Sternennacht

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Look up at the stars
They're like pieces of art
Floating above the ground
You know we could fly so far, the universe is ours
I'm not gonna let you down
~
I am feeling so lucky (lucky lucky lucky)
The sun shining down on me (on me, on me, on me)
Got these angels all around me
I'll never be alone

(Look Up At The Stars - Shawn Mendes)


Nach der Begegnung mit meinem Erzeuger bin ich gedankenverloren durch die Gegend gelaufen und habe eine Art Spaziergang gemacht, bei dem ich versucht habe, mich von dieser ganzen Situation abzulenken und an etwas anderes zu denken. Doch es fällt mir schwer all das und die vielen Jahre, die ich hier verbracht habe aus meinem Kopf zu drängen. Immer wieder schleichen sich die Erinnerungen vor mein Auge, ohne dass ich etwas groß dagegen unternehmen kann. Das ich ausgerechnet an diesem Ort bin, wo all das passiert ist, trägt höchstwahrscheinlich einen großen Teil dazu. Auch wenn ich mich erst nicht so gefühlt habe, als ich den Wald verlassen habe, nimmt mich diese ganze Sache doch mit. Anfangs hat es sich sehr befreiend angefühlt ihm die Meinung zu sagen und ihn zu besiegen, das ist es immer noch, aber dieses Gefühl scheint eher in den Hintergrund gerutscht zu sein. Ich fühle mich etwas wie ausgelaugt, dabei war es gar nicht mit allzu großer körperlicher Kraft verbunden, aber mit geistiger. In den Angstsimulationen der Ferox war er eine meiner Ängste und auch wenn ich stärker und mutiger geworden bin, kann ich nicht mit einem Mal diese Angst überwinden. Mein Adrenalin hat diese vorhin verdrängst, sodass ich kaum darüber nachgedacht habe, aber sie ist immer noch tief in meinem Inneren da. Sie wird mich einige Zeit, wenn nicht sogar mein ganzes Leben begleiten. Sie wird immer unbewusst in mir schlummern, wodurch ich mich jetzt wohlmöglich auch so ausgelaugt fühle, wobei das Training heute auch etwas von meiner Kraft gekostet hat. Doch ich habe gelernt damit umzugehen und ich werde es noch weiter lernen. Das Training der Ferox hat auf jeden Fall etwas gebracht, denn ich habe mich nicht von meiner Angst leiten lassen und sie hat mich in der Situation auch nicht überfallen. Denn noch bleibt sie ein Teil von mir und macht mich so aus wie ich bin.

Ich streife etwas über die Felder der Amite, die weiter abgelegen von der Siedlung sind. Ich bin nicht in der Stimmung Mitglieder der friedfertigen Fraktion zu begegnen, vor allem da einige nicht so friedfertig sind, wie sie eigentlich sein sollten. Außerdem kann ich mir vorstellen das dort gerade ein ziemlicher Tulmult ist, aufgrund der Verletzung, die ich meinem Vater zugezogen habe. Es besteht immer noch die Möglichkeit das er die Wahrheit sagt und es mir andreht und wie immer die Schuld daran gibt, dies wäre allerdings ziemlich dumm von ihm. Ich würde es auf jeden Fall nicht leugnen, doch dann erfahren alle davon, wie er wirklich ist und da ich einen Feroxanführer an meiner Seite habe, der unter anderem ziemlich gewaltbereit ist, würde es außerdem noch um einiges leichter sein. Er würde sowas von unter gehen, doch um sein wahres Ich zu verhüllen wird er lügen und erzählen das es ein Arbeitsunfall war, ein ziemlich ungeschickter.

Zum Abend hin kehre ich zurück in unsere Unterkunft, schnalle das Holster mit den Messern ab und reinige das von blutbeschmierte Messer unter dem Waschbecken. Auch wenn das Treffen der Anführer wahrscheinlich schon zu Ende ist, ist Eric nicht hier und draußen habe ich ihn auch nicht gesehen. Vielleicht muss Eric sich erst austoben und ist eine Runde laufen gegangen, auch wenn ich ihn bei meinem Spaziergang nicht gesehen habe, was wahrscheinlich daran liegt das das Geländer der Amite sehr groß und weitläufig ist. Nachdem das Messer von dem getrockneten Blut gereinigt ist, lege ich es zurück zu den anderen und gehe anschließend selbst duschen.

Frisch gewaschen und angezogen lege ich mich auf das Bett und schließe für einen Moment die Augen. Doch nach kurzer Zeit öffne ich sie wieder, da Momente aus meiner Vergangenheit wie ein Film vor meinem inneren Auge ablaufen. „Da bist du ja“, begrüßt mich Eric, der die Tür aufgerissen hat und zu mir kommt. „Ich habe dich gesucht, du warst nicht hier und an deinem Baum warst du auch nicht.“ Dann haben wir uns wahrscheinlich genau verpasst, auch wenn ich nicht an dem Baum war, da ich meine innere Unruhe durch einen Spaziergang vertreiben wollte. „Ich war spazieren“, sage ich, wobei meine Stimme tonlos klingt. Neben mir senkt sich das Bett, da sich Eric zu mir setzt und mich zu sich zieht. „Lass mich raten, dein Vater hat sich nicht bei der Arbeit verletzt?“, fragt Eric und bringt es auf dem Punkt. „Ich habe ihn ein Messer in den Fuß gerammt“, sage ich ihn. Bei der Erinnerung daran stellt sich bei mir ein Gefühl der Stärke ein. Auf Erics Gesicht breitet sich ein Grinsen aus. „Ich bin stolz auf dich“, mit diesen Worten drückt er mir einen Kuss auf den Scheitel und mustert mich daraufhin von oben bis unten. „Bist du verletzt?“, fragt er und sucht mit seinem Blick nach Verletzungen. Ich schüttle den Kopf, da ich meinem Vater kaum eine Chance gegeben habe mir körperlich wehzutun. „Willst du darüber reden?“, fragt er mich daraufhin. „Nachdem ich was gegessen habe, vielleicht.“ Eric steht auf, reißt das Fenster auf, blickt sich kurz um und befehlt dann lautstark einem Amite uns das Abendbrot zu bringen. Das ist wieder mal so typisch, aber dafür mag ich ihn unter anderem. Es ist mir recht, dass wir hier Essen und nicht bei all den anderen, denn ich habe keine Lust angesprochen zu werden oder allgemein unter anderen Menschen zu sein. Wobei das Angesprochen werden ziemlich unwahrscheinlich mit Eric an meiner Seite ist, da sich so gut wie alle hier vor ihm fürchten.

Ich schiebe das Fenster hoch und blicke auf das Dach des Stalles, an dem die kleine Wohnung liegt. Das Dach ist gut von dem Fenster erreichbar und die Dachschräge, kann man kaum Dachschräge nennen, sodass die Wahrscheinlichkeit des Abrutschens ziemlich gering ist. Ich setze mich auf das Fensterbrett, schwinge die Beine raus und stelle mich auf das Dach. Außerdem bin ich eine Ferox, da wird mir ein Dach, welches nicht sehr hoch ist, nichts anhaben, vor allem da ich bereits gefährlichere Dinge gemacht habe, wie beispielsweise aus fahrenden Zügen auf ein Hochhausdach springen, da hält mich dies nicht ab, mich auf das Dach zu setzen. Vorsichtig gehe ich ein Stück, bis ich mich auf die, von der Sonne erwärmten Ziegel setze. Ich lege den Kopf in den Nacken und betrachte den Sternenhimmel.

Nachdem Eric mit dem Duschen fertig ist, braucht er nicht lange, um mich zu finden und ohne zu zögern, wie wir Ferox es machen, steigt er ebenfalls auf das Dach und setzt sich mit zwei Flaschen in der Hand zu mir. Eine dieser Flaschen reicht er mir, nachdem er sie für mich geöffnet hat und prostet mir zu. „Wo hast du das her?“, frage ich ihn, da die Amite eigentlich kein Bier trinken. „Ich habe einen Vorrat mitgebracht, ohne Alkohol ist das bei den Gemüsefressern nicht auszuhalten.“ Daraufhin trinkt er einen weiteren großen Schluck. „Woher wusstest du eigentlich das sich mein Vater nicht bei der Arbeit verletzt hat?“, frage ich ihn und trinke ebenfalls etwas aus meiner Flasche. „Von dem was ich mitbekommen habe, hat er zwei verschiedene Geschichten erzählt. Mir ist zu Ohren gekommen das er gesagt haben soll das er sich beim Holzschlagen im Wald mit einer Axt in den Fuß geschlagen hat, aber auch das er sich beim Umgraben eines Ackers verletzt hat. Dazu passt seine Verletzung aber nicht und außerdem hat er ein Mal am Hals, welches unwissende nicht wahrnehmen werden. Du hast ihm also das Messer gegen die Kehle gedrückt nehme ich an.“ Mal wieder bin ich beeindruckt von dem was Eric mitbekommt und daraus schließt. Er war ein Ken und ist jetzt ein Ferox, das erklärt einiges. „Was ist passiert?“, fragt Eric mich und ich erzähle ihm alles was im Wald passiert ist.

„Ich bringe ihn um“, knurrt Eric neben mir und macht Anstalten aufzustehen, doch ich halte ihn am Arm fest. „Beschmutze nicht deine Hände mit seinem Blut, das ist er nicht wert“, versuche ich ihn aufzuhalten. „Du musst das nicht meinetwegen tun, ich hätte es heute selbst tun können.“
„Er hat es verdient zu sterben.“ Eric bleibt neben mir sitzen, auch wenn er am liebsten aufstehen würde und mein Vater suchen würde. „Ich weiß, aber… ach ich weiß auch nicht“, seufze ich und lehne meinen Kopf an Erics Schulter. „Du bist einfach zu gutmütig.“ Das ist gut möglich, denn ich bin ziemlich zwiegespalten was das angeht. Auf der eine Seite bin ich auch dafür, immer hin hat er mich mein ganzes Leben lang gequält. Auf der anderen Seite ist er aber auch ein Mensch, zwar kein guter, aber er ist einer. „Er ist vermutlich ein Unbestimmter, das wäre ein weiterer Grund ihn zu töten“, wirft Eric ein. Ein Unbestimmter, wenn ich so darüber nachdenke, hat Eric wahrscheinlich recht. Es wird gesagt das Unbestimmte gefährlich sind und das System gefährden, in gewisser Weise trifft das auch auf meinen Vater zu. Ich bin immer davon ausgegangen das er einfach ein böser Mensch ist, aber das erklärt einiges. „Das würden meine vier Prozent erklären“, schlussfolgere ich leise. Eine Gemeinsamkeit mit meinem Vater, auf die ich gerne verzichten würde, doch ich bin das komplette Gegenteil. Ich bin zwar in gewisser Massen auch unbestimmt, doch geht von mir keine Gefahr für das System aus, denn ich mag unsere Stadt eigentlich. Doch das scheint nicht bei allen Unbestimmten so zu sein. „Gut möglich, die Ken erforschen noch die Vererbung. Ich lasse ihn überprüfen, wenn wir wieder zurück sind. Dann haben die Ken eine neue Versuchsratte, aber keine Sorge, dir wird nichts passieren.“

Ich löse mich wieder von Erics Schulter und lege mich auf den Rücken, um zum Himmel zu gucken. „Sieh dir diese Sterne an, sind sie nicht wunderschön?“, lenke ich vom vorherigen Thema ab. „Sie haben mir immer gezeigt das ich nicht alleine bin.“ Eric betrachtet mich, legt dann den Kopf in den Nacken und guckt ebenfalls in den Himmel. „Kleine Kunstwerke die über uns schweben. Sie sind wunderschön und einzigartig, doch oft vergessen wir das sie existieren. Wir legen viel zu wenig den Kopf in den Nacken und betrachten den Himmel.“ Während ich das sage und weiter in den Sternenhimmel blicke, legt sich Eric ebenfalls zu mir auf das Dach. „Wunderschön“, sagt Eric leise. Doch wie ich herausfinde, meint er nicht wie ich die Sterne, sondern mich. Denn er streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und betrachtet mich und nicht den Himmel über uns. Ich erwidere seinen Blick und zwischen uns kehrt Stille ein, unsere Blicke übernehmen das Reden. Es ist romantisch hier mit dem Mann zu liegen, den ich liebe, auch wenn romantisch nicht wirklich zu ihm passt. Es ist fast vollkommen ruhig, nur die Grillen sind zu hören, die ihre Lieder zirpen. Eric legt seine Hand an meine Wange und fährt behutsam über meine Haut. „Ich bin für dich da, immer“, sagt Eric mit gedämmter Stimme. Dankbar lächle ich ihn an. All das, all die Gesten und Worte bedeuten mir sehr viel. So viel, dass mir sogar die Tränen in die Augen steigen, denn ich realisier wieder wie viel Glück und Freude mir die Ferox gebracht haben. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich wirklich glücklich. Eric versteift sich neben mir etwas und rührt sich nicht. „Habe ich was falsches gesagt?“, fragt er mich, woraufhin ich leicht Schmunzeln muss. Er wirkt ein wenig überfordert. „Nein, ganz im Gegenteil. Du hast alles richtig gemacht, ich bin nur so glücklich, das sind Freudentränen“, kläre ich ihn auf. „Weiber“, murmelt Eric vor sich hin, zieht mich aber näher zu sich heran. Unsere Lippen berühren sich zu einem zarten Kuss, der so viele Emotionen und durch meine Tränen eine leichte salzige Note beinhaltet. Wie ich diesen Mann nur liebe. Unser Kuss nimmt etwas an Intensität an und schnell befinde ich mich auf Eric liegend wieder. Wir sind völlig aufeinander und auf unsere Gefühle konzentriert und ignorieren unsere Umwelt. So lösen wir uns auch erst voneinander als ein Scheppern die Stille unterbricht und ich zusammenzucke. Etwas atemlos lösen sich unsere Lippen voneinander und ich hebe den Kopf, um über die Wiesen zu spähen nach der Ursache des Geräusches. Beobachtet uns etwa jemand, vielleicht mein Vater? Alarmiert sehe ich mich um, doch entdecke die Quelle nicht. „Du hast mein Bier vom Dach geschupst“, sagt Eric und drückt seine Lippen für einen kurzen Kuss auf meine. „Da ist niemand“, fügt er hinzu, da er scheinbar meine Bedenken gelesen hat. Den Gedanken hier beobachtet zu werden finde ich ziemlich unangenehm, was an dem Ort liegt, den bei den Ferox würde es mich nicht so stören wie hier. Vorsichtig schiebt Eric mich wieder von sich herunter, steht auf und zieht mich dann anschließend auch auf die Beine. „Wir gehen wieder rein“, mit diesen Worten führt er mich wieder zurück, schließt das Fenster hinter uns und zieht die Vorhänge zu, sodass niemand uns beobachten kann, auch wenn dort draußen keiner ist.

Was denkt ihr, ist Hopes Vater ein Unbestimmter?
Und wenn ja, sollte er als Versuchskaninchen bei den Ken enden oder sofort exekutiert werden?

Bitte entschuldigt das so lange kein Kapitel mehr kam.
Diesmal habe ich versucht etwas romantisches zu schreiben, bin mir aber nicht sicher ob es so gelungen ist, wie ich es wollte.

Schleichwerbung:
Ich habe ein Buch über das Thema Gedanken erstellt, vielleicht hat ja jemand Lust es sich anzusehen und sich eventuell auszutauschen.

Schleichwerbung:Ich habe ein Buch über das Thema Gedanken erstellt, vielleicht hat ja jemand Lust es sich anzusehen und sich eventuell auszutauschen

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