Teil 76

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„Verdammt, wo bist du?" murmelte Lily vor sich hin, als sie etwas später ihre Sachen nach dem Duschen im Kleiderschrank durchwühlte.
Sie suchte ihren Lieblings-BH, der wirklich perfekt passte und nirgendwo kniff. Nachdem sie dies bemerkt hatte, hatte sie sich damals direkt noch 5 weitere davon gekauft. Einen BH zu finden, der perfekt passte, war immerhin in etwa so ein Glück wie ein vierblättriges Kleeblatt zu finden.
Nachdem sie auch nochmal in ihrem Trolley nachgesehen hatte, kam sie zu dem Schluss, dass er nur im anderen Trailer sein konnte, obwohl sie sich sicher gewesen war, dass sie alles eingepackt und alles nochmal kontrolliert hatte. Schnell zog sie sich etwas über und verließ das Schlafzimmer. FP saß auf der Couch und blätterte in einer Bikerzeitschrift.
„Ich bin eben im anderen Trailer. Ich habe da scheinbar was liegenlassen," meinte sie und schlüpfte in ihre Schuhe.
„Okay."
Sie ging zu ihm, küsste ihn kurz und verließ den Trailer, ehe sie zum anderen rüberlief, der nun wieder leer stand. Sie betrat ihn und ging gleich durch ins Schlafzimmer, wo sie das Licht einschaltete und in den Kleiderschrank sah, doch dieser war leer. Ratlos sah sie sich im Schlafzimmer um, sah sogar in das Nachttischchen, obwohl es schon sehr seltsam gewesen wäre, wenn sie dort ihren BH gefunden hätte. Okay, blieb nur noch eine Möglichkeit. Lily kniete sich auf den Boden und sah unter das Bett, wo sie den BH tatsächlich fand. Sie hatte echt keine Ahnung, wo er dahin geraten war. Sie nahm ihn und stand wieder auf, ehe sie das Licht ausschaltete und den Trailer wieder verließ.
Als sie sich FPs Trailer näherte, hörte sie Stimmen, die nach außen drangen. Erst dachte sie, dass FP vermutlich den Fernseher eingeschaltet hatte, aber als sie näher kam, erkannte sie, dass es FP war, der da sprach, und dass die weibliche Stimme Penny gehörte. Lily verdrehte genervt die Augen. Was wollte die schon bloß schon wieder? Ihr war klar, dass sie sie ertragen musste, damit sie eventuell an Informationen kamen, aber es wurde ihr langsam aber sicher wirklich zu viel. Lily hatte ihre Hand bereits am Türknauf, als sie innehielt.
„Lily hat mir heute Nachmittag erzählt, dass ein gewisser Eastwood euch das Leben schwer macht?" hörte sie Penny fragen.
„Ja stimmt. Er will seine Drogen haben, die scheinbar aus Versehen im Whyte Wyrm gelandet sind," antwortete FP.
„Warum habt ihr sie ihm denn nicht einfach überlassen, als er sich das erste Mal bei euch gemeldet hat?" wollte Penny wissen.
„Du weißt genau, warum, Penny," sagte FP.
„Die Serpents haben noch nie was mit Drogen zu tun gehabt und ich wollte das jetzt nicht anfangen. Selbst wenn es darum geht, irgendeinem Kerl Drogen zu überlassen, die durch einen Fehler bei uns gelandet sind. Auch wenn sie ihm angeblich gehören. Hast du ne Ahnung, was er damit anstellen kann und wie viele Menschen eventuell an dem Zeug sterben können?"
Penny seufzte.
„Ja, ich weiß, FP. Aber das ist nicht deine Aufgabe darüber zu entscheiden, ob fremde Leute Drogen nehmen oder nicht. Schließlich hast du dir auch nichts sagen lassen, als du literweise Alkohol in dich reingeschüttet hast," erwiderte sie.
Einige Momente herrschte Schweigen bis Lily FP „Wow" sagen hörte. Es hörte sich an als hätte Penny ihn damit ziemlich getroffen.
„Sorry, das war nicht so gemeint," ruderte Penny zurück.
„Ich meine nur, dass ihr euch schon viel Ärger hättet ersparen können, wenn ihr das Zeug sofort an diesen Eastwood übergeben hättet."
„Das wissen wir jetzt auch," meinte FP trocken.
Lily hörte die Kühlschranktür zuklappen und ein Zischen, als FP eine Getränkedose öffnete.
„Im Übrigen finde ich es ziemlich unvorsichtig, dass Lily mir das alles einfach erzählt hat," sagte Penny und Lily hob überrascht die Augenbrauen.
„Was soll daran unvorsichtig sein, Penny? Du gehörst zu uns, zu den Serpents. Es geht dich schließlich auch etwas an. Du möchtest, dass wir dir wieder vertrauen. Dazu gehört, dass wir dir solche Sachen erzählen," entgegnete FP.
Lily stieg eine Stufe nach unten, um durch das Fenster sehen zu können. FP stand an den Küchentresen gelehnt da, Penny mit verschränkten Armen vor ihm.
„Okay, das stimmt wohl," musste sie zugeben.
„Sie hat wirklich Glück, dich an ihrer Seite zu haben."
„Ich habe mindestens genauso viel Glück, sie an meiner Seite zu haben," antwortete FP und trank einen Schluck Cola.
Lily beobachtete, wie Penny eine Weile schweigend da stand, zu FP sah und ihre Hände in die Hosentaschen steckte.
„Es ist doch jetzt alles geklärt, oder? Wie gesagt, die Übergabe ist morgen Abend im Whyte Wyrm. 19 Uhr," unterbrach FP das Schweigen und stieß sich vom Küchentresen ab, um zur Couch zu gehen.
„FP.."
Penny machte einen Schritt zur Seite, stellte sich ihm in den Weg und griff nach seinem Arm. FP sah kurz zu ihrer Hand, dann wieder zu Penny, die nun einen Schritt auf ihn zu machte und ihn küsste. Lily traute ihren Augen nicht. Erst versuchte Penny, sie und FP gegeneinander auszuspielen und nun küsste sie ihn einfach? Ihr Herz raste. Sie spürte, wie Wut in ihr hochstieg und gleichzeitig auch einen Stich in ihrem Herzen. Ihr erster Impuls war, die Tür des Trailers aufzureißen und Penny hochkantig rauszuwerfen, doch irgendwas hielt sie davon ab. Vermutlich die Gewissheit, dass sie Penny noch wegen Informationen brauchten.
FP griff mit seiner freien Hand nach ihrem Oberarm und schob Penny von sich.
„Sag mal, spinnst du?" fragte er sichtlich aufgebracht.
„Was daran, das ich ich dir vor kurzem noch gesagt habe, verstehst du nicht? Ich liebe Lily. Das mit uns beiden, dir und mir, wird nie passieren."
Penny senkte betroffen den Blick. Beinahe hatte Lily Mitleid mit ihr.
„Sorry, das wird nicht wieder vorkommen. Du hast dich klar ausgedrückt," meinte sie geknickt.
„Aber du kannst mir keinen Vorwurf daraus machen, dass ich es zumindest noch einmal versuchen wollte. Du hast keine Ahnung, wie viel du mir bedeutest, FP."
FP schwieg einige Momente, ehe er antwortete: „Wenn das wirklich so wäre, würdest du mit solchen Aktionen nicht unsere Freundschaft aufs Spiel setzen."
Penny hob kurz abwehrend die Hände und sah ihn wieder an.
„Wie gesagt, es wird nicht wieder vorkommen. Ich habe verstanden."
„Das hoffe ich."
FP sah sie durchdringlich an, seufzte dann jedoch, legte seinen Arm um ihre Schultern und drückte sie kurz an sich.
Lily stieg die eine Stufe zum Trailer wieder hoch und öffnete die Tür. Sie hatte genug gesehen.
„Oh hi Lily," grinste Penny, als sie sie sah.
„Hi Penny, schon wieder," erwiderte Lily ebenfalls grinsend.
Niemand konnte sich auch nur vorstellen, wie viel Überwindung und Kraft es sie kostete, freundlich zu bleiben, nachdem sie gerade gesehen hatte, wie Penny FP geküsst hatte.
„Ja, ich wollte mich nur bei FP erkundigen, ob ich irgendwas tun kann, was diese Übergabe angeht. Ich helfe gern," erklärte Penny.
„Okay, dann besprecht das mal weiter. Ich verschwinde ins Bett. Ich muss früh raus."
Lily rang sich noch ein Grinsen ab und flüchtete ins Schlafzimmer, wo sie die Tür hinter sich schloss und sich anschließend mit dem Rücken dagegen lehnte. Sie atmete tief durch und schloss die Augen. Sie hoffte, dass dieses ganze Theater mit Penny bald vorbei war.

Penny sah zu FP.
„Ich hoffe, ich habe nichts Falsches gesagt," meinte sie und sah ihn entschuldigend an.
„Du solltest jetzt besser gehen, Penny," erwiderte FP und sah sie erwartungsvoll an.
„Okay. Wir sehen uns ja morgen. Sorry nochmal," sagte sie und verließ den Trailer.
FP sah ihr nach und atmete tief durch, nachdem die Tür hinter ihr zugefallen war. Er konnte nicht beschreiben, wie sehr er es hasste, Penny Freundschaft vorspielen zu müssen. Nicht nur, weil er wusste, dass sie mit den Drogen zu tun hatte, sondern auch, weil sie scheinbar alles versuchte, um einen Keil zwischen ihn und Lily zu treiben. Es war nicht das erste Mal, dass er das bemerkte und er war sich sicher, dass Penny es nicht tat, weil er ihr angeblich so viel bedeutete. Nein, das war schlichtweg gelogen. Sie tat es, weil sie es nicht ertragen konnte, dass er sie abgewiesen hatte. Eine Frau wie sie ließ sich nicht einfach abweisen. So weit kannte er sie schließlich, aber damit würde sie leben müssen. Mal ganz davon abgesehen, dass sie hoffentlich eh nicht mehr lange zu den Serpents gehören würde. FP trank seine Cola aus, warf die Dose in den Müll und betrat leise das Schlafzimmer, das dunkel war.
„Prinzessin?" fragte er flüsternd.
Er bekam keine Antwort und er vermutete, dass Lily bereits schlief. FP wollte gerade das Schlafzimmer verlassen, als er ein ersticktes Schluchzen hörte, das ihm durch Mark und Bein ging.
Er ging zum Bett, setzte sich zu ihr und schaltete die Nachttischlampe ein, woraufhin Lily sich vom Licht weg und ihm den Rücken zudrehte, während sie weiter leise vor sich hin schluchzte.
„Hey, was ist los?" fragte er vorsichtig und streichelte über ihren Rücken, obwohl er die Antwort schon kannte.
Penny war los. Wortlos legte er sich zu ihr, zog sie an sich, legte den Arm um sie und hauchte ihr einen Kuss in den Nacken. Wenn er ehrlich war, fehlten ihm ein wenig die Worte und ihm war klar, dass es nichts half, wenn er Lily erneut sagte, dass er nur wegen Eastwood bei Pennys miesem Freundschaftsspielchen mitspielte und dass er nicht an Penny interessiert war. Das Einzige, das helfen würde, war, wenn Penny endlich Leine zog und sie beide für immer in Ruhe ließ. Er hoffte bloß, dass es bis dahin nicht schon viel zu spät war. Er hasste es, Lily weinen zu sehen, und noch mehr hasste er es zu wissen, dass er gewissermaßen daran schuld war. Wenn auch nur zum Teil.
FP hielt sie in seinen Armen bis sie sich schließlich wieder beruhigt hatte. Lily löste sich etwas von ihm, um sich zu ihm umzudrehen. Er fühlte einen Stich in seinem Herzen, als er ihre vom Weinen geröteten Augen sah und drückte sie an sich.
„Ich sollte dir da was erzählen," fing er leise an, obwohl er beinahe sicher war, dass Lily vermutlich wieder in Tränen ausbrechen würde, wenn sie hörte, was er zu sagen hatte.
Aber er hatte sich geschworen, keine Geheimnisse vor ihr zu haben.
Lily sah ihn stumm an.
„Du glaubst gar nicht, wie sehr ich es hasse, Penny Freundschaft vorspielen zu müssen. Alles in mir sträubt sich dagegen. Ich weiß nicht, ob du mir das glaubst, aber es ist so," sagte er und strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr.
„Ich glaube dir," antwortete Lily kaum hörbar.
FP hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Als sie vorhin vor der Tür stand, habe ich gedacht, sie ist hier, um mich wegen den Drogen auszuhorchen, obwohl sie das Wichtigste ja schon von dir gehört hat. Aber da habe ich mich ziemlich getäuscht, was mittlerweile bei ihr ja nichts Neues ist. Ich habe ihr gesagt, dass du nur kurz weg bist, als sie nach dir gefragt hat. Sie hatte vor, dich bei mir anzuschwärzen, weil du ihr von Eastwood und den Drogen erzählt hattest. Sie wollte wieder mal einen Keil zwischen uns treiben," erzählte er weiter.
Lily sah ihn nur stumm an. Scheinbar überraschte es sie nicht sonderlich. Vermutlich lag das ganz einfach daran, dass sie von Anfang an gewusst hatte, wie Penny wirklich war. Er dagegen kannte nur ihre hilfsbreite Seite, wusste, was sie alles für ihn und die Serpents getan hatte und sah eigentlich immer noch die Freundschaft, die sie mal gehabt hatten. Wenn Penny ihm gegenüber stand, musste er sich jedes Mal daran erinnern, dass das ein für allemal vorbei war.
„Sie hat mich geküsst. Angeblich, weil ich ihr so viel bedeute, aber vermutlich eher, weil sie dachte, du würdest in diesem Moment zurückkommen. Ich habe dem aber sofort ein Ende gemacht und ihr nochmal klargemacht, dass zwischen uns nie wieder was laufen wird. Keine Ahnung, ob sie es tatsächlich verstanden hat, wie sie gesagt hat, oder ob sie es nochmal versuchen wird. Sie sollte es besser nicht tun," fuhr FP fort.
Lily hob ihre Hand und streichelte ihm über die Wange, ehe sie näher zu ihm rückte und ihn zärtlich küsste. FP erwiderte diesen Kuss nur zu gerne.
„Ich habe gesehen, wie sie dich geküsst hat," sagte Lily etwas später leise und sah ihn an.
FP runzelte verwirrt die Stirn.
„Als ich vom anderen Trailer zurückkam, habe ich euch reden gehört. Ich wollte erst reinkommen, aber ich wollte wissen, was Penny dir für einen Mist erzählt. Ich habe dann durchs Fenster gesehen und da habe ich gesehen, wie sie dich geküsst hat," erklärte sie und schloss kurz die Augen.
Mittlerweile wünschte sie sich, dass sie es nicht gesehen hätte, denn dieses Bild stand noch immer klar und deutlich vor ihrem inneren Auge. Was noch nicht mal das Schlimmste war. Das Schlimmste war die Gewissheit, dass Penny es für sich ausnutzen würde, sobald sie, Lily, FP die Wahrheit über sich erzählt hatte und wieder in New York war. Und sie würde es FP noch nicht mal verübeln können, wenn er sich wieder auf Penny einließ. Egal, was sie getan hatte. Lily merkte, wie ihre Augen erneut feucht wurden, doch diesmal kämpfte sie gegen die Tränen an. Sie hatte wegen diesem Miststück schon genug geheult. Mehr als sie es überhaupt wert war.
„Hey, komm her," sagte FP leise und drückte sie an sich.
Lily schloss die Augen, legte ihre Stirn gegen seine Brust und atmete seinen umwerfenden Duft tief ein. Das war auch etwas, das sie schmerzlich vermissen würde. Nein, bloß nicht daran denken. Sie zwang sich, diesen Gedanken wegzuschieben.
„Sollen wir schlafen?" fragte er leise.
Lily nickte. Bis ihr plötzlich etwas einfiel. Sie hatte völlig vergessen, es ihm zu geben.
„Moment," meinte sie, richtete sich auf und griff über ihn hinweg in die Schublade des Nachttisches, ehe sie sich wieder neben ihn legte.
„Ich hab da was für dich. Es ist nichts Besonderes, aber als ich es gesehen habe, musste ich an dich denken," erklärte sie leicht verlegen und reichte ihm das Kästchen.
„Hey, es ist sicher etwas Besonderes. Allein schon, weil es von dir ist," schmunzelte FP, nahm das Kästchen an sich und sah hinein.
Er zog einen silbernen Schlüsselanhänger heraus, der den Umriss eines Engels hatte. Auf einem der Flügel war in kleiner, verschlungener Schrift „Lily" und auf dem anderen Flügel „Ich liebe dich" eingraviert. FP betrachtete den Schlüsselanhänger lächelnd und sah dann zu Lily, die ihn unsicher ansah.
„Mein eigener Schutzengel?" fragte er schmunzelnd.
Lily nickte.
„Danke Prinzessin. Der ist toll und auf jeden Fall etwas Besonderes," sagte er, schloss seine Hand um den Anhänger und küsste Lily zärtlich.
„Ich liebe dich auch," sagte er etwas später leise und küsste sie nochmal kurz.
„Lass uns jetzt schlafen, okay?"
„Okay."
FP legte den Schlüsselanhänger zurück in das Kästchen, das er auf den Nachttisch legte, bevor er das Licht ausmachte. Anschließend nahm er Lily wieder in den Arm, die sich gleich an ihn kuschelte.

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