein Blick wanderte zu Paul und unseren Freunden die mit einem Meter Abstand hinter uns warteten. „Mein Frauenarzt denkt ich hab Leukämie.", erklärte ich und biss mir auf die Innenseite meiner Wange. „Folgt mir bitte.", Oli nahm ein Klemmbrett vom Empfangstresen und führte uns in einen Behandlungsraum.
„So und nun erklärt mir genau was los ist.", bat der befreundete Arzt als Paul und ich uns auf die Behandlungsliegen gesetzt hatten. „Wir waren gestern bei meinem Frauenarzt. Dort wurde eine Blutabnahme gemacht bei der hervor ging, dass ich zu wenige rote und weiße Blutplättchen habe. Er meinte das könnte entweder ein Vitaminmangel sein oder Leukämie. Aber da ich, seit ich vom Krümel weiß, Vitaminpräparate nehme, kann es nur die Leukämie sein.", schilderte ich ihm alles und sah durch das Glasfester wie unsere Freunde im Flur auf und ab gingen.
„Aber das kann noch viel mehr Gründe haben.", Oli legte das Klemmbrett weg und zog eine Schublade auf, „Ich nehme dir erst mal erneut Blut ab und dann schauen wir weiter.".
Mit geübten Griffen zog er die notwenigen Sachen für eine Blutabnahme zusammen und suchte an meinem rechten Arm nach einer geeigneten Vene. „Sind heute wohl etwas schüchtern.", lachte er und wechselte zum linken Arm. „Wo wird dir denn sonst immer Blut abgenommen?", er klopfte weiterhin auf meinem Arm herum und sah mich skeptisch an. „Dort wo man als erstes eine Vene findet.", erklärte ich und atmete tief durch.
„Ich hab eine gefunden. Aber im Handgelenk und es könnte weh tun. Einverstanden?", Oli hob eine Augenbraue und sah mich abwartend an. Ich nickte und spürte kurz darauf schon die Nadel meine Haut durchstechen. „Autsch.", keuchte ich und kniff meine Augen zusammen. „Gleich vorbei.", versprach Oli und löste bereits den Stauschlauch an meinem Oberarm. Als ich endlich das erlösende Gefühl spürte, als der Arzt die Nadel aus meinem Arm zog, ließ ich mich gegen Pauls Schulter fallen. „Ihr wartet hier. Ich persönlich bringe die Probe ins Labor. Wir müssten die Ergebnisse in einer Stunde haben.", und kaum hatte Oli den Raum verlassen, stürmten unsere Freunde hinein.
„Was sagt er?", Stephan ließ sich neben mir auf die Liege nieder. „Er bringt die neue Blutprobe ins Labor, aber er...", fing Paul an zu erklärten, aber Hannah fiel ihm ins Wort: „Daria? Ist alles okay?". „Hmm.", brummte ich und spürte wie mein Kopf langsam von Pauls Schulter glitt. Daniel riss direkt die Behandlungsraumtür auf und brüllte: „Wir brauchen einen Arzt!", während Paul meinen Kopf festhielt und Hannah sanft gegen meine Wange schlug. „Bleib wach Daria!", hörte ich sie noch flehen ehe ich ohnmächtig wurde.
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Erst wenn man ganz unten ist, weiß man was wichtig ist. Teil 1
RomanceDaria arbeitet in einem Kindergarten. Sie ist glücklich. Bis sie eines Tages etwas beobachtet, dass sie nicht für sich behalten kann. Als sie sich einer Kollegin und ihrer Chefin anvertraut beginnt ein wahrer Albtraum aus dem es kein Entrinnen gibt.