Kapitel 296

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„Isa? Geht es dir gut?", fragt er und mustert mich kritisch, während ich gedankenverloren in seinem Zimmer stehe. „Ja... geht schon. Nur heute vor drei Jahren bekamen wir die Diagnose.", flüsterte ich mit Tränen in den Augen und starrte auf mein Armband. „Aber jetzt ist er doch wieder gesund. Ich verstehe gar nicht, dass du das Armband immer noch trägst und dich davon ständig runterziehen lässt. An dem Tag war das, an dem Tag war das... aber die wirklich wichtigen Daten vergisst du. Gestern war unser Jahrestag und du hast es nicht mal mit einem Wort erwähnt.", sagte er und ich hörte die Enttäuschung in seiner Stimme. „Du weißt doch gar nicht, wie schlimm das alles früher wirklich war, aber hier bitte.", weinte ich, riss mir das Armband von Handgelenk und legte es auf seinen Schreibtisch. „Isa bitte, so war das doch nun auch nicht gemeint.", flüsterte er leise und zog mich ins eine Arme. „Schon gut.", murmelte ich und sah ihm in die Augen. Wie schon die letzten Wochen fühlte ich fast nichts. Immer wieder dachte ich, wir bekommen das noch hin, ich bekomme das noch hin, aber ich glaube langsam nicht mehr, dass ich das schaffe. Innerlich seufzte ich, äußerlich lächelte ich, während unsere Lippen sich trafen und ich mal wieder alles nur über mich ergehen lasse. Sex gehört zu einer Beziehung, das kann ich Marius einfach nicht verwehren.

Eine halbe Stunde später konnte ich mich endlich an seine Brust kuscheln und versuchte zu schlafen. Lange geht das hier nicht mehr gut... lange mache ich das nicht mehr mit.

„Isa?", riss Hannah mich aus meinen Gedanken und rüttelte an meiner Schulter. „Hm.", machte ich nur und starrte sie erschrocken an. „Was ist los?", fragte sie besorgt und sah mich an. „Ich hatte gerade ein Flashback, an unsere letzte Nacht. Ich wusste doch schon lange, dass ich das nicht mehr will.", sagte ich leise und Hannah nickte. „Wenn du möchtest kann ich auch zu ihm fahren.", bot sie an, doch ich lehnte sofort ab. „Das muss ich schon selber machen, aber ich will vorher mit Wincent reden.", erwiderte ich und sie nickte. Wir versuchten noch mehrmals ein normales Gespräch zu beginnen, doch ich war nie ganz bei der Sache. Als Wincent dann wieder kam, lächelte Hannah mich einmal aufmunternd an und verabschiedete sich.

„Und? Alles geklärt?", fragte Wincent und schmiss sich neben mich aufs Sofa. „Naja...", begann ich zögerlich. „Lass mich bitte erst ausreden, bevor du irgendwas dazu sagst.", sagte ich und Wincent nickte. „Ich habe mit Marius telefoniert und er zieht um. Seine Mutter ist überraschend gestorben. Er hat noch eine Sache von mir, die mir verdammt viel bedeutet. Ich würde das gerne heute Abend noch abholen.", wurde ich zum Ende immer leiser und sah vorsichtig in Wincents Gesicht. „Was ist das denn?", fragte er zurückhaltend. „Ein Armband, was Jeremy mir in seiner Reha gebastelt hat. Ich habe es fast nie abgelegt, außer kurz vor unserer Trennung. Ich dachte eigentlich ich hätte es verloren, aber er hat es immer aufbewahrt.", gestand ich leise. „Möchtest du alleine hin, oder soll ich mit?", fragte Wincent und nahm meine Hand. Keine Diskussion? Kein Warum? „Ich denke, es wäre gut, wenn du im Auto wartest.", erwiderte ich leise und er nickte. „Wann willst du los?", fragte er und ich sah auf die Uhr. „Gleich. Ich schreib ihm schnell und geh nochmal kurz ins Bad.", sagte ich und tat das auch gleich. Ich wusste nicht, ob es richtig war, eigentlich wollte ich Marius nie wieder sehen, aber die Situation gerade ändert alles.

Wenig später saßen Wincent und ich im Auto und ich hatte das Gefühl, dass er ziemlich entspannt war. Er weiß, was ich für ihn fühle und dass da Niemand gegen ankommt, aber dass er so ruhig ist, hatte ich nicht gedacht. Ich hingegen war ziemlich durch den Wind, vor allem nach meinem Flashback eben. Ich hatte die Adresse ins Navi getippt und starrte nun auf die Straße, während Wincent fuhr. Nachdem er geparkt hatte schnallte ich mich ab und starrte das Haus an. Hier hatte ich so viel erlebt. Mein erster Freund, mein erster Kuss, mein erstes Mal, aber auch mein erster großer Beziehungskrach und am Ende meine erste Trennung. Hatte ich damals wirklich gar keine Gefühle mehr für ihn? Ja, die Trennung fiel mir leicht, aber war es nicht doch nur vergessen und verdrängen?

Schicksal oder Pläne //Wincent Weiß FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt