„Wir haben Leon getroffen."

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Es tut mir leid. Wirklich. Ich hoffe ihr seid mir nicht böse...
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„Du bist wunderschön.",hauchte Paul mir ins Ohr, als er mich umarmte. Er und Stephan standenbeide in schwarzen Anzügen vor uns, Hannah, Jule und ich trugenunsere neuen Kleider. „Dornröschen.", begrüßte mich auchStephan. Als er mich in eine Umarmung zog, zuckte ich kurz zusammen.„Alles gut?", fragte mich der Polizeioberkommissar. Ich nickteund sah wie mich meine Freundinnen prüfend ansahen. Seitdem wir dasCafé verlassen hatten, ließen die beiden mich keine Sekunde alleinoder aus den Augen.
Paul hielt mir seinen Arm hin:" Lass unsgehen, die anderen warten auf uns.". Ich harkte mich ein und gingmit Paul, Stephan, Jule und Hannah in Richtung Halle. Paul und ichwaren so in ein Gespräch vertieft, dass ich nicht merkte wie Juleund Hannah sich bei Stephan unter harkten und sich zurückfallenließen.
Als Paul mir die Tür aufhielt, sah ich nach hinten undsah wie Stephan mich eindringlich ansah, und seine Fäuste ballte.Obwohl ich wusste, dass die beiden Polizistinnen meinem besten Freundgerade von unserer Begegnung mit Leon berichteten, versuchte ich mirnichts anmerken zu lassen.
„Kommt ihr?", rief ich den dreienzu und sah wie Stephan losstürmen wollte, Jule ihn aber zurückhielt. Sie wechselten rasch ein paar Worte und Stephan schüttelteden Kopf. „Leute?", rief nun Paul und ließ die Eingangstür, dieer noch aufgehalten hatte, los.
Wir gingen auf unsere Freunde zuund meine Freundinnen sahen mich entschuldigend an. „Also, was istlos?", wollte Paul wissen und ließ seine Hände in dieAnzugshosentaschen gleiten. „Es ist alles gut.", antworteteHannah und vermeid jeden direkten Blickkontakt zu Paul. „NetterVersuch, Hannah. Will es noch jemand probieren?", durchschaute Paulihre versuchte Lüge.
Mit jeder Sekunde die verging, spannte Paulsich merkbar an.
Gerade als ich all meinen Mut zusammengenommenhatte um Paul alles zu erzählen, hörten wir Klaus über denParkplatz unsere Namen rufen.
„Wir kommen gleich.", rief Paulüber seine Schulter und fixierte mich mit seinem Blick. „KeineGeheimnisse.".
„Wir haben Leon getroffen.", nuschelte ichund konnte Paul nicht ansehen. Es dauerte einen Augenblick bis Pauldiese Information verarbeitet hatte. „Was meinst du mitgetroffen?", knurrte er und ich sah wie er seine Faust in derHosentasche ballte. Ich wich unwillkürlich zurück. Augenblicklichentspannte Paul sich und sah Hannah und Jule an. „Er hat siebegrabscht.", antwortete Hannah an meiner Stelle. „Bitte was?!",entfuhr es Paul und er sah mich sauer an, „Warum sagst du mir dasnicht?". „Ich wollte dir den Tag nicht versauen.", antworteteich wahrheitsgemäß. „Du wolltest mir den Tag nicht versauen?!",blaffte er mich an. „Ich wollte es dir nach der Party erzählen.Wir haben doch einen schönen Abend verdient, nach all dem...",versuchte ich mein Vorgehen zu erklären, Paul aber fuhr mir insWort. „Gott ich fass es nicht. Ich liebe dich. Wirklich. Abermanchmal würde ich dich gerne...", brüllte er und kam einenSchritt auf mich zu, hielt dann aber in der Bewegung inne. Ichstarrte ihn mit großen Augen an. Mein Gesicht wurde kreidebleich undmein Gehirn schaltete auf Autopilot.
Noch ehe Paul was sagenkonnte, im Bruchteil einer Sekunde, drehte ich mich auf dem Absatz umund lief los. Ich lief immer weiter, obwohl meine Lunge nach einigenMetern anfing zu brennen. Ohne langsamer zu werden, schlüpfte ichaus den Schuhen und lief barfuß weiter. Paul und Stephan liefenhinter mir her, ich konnte ihre Rufe hören, aber ich weiß nichtwoher ich die Energie hatte, aber ich lief und lief und lief.
Irgendwann verstummten ihre Rufe. Ich bog noch ein paarmal ab umganz sicher zu gehen, dass sie mir nicht mehr folgten, und ließ michauf eine Gartenmauer sinken. Keuchend blickte ich mich um undversuchte herauszufinden wo ich war. Leider kam mir nichts bekanntvor. Innerlich fluchend stand ich wieder auf und ging langsam weiter.Meine Handtasche hatte ich fallen lassen, als Paul mich anbrüllte.Und darin war mein Handy, somit konnte ich weder um Hilfe rufen nochden Weg nach Hause herausfinden.
Während ich ziellos umherirrteging ich im Kopf immer wieder die Geschehnissen von vor wenigenMinuten durch. Ja, ich hätte Paul direkt sagen sollen was los ist,aber war das Grund genug dass er mich anbrüllte und mir drohte?
Ichweiß nicht wie lange ich umherlief, als ein Wagen neben mirlangsamer wurde. In meinem Kopf spielten sich sämtlicheHorrorszenarien ab. Über eine weiteren Angriff von Ela, über Leonder mich erschoss bis hin zu den beiden zusammen die mich entführten.

Ich wollte gerade wiederlosrennen, als ich Paul sanft meinen Namen sagen hörte, nachdem erausgestiegen war. „Bitte bleib stehen.", bat er. Ich kam seinenWunsch nach, drehte mich aber nicht zu ihm um.

Der Wagen, der uns bisgerade, im Schritttempo, gefolgt war, überholte uns nun und parktein einer freien Parkbucht. „Ich lege dir meine Jacke um.", hörteich Paul sagen und kurze Zeit später spürte ich wie er mirvorsichtig seine Anzugsjacke um die Schultern legte.
„Darf ichdich in den Arm nehmen?", fragte er und da ich seinen Schmerz inder Stimme hörte, nickte ich kaum merkbar. Kaum spürte ich seinestarken Arme um meine Schultern, drehte ich mich in der Umarmung umund schlang meine Arme um ihn. Er drückte mich fester an sich. „Ichweiß nicht warum ich wieder so ausgerastet bin. Ich konnte einfachden Gedanken nicht ertragen, dass er dir wieder so nah kam und ichdir nicht helfen konnte.", murmelte Paul eine Entschuldigung inmeinen Haaransatz. Ich löste mich von ihm und Paul ließ michwiederwillig los. „Es ist nicht deine Schuld Paul.", ichschüttelte den Kopf und schluckte den dicken Kloß in meinem Halshinunter. „Aber...", fing Paul an, ich aber hob meine Hand undbrachte ihn so zum verstummen.
„Ich bin nicht gut für dich,Paul. Ich meine sehe uns doch mal an. Du musst bei jedem Satz, beijeder Bewegung Angst haben, dass ich wieder eine Panikattackebekomme. Dass ich durchdrehe nur weil ein Mann die kleinsteÄhnlichkeit mit Leon hat. Das hast du nicht verdient. Du hastverdient glücklich zu sein. Eine Freundin zu haben die dichglücklicher macht, und nicht eine die dich mit in ihr Verderbenzieht. Du bist ein so wundervoller Mann. Du bist liebevoll,humorvoll, stark, intelligent, ein Fels selbst in der stärkstenBrandung und der beste Freund den ich mir je hätte vorstellenkönnte. Und ich? Ich bin kaputt. Es tut mir leid, aber es ist aus.",es brach mir das Herz, aber ich riss mich von Pauls tränenerfülltenAugen los, drehte mich um und ging weg.




Erst wenn man ganz unten ist, weiß man was wichtig ist. Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt