Kapitel 278

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Bis jetzt konnte ich die Situation, in der wir uns gerade befanden ziemlich gut vergessen, aber jetzt ging es ans gemeinsame Abendessen. Mein Vater verteilte das Fleisch und gab mir einen Hähnchenspieß. Ich nahm mir noch ein ganz bisschen Nudelsalat und starrte meinen Teller dann an, während sich die andern noch alles auffüllten. Wincent bemerkte das natürlich sofort und legte seine Hand vorsichtig auf meinen Oberschenkel. „Nur so viel, wie du magst.", flüstere er leise in mein Ohr, während er nach einer Soße griff. Ich schaffe das. Wir wünschten uns allen einen guten Appetit und begannen zu essen. Die ersten Bissen gingen sogar noch ganz gut, doch dann begann für mich mal wieder der Kampf mit dem Essen. Gabel für Gabel versuchte ich irgendwie so viel, wie möglich, von meinem Teller zu essen, aber nach etwas mehr, als der Hälfte war einfach Schluss, es ging nicht mehr. Ich legte mein Besteck beiseite, aber zum Glück sagte Niemand was. Ich trank noch einen Schluck und lehnte mich dann ein wenig zurück. Auch Franzi war relativ bald mit dem Essen fertig, hatte aber einfach schneller gegessen. Wincent schnappte sich noch mein letztes Stück Fleisch und lehnte sich dann, mit seinem Bier in der Hand, ebenfalls zurück. Vorsichtig griff er nach meiner Hand und verschränkte unsere Finger miteinander. Wir unterhielten uns alle noch ein eine Weile, wobei zum Glück Niemand mein Essverhalten kommentierte. 

Irgendwann verabschiedeten Wincent und ich uns dann aber auch, da wir von der Fahrt doch ziemlich müde waren. Mein Vater versicherte mir nochmal, sich sofort bei mir zu melden, sobald es etwas Neues von Jeremy gibt, bevor wir ins Auto stiegen und wieder zur Wohnung fuhren. Während der Fahrt war mich einfach nicht nach Reden zu Mute und so drehte ich das Radio etwas lauter und lauschte der Musik.

In der Wohnung angekommen ging ich erstmal duschen, schminkte mich ab und machte mich komplett bettfertig. Wincent kam zwischendurch Zähneputzen, verschwand dann aber auch wieder. Als ich fertig war, ging ich ins Schlafzimmer, wo Wincent schon im Bett lag und mich anlächelte. Ich kroch sofort zu ihm unter die Decke und kuschelte mich an seine Brust.

I: „Was ein Tag."

W: „Das kannst du laut sagen."

I: „Vor allem, dass ich genau heute von Pauls Freundin erfahren muss."

W: „Das Timing war schon scheiße."

I: „Er wollte sie nicht früher vorstellen, weil sie gerade erst 18 geworden ist."

W: „Paul ist doch auch zwanzig oder?"

I: „Ja."

W: „Oh Gott. Wenn ich mir überlege, dass Shayenne irgendwann einen fast drei Jahre älteren anschleppt."

I: „Schatz. Ich bin auch zwanzig."

W: „Das ist was anderes."

I: „Mein großer Bruder fand das nicht so geil."

W: „Ja okay, es ist nichts anders, aber du warst schon volljährig."

I: „Ja, das ist aber auch nur eine Zahl. Ist ja auch egal, aber denk bitte immer erst an Shayenne, bevor du Drama machst, okay?"

W: „Ich werde an deine Worte denken."

I: „Gut.", murmelte ich und sah ihm in die Augen. „Wir haben da heute noch was angefangen.", flüsterte ich dann und legte meine Lippen auf seine. Langsam begann ich ihn zu küssen und rutschte auch ein Stück dichter an ihn ran. Wincent erwiderte den Kuss auch, jedoch ziemlich vorsichtig. „Isa, warte mal.", sagte Wincent dann leise und ich sah ihn irritiert an. „Willst du das wirklich? Ich möchte nicht, dass du irgendwas mir zur Liebe machst.", flüsterte er und setzte sich auf. Wow, das denkt er? „Warum?", fragte ich leise und sah zu Wincent hoch. „Weil das so plötzlich kommt. Die letzten Wochen war das alles auf ein Minimum reduziert.", erwiderte er. „Ich weiß, dass das für dich auch nicht einfach ist und vor allem schwer zu verstehen ist. Jeremy und unsere Eltern heute zu sehen, hat mir gezeigt, dass ich weiterleben muss. Alle schaffen es halbwegs normal weiter zu machen, nur ich nicht. Bis jetzt. Und das du jetzt wirklich die ganze Wahrheit kennst, macht es mir noch ein bisschen leichter.", endetet ich und Wincent sah mich an. „Das höre ich gerne.", lächelte er dann schließlich und legte seine Lippen vorsichtig auf meine. „Aber ganz ehrlich. Ich bin echt verdammt müde.", ergänzte Wincent dann und strich mir über die Wange. Ja gut, er hat Recht. Er ist die ganze letzte Nacht gefahren und eigentlich bin ich auch ziemlich fertig. Ich schaltete die Lampe auf und kuschelte mich dann fest in Wincents Arme. Nach einem „Ich liebe dich" waren wir dann beide auch schon weg.

„Schatz aufwachen.", flüsterte Wincent in mein Ohr und begann an meinem Ohrläppchen zu knabbern. Jetzt schon? Ich bin noch so müde. Das wollte ich Wincent in einem unverständlichen Brummen verkünden, was ihn nur zum schmunzeln brachte. „Ich fand es schöner, als du noch nicht so zum Frühaufsteher mutiert bist.", stellte ich dann fest und drehte mich um. Der ist ja sogar schon geduscht. „Ich finde das gar nicht so schlecht.", erwiderte Wincent und zog mich fest in seine Arme. Kopfschüttelnd kuschelte ich mich an seine nach Duschgel riechende Brust und schloss meine Augen wieder. „Nah, nicht einschlafen.", ermahnte Wincent mich sofort und legte seine Finger unter mein Kinn. Ich bekam einen sachten Kuss auf die Lippen gedrückt, bevor Wincent sich aus dem Bett rollte und begann sich anzuziehen. Knurrend stand ich ebenfalls auf und wanderte erstmal ins Bad.

Nach einer Ladung kaltem Wasser im Gesicht war ich schon deutlich wacher und zog mich an. In München ist es momentan ziemlich warm, weswegen ich mir eine schwarze Paperback-Hose und ein rosanes, bauchfreies Spitzentop aussuchte. Darüber zog ich noch einen schwarzen Cadigan und schmiss meine Sachen wieder in meine Handtasche. Schminken kann ich mich auch im Studio, außerdem sind die Sachen ja eh noch im Auto. „Können wir?", kam Wincent wieder rein und bleib im Türrahmen stehen. „Vielleicht sollten wir doch hier bleiben.", murmelte er dann und zog mich an meiner Strickjacke zu sich. „Ne, jetzt gehts ins Studio.", erwiderte ich und drückte ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen. Wir zogen uns Schuhe an und gingen dann runter zum Auto. Auf der Fahrt unterhielten wir uns ein wenig über den Tag.

I: „Also, was habt ihr heute geplant?"

W: „Ein bisschen schreiben, heute ist ja der letzte Tag, an dem Fabi da ist und hoffentlich auch schon was aufnehmen. Irgendwann hab ich heute auch noch ne Vorbesprechung für morgen."

I: „Was ist morgen?"

W: „Ach stimmt, das hab ich dir noch gar nicht erzählt. Ich darf bei SWR 3 moderieren."

I: „Das ist cool."

W: „Was machst du heute?"

I: „Hab zwei Vorlesungen und ansonsten mal sehen. Vielleicht mache ich ja mal ein Q&A."

W: „Mach das. Damit rennst du bestimmt offene Türen ein. Und wenn du Zeit hast, kannst du uns bestimmt helfen."

I: „Weil ich da ja auch Ahnung von habe."

W: „Ne, aber du sagst manchmal Sachen, die mich echt inspirieren."

I: „Du bist halt schon süß."

W: „Und du erst."

Mit einem Lächeln sah ich zu Wincent und konnte gar nicht anders, als meine Hand auf seinem Oberschenkel zu platzieren. „Ich weiß, du willst wahrscheinlich nicht drüber reden, aber weißt du schon, wann sie Jeremy wecken?", fragte Wincent und sah einmal schnell unsicher zu mir. „Gegen Mittag sollte es Neuigkeiten geben.", antwortete ich kurz und sah aus dem Fenster. Strahlend blauer Himmel, der Tag muss einfach irgendwie gut werden. Ich atmete einmal tief durch und wischte mir die Träne von der Wange, die sich schon wieder ihren Weg gesucht hatte. Mittlerweile waren wir schon fast da und ich freute mich auf ein bisschen Ablenkung. 

Schicksal oder Pläne //Wincent Weiß FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt