„Ich weiß nicht was es ist, aber ich vertraue ihr."

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Als wir die Wache betratenversuchte ich mich ganz klein zu machen. Den Blicken nach zuurteilen, die mir Pauls, noch unbekannten, Kollegen zuwarfen, wusstenalle was passiert war. Stephan schien mein Unbehagen zu merken undblaffte seinen Kollegen an: „Habt ihr nichts besseres zu tun?!".Ertappt gingen die Polizisten zurück in ihr Büro.
Kurze Zeitspäter standen wir vor einer weißen Tür an der mit rotenKlebebuchstaben KTU stand. Nachdem Stephan kräftig an die Türklopfte war von innen ein „Herein" zu hören, also öffnete meinbester Freund die Tür und ließ Paul und mich vorgehen.
„OhPaul. Stephan. Ich hab auf euch gewartet.", begrüßte die blondeFrau die beiden Männer an meiner Seite. Dann wand sie sich an mich:„Sie müssen Frau Petrowa sein.". Ich nickte schwach und sah michin ihrem Labor um. Überall waren Reagenzgläser und Akten verteilt.„Ich bin Charly.", stellte sie sich vor und hielt mir ihre Handhin die ich vorsichtig ergriff und kurz schüttelte. „Was haltenSie davon wenn wir uns kurz allein unterhalten?", fragte sie undsah mich verständnisvoll an. Ich schüttelte panisch den Kopf unddrückte mich näher an Paul ran. „Hier kann Ihnen nichtspassieren. Paul und Stephan werden vor der Tür stehen.", erklärtemir die KTUlerin.
„Charly...", fing Paul an, aber ich viel imins Wort: „Okay.". Unsicher sah Paul mich von der Seite an. „Ichweiß nicht was es ist, aber ich vertraue ihr.", erklärte ich undblickte der Frau vor mir in die Augen. Sie lächelte mich dankbar an:„Ich danke Ihnen für den Vertrauensvorschuss. Sie werden es nichtbereuen.". Wiederwillig ließ Paul mich los und folgte Stephan inden Flur. Bevor er die Tür schloss sagte er „Du musst mich nurrufen, dann bin ich in zwei Sekunden wieder an deiner Seite, okay?".Er wartete mein Nicken ab und schloss die Tür.

Nervös sahich mich weiter im Raum und beobachtete Charly wie sie ein paarTupfer, Wattestäbchen und Umschläge auf ihren Schreibtisch legte.„Wollen wir erstmal harmlos anfangen?", fragte sie uns sah michabwartend an. „Okay.", murmelte ich. Sie wies auf einen Stuhl vorihrem Tisch. „Setzten Sie sich doch, Frau Petrowa.". „Bittenennen Sie mich Daria.", bat ich sie. „Natürlich. Duzen sie michdann bitte auch.", stimmte die Kriminaltechnische Ermittlerin mich.Nachdem ich mich auf den Stuhl gesetzt hatte, hielt sie mir ihre Handhin. „Ich werde jetzt Proben von dem nehmen, was unter deinenFingernägeln ist, okay?", erklärte sie. Vorsichtig legte ichmeine Hand in ihre und sah dabei zu wie sie mit einem kleinenHolzstäbchen unter meine Fingernägel fuhr und es immer wieder aneinem Tupfer abstrich. Danach nahm sie Proben von meinem Hals undmeiner Kleidung. „Jetzt müsste ich die Fotos machen.",informierte Charly mich, nachdem sie alle Tupfer und Stäbchen inunterschiedliche Umschläge verstaut hatte und diese sorgsambeschriftet hatte. „Warum Fotos?", fragte ich und zog mir PaulsSweatshirt-Jacke enger um meinen Körper. „Um später deineVerletzungen und den Zustand deiner Kleidung zu beweisen.",erklärte die Frau vor mir und hielt bereits eineSpiegelreflex-Kamera in der Hand. „Also hab ich Schuld?", hauchteich und war den Tränen nah. „Um Himmels willen nein, Daria.",erklärte sie und setzte sich mir gegenüber und legte mir vorsichtigeine Hand auf das Knie. „Niemand dem sowas wie dir passiert ist,ist Schuld. Selbst wenn du nackt rum gelaufen wärst, gibt esniemanden die Erlaubnis dich gegen deinen Willen anzufassen.".
Ichnickte und stand auf: „Können wir es schnell hinter uns bringen?".Charly sah mich wissend an und stand ebenfalls auf. In den nächstenzehn Minuten machte die gut drei duzend Fotos von mir und meinerKleidung. Auch von dem blauen Fleck auf meinem Bauch und demHandabdruck auf meiner Wange machte sie ein Foto.
„Ich sag ebenPaul bescheid dass du gleich Wechselwäsche brauchst.", hörte ichCharly sagen, als sie die Speicherkarte aus der Kamera holte und siein den Laptop stecke. Als sie meinen Blick sah, erklärte sie dassich meine Kleidung abgeben musste, da auch diese auf eventuelleSpuren untersucht werden musste. Mein Gesicht wurde kreidebleich alsich mir vorstellte gleich nackt vor einer Fremden zu stehen. „Ichhabe hier einen Sichtschutz daher werde ich nichts sehen.". Wiederwartete sie meine Reaktion ab und ging nach meinen zögerlichenNicken zur Tür und sprach kurz mit Paul und Stephan. Keine fünfMinuten später klopfte es an der Tür und Paul hielt einen HaufenKleidung durch die Tür hinein.

Nachdem auch meine Kleidungin einem großen Umschlag verstaut war und ich die Sportkleidung vonPaul trug, traten Charly und ich aus ihrem Büro. Stephan saß aufeinem der Stühle die im Flur standen und Paul tigerte auf und ab.Als die beiden mich sahen kamen sie auf uns zu. Paul zog mich wiederin seine Arme und Stephan unterhielt sich kurz mit Charly. Nachdemsie sich von mir verabschiedet hatte verschwand sie in ihrem Büround ich wurde von Paul und Stephan zum Büro von Herr Westerhovengeführt.
„Ah Frau Petrowa. Schön Sie wiederzusehen, wenn auchunter diesen Umständen.", begrüßte mich der Polizeioberkommissarund sah von seiner Akte auf. „Beruht auf Gegenseitigkeit.",antwortete ich und versuchte zu lächeln. „Setzen Sie sich.", bater und sah dann zu Stephan und Paul. „Da vorne stehen noch zweiStühle.".
Es dauerte nicht lange, bis ich meine Aussage zuProtokoll gegeben hatte. Gerade als wir uns verabschieden wollten,klopfte es an der Bürotür und Charly steckte Ihren Kopf in denRaum. „Störe ich?", fragte sie und blickte in die Runde. „Dustörst doch nie.", lachte Herr Westerhoven, „Hast du was füruns?". Mit wenigen Schritten stand die blonde Frau neben demPolizeioberkommissar und hielt ihm ein Tablet hin. „Frau Hoffmannvom Jugendamt hat von der Sache Wind bekommen und uns dasÜberwachungsvideo geschickt. Und wir haben einen Treffer mit derDNA.". Sofort griff ich nach Pauls Hand. „Schon gut. Ich binda.", flüsterte er mir zu und strich mir beruhigend über denUnterarm.
„Sieht man was darauf?", Stephan stand auf und liefim Raum umher. Als ich sah wie Charly Stephan ansah wusste ich dieAntwort ohne dass sie sie aussprach.

„Ich will es sehen.",bat ich und sah Herr Westerhoven bestimmt an. „Daria, ich glaubenicht dass es eine gute Idee ist. Auf jeden Fall nicht heute.",machte Paul seinen Vorbehalte deutlich. Ich sah zu meinem Freund undlächelte ihn traurig an: „Ich schaff das schon. Und je eher wirdie Sache aufklären desto früher kann ich damit abschließen.Außerdem wäre es doch mal was neues wenn wir einmal einen Täterfinden.". „Sicher?", wollte Paul noch mal sicher gehen und ichnickte.
„Dann wollen wir mal.", sagte Herr Westerhoven,klickte ein paar Mal auf dem Tablet umher und deutete auf den großenBildschirm der hinter ihm an der Wand hin.
Der Bildschirm auf dembisher das Polizeilogo von links nach rechts schwebte wurde schwarzund zeigte danach den Parkplatz vom Jugendamt. Als ich sah wie ichselber aus dem Jugendamt kam und mit dem Handy am Ohr hin und herlief drückte ich Pauls Hand noch fester. „Sie sagen es mir wennich stoppen soll, ja?", hörte ich Herr Westerhoven sagen. MeinenBlick immer noch auf den Bildschirm geheftet nickte ich mechanisch.
Gerade sahen wir auf dem Bildschirm wie ich mich suchend umsahund in die Richtung des Mauervorsprunges ging. Wenige Augenblickedanach sah man wie sich mir ein Mann näherte und wie er anfing michzu bedrängen. „Verdammter Mistkerl!", fluchte Paul und pressteseine Zähne zusammen und ich spürte wie mir Tränen über dieWangen liefen. Stephan war in der Zwischenzeit hinter mich und Paulgetreten und hatte uns jeweils eine Hand auf die Schulter gelegt.Sein Griff wurde immer stärker bis ich meine freien Hand auf seineHand legte. Stephan sah mich verwirrt an und schien dann zu verstehenund lockerte seinen Griff um dann „Das ist mein Mädchen!" zubrüllen als wir auf dem Video sahen wie ich dem Mann einen Tritt indie Weichteile gab und loslief.
Der Bildschirm wurde wiederschwarz und es war einige Minuten still im Raum denn niemand wusstewas er sagen wollte. Ich griff in die Taschentuchbox vor mir undputzte mir die Nase. Wieder war es einige Sekunden still bis ich sahwie Charlys Mundwinkel zuckten. Auch Herr Westerhoven musste sich einLachen verkneifen. „Lacht ruhig. Die Kinder in meiner Gruppe sagenauch immer dass ich mich beim Nase putzen wie ein Elefant anhöre.",erwähnte ich und musste selber schmunzeln. Augenblicklich fingenCharly und Herr Westerhoven an zu lachen, auch Stephan und Paulfingen, wenn auch etwas verhaltener, an zu lachen.

„So Leides mir tut, aber ich muss die Stimmung leider zerstören.", sagteHerr Westerhoven als das Lachen allmählich verstummte und hieltwieder das Tablet in der Hand. „Ich zeige ihnen gleich fünfBilder. Wenn Sie den Täter sehen, sagen Sie mir einfach Bescheid.Okay?", fuhr er fort. Ich nickte und umklammerte erneut Pauls Handals wäre er mein Rettungsanker.
In dem Moment, in dem das Tabletvor mir lag, erkannte ich den Täter direkt wieder. „Nummer 4.",keuchte ich und stand auf. Ich musste einfach Abstand zwischen unsbringen auch wenn es nur sein Foto war. „Das reicht für heute. Ambesten fahren Sie heim und schlafen sich aus. Wir melden uns wenn wirnoch was brauchen.", erklärte Herr Westerhoven.

Erst wenn man ganz unten ist, weiß man was wichtig ist. Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt