Sam befestigte gerade vorsichtig einen Verband über der Wunde, als Penny die Augen aufschlug.
„Sie ist wach," informierte sie die beiden Männer, die zur Couch kamen.
„Penny, wo ist Lily?" fragte FP sofort.
Penny drehte den Kopf zu ihm und blinzelte ihn benommen an.
„FP?" fragte sie leise und runzelte leicht die Stirn.
„Sag mir verdammt nochmal, wo Lily ist und wo sich dieser Scheißkerl Scott aufhält. Raus mit der Sprache!"
FP schrie sie beinahe an und Penny zuckte vor Schrecken zusammen, wobei sie sich wieder den Bauch hielt und das Gesicht verzog.
„FP, das bringt so nichts. Beruhige dich, okay?"
Chris schob ihn von der Couch weg und sah ihn eindringlich an, doch FP hörte gar nicht auf ihn. Er sah an Chris vorbei zu Penny.
„Wenn er ihr irgendwas antut, mache ich dich dafür verantwortlich, Penny," schrie er sie an.
„FP!"
Chris griff nach seinem Arm und zerrte ihn aus dem Trailer.
„Verdammt, laß mich," blaffte er Chris an und wollte sich losreißen, was jedoch ein hoffnungsloses Unterfangen war.
„Reiß dich gefälligst zusammen. Deine Kinder schlafen da drin. Hast du das schon vergessen?" fuhr Chris ihn an und schubste ihn gegen seinen Truck.
„Ich verstehe, dass du wissen willst, wo Lily ist und dass deine Nerven blank liegen, aber so kriegst du kein Wort aus Penny raus. Also reiß dich verdammt nochmal zusammen."
FP starrte ihn wütend und schwer atmend an. Chris wich seinem Blick nicht aus und war darauf vorbereitet, ihn wieder festzuhalten, sollte er in diesem Zustand den Trailer stürmen wollen. Langsam, aber sicher beruhigte FP sich wieder. Er stützte sich mit den Händen auf seinen Knien ab und atmete ein paar Mal tief durch.
„Okay, lass uns wieder reingehen," meinte er schließlich.
„Bist du sicher?" fragte Chris skeptisch.
FP nickte und ging zum Trailer. Chris folgte ihm. Penny hatte sich in der Zwischenzeit aufgesetzt und blickte unsicher zu FP, der sie stumm ansah. Chris beobachtete, wie FP zu ihr ging und sich ihr gegenüber auf den Couchtisch setzte. Er setzte sich zu Penny auf die Couch, bereit jederzeit wieder einzugreifen. Sam setzte sich auf die andere Seite neben Penny.
„Okay, Penny. Was ist passiert? Wo ist Lily? Wo hat Scott sie hingebracht?" fragte FP ruhig, doch Sam konnte hören, dass er sich nur mit Mühe zusammenriss.
„FP... es tut mir so leid," stammelte Penny und brach unvermittelt in Tränen aus.
„Scott.. er hat herausgefunden, dass ihr ihm Backpulver unterjubeln wolltet. Er ist komplett ausgerastet. Er wollte, dass du dafür bezahlst. Deswegen wollte er Lily entführen. Zwei seiner Handlanger haben sie heute Nacht vor dem Diner abgepasst. Ich war auch dabei.. Bitte FP, es tut mir wirklich leid," erzählte sie unter Tränen, beugte sich vor und griff nach seinen Händen.
FP zog seine Hände weg und blickte Penny voller Verachtung an.
„Ich weiß nicht, wie ich nicht merken konnte, was für ein mieses Schwein er ist. Ich hab nur das Geld gesehen. Ich wollte das alles nicht," schluchzte sie und sah ihn flehend an.
„Wie kommt es, dass du jetzt hier bist? Hat er dich so zugerichtet?" fragte Chris.
Penny nickte und wischte sich die Tränen weg.
„Als er gesagt hat, dass Lily die Schulden ‚abarbeiten' solle, hat er für mich wirklich eine Grenze überschritten. Ich habe ihn zur Rede gestellt und da ist er vollkommen ausgeflippt. Er meinte, man sich gut überlegen solle, auf wessen Seite man steht und wenn es nicht seine ist, müsse man mit Konsequenzen rechnen. So sehen die aus," antwortete Penny und deutete auf ihre Wange.
„Was meinst du mit ‚abarbeiten'?" wollte Sam wissen, obwohl sie es sich im Grunde schon denken konnte.
„Was meinst du wohl?" fragte Penny zurück.
„Antworte ihr," zischte FP sie an.
Penny sah ihn einige Momente stumm an, ehe sie ihm antwortete.
„Er will sie fürs Bett, okay? Für sich und seine zwei Handlanger."
FP presste seine Lippen aufeinander und schloss die Augen. Chris konnte sehen, wie seine Kiefermuskeln arbeiteten.
„Ich werde den Kerl umbringen. Wenn er sie anfasst, mache ich ihn kalt," knurrte er.
„Was hat er noch gesagt?" fragte Chris.
„Dass er euch morgen oder übermorgen Bescheid geben will, dass Lily bei ihm ist. Naja, das hat sich ja erledigt," antwortete Penny leise und hielt sich wieder den Bauch.
„Es war einfach nur widerlich, wie er herumgeprahlt hat. Niemand könne ihm etwas und niemand würde sich wagen, sich mit ihm anzulegen. Selbst das FBI nicht," fuhr Penny fort und Sam wurde hellhörig.
„Er hat damit angegeben, vor ein paar Jahren einen FBI-Agent in New York umgebracht zu haben, der sich gewagt hatte, sich ihm in den Weg zu stellen."
Sam schnappte hörbar nach Luft, als sie Penny dies sagen hörte. Es war für sie wie ein Schlag ins Gesicht. Paul. Scott hatte Paul umgebracht. Wie in Trance stand sie auf und verließ den Trailer, wo sie sich benommen auf die Stufen setze. Sie merkte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten, aber sie hatte gerade keine Kraft, gegen sie anzukämpfen. Es war, als hätte dieser letzte Satz von Penny eine Schleuse in ihr geöffnet und alles, was sie in den vergangenen Jahren sorgfältig dahinter versteckt hatte, brach nun wieder über sie herein. Bilder, die sie so lange erfolgreich verdrängt hatte, tauchten nun wieder vor ihrem inneren Auge auf. Paul, wie er mit gezogener Waffe einen maskierten Mann aufforderte, seine Waffe fallen zu lassen. Paul, wie er von einer Kugel in die Brust getroffen wurde, nur Millimeter an der schusssicheren Weste vorbei. Der sich rasch ausbreitende rote Fleck auf seinem Hemd. Paul, wie er zusammenbrach und von Josh aufgefangen wurde, während dieser nach einem Notarzt rief und mit einer Hand auf die Schusswunde drückte. Und Sam konnte sich selbst sehen, wie sie auf Paul und Josh zu rannte, weil sie viel zu weit weg gewesen war. Sie erinnerte sich daran, wie sie neben Josh und Paul auf die Knie gefallen war, nur um feststellen zu müssen, dass Paul bereits tot war. Sie sah Pauls Augen vor sich, die völlig blicklos auf einen Punkt im Himmel zu starren schienen. Seine Augen, die sonst immer so voller Leben und Liebe gewesen waren.
Sam zuckte leicht zusammen, als sie plötzlich Arme um sich spürte. Sie sah auf und für einen Moment dachte sie, Paul anzusehen, doch nachdem sie einmal geblinzelt hatte, sah sie Chris vor sich, der sie besorgt ansah.
„Was ist los?" fragte er leise.
Sam schüttelte den Kopf und brach in Tränen aus. Sie klammerte sich an ihn, als Chris sie fest in seine Arme nahm.
Nur langsam beruhigte sie sich wieder.
„Cobra? Kannst du rüberkommen? Okay.. bring bitte Snake, Muskrat, Fogarty und Mustang mit.... Ich erkläre es euch später. Okay, danke."
Sie hörte Chris leise mit jemandem sprechen und sah, dass er sein Handy wieder wegsteckte. Sie ließ ihn los und wischte sich die Tränen von den Wangen.
„Ist alles wieder gut?" fragte Chris besorgt.
Sam schüttelte den Kopf.
„Aber das wird schon wieder," antwortete sie leise.
„Was war plötzlich mit dir los?"
Chris strich ihr sanft eine Haarsträhne hinter das Ohr.
„Ich weiß auch nicht," schwindelte sie und kämpfte gegen neue Tränen an.
„Ich verstehe einfach nicht, wie ein Mensch so sein kann. Wie kann man nur damit herumprahlen, jemanden umgebracht zu haben?"
Sie hasste sich selbst dafür, dass sie Chris anlog, aber sie konnte ihm nicht die Wahrheit sagen. Noch nicht. Erst hatte sie noch mit Eastwood eine Rechnung zu begleichen. Sam merkte, wie langsam Wut in ihr hochstieg und war froh darüber. Die brauchte sie, um sich ihm entgegenstellen zu können und sie schwor sich, dass er nicht nur mit einem blauen Auge davonkam.
„Ich kann das auch nicht nachvollziehen, aber er wird schon seine gerechte Strafe dafür bekommen. Für alles," meinte Chris und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Hoffentlich," murmelte Sam.„Penny, wo ist Lily? Wo hält der Dreckskerl sie versteckt?"
FP sah sie eindringlich an.
„Ich schreib dir die Adresse auf," antwortete Penny leise.
FP stand auf, holte einen Block und einen Kuli aus einer Schublade und reichte beides Penny. Mit zitternder Hand schrieb sie ihm die Adresse auf.
„Ist nur er da und seine zwei Handlanger oder sind da noch mehr von den Kerlen?" wollte er wissen, während er den Block wieder an sich nahm.
Penny schüttelte den Kopf, presste sich eine Hand auf den Bauch und verzog das Gesicht.
„Es sind nur die 3 dort," antwortete sie mit gepresster Stimme.
FP beobachtete sie, nun doch etwas besorgt. Irrte er sich oder war Penny noch blasser geworden? Ohne weiter nachzudenken griff er nach seinem Handy und wählte die Notrufnummer. Er nannte der Dame, die sich meldete, seinen Namen und die Adresse, schilderte kurz, was mit Penny passiert war und legte wieder auf.
„Gleich kommt ein Krankenwagen," teilte er Penny mit.
„Nein, mir geht es gut," protestierte sie und wollte aufstehen, unterdrückte jedoch gleich darauf einen Schmerzenslaut und ließ sich auf die Couch zurückfallen.
FP sah auf, als Chris und Sam den Trailer wieder betraten.
„Ich habe die Adresse. Wir sollten sofort los," sagte er zu Chris.
„Ich habe gerade Cobra angerufen. Er kommt gleich mit ein paar der anderen Jungs vorbei. Wir sollten nicht allein hinfahren und einer von ihnen sollte hier bei deinen Kiddies bleiben," erwiderte Chris.
FP fuhr sich mit einer Hand durch die Haare, schloss die Augen und nickte. Fünf Minuten später trafen die 5 Männer ein und Chris erzählte ihnen in Stichworten, was passiert war. Snake erklärte sich dazu bereit, im Trailer zu warten und auf Jughead und Jellybean aufzupassen.
„Danke, Mann. Du hast wirklich was gut bei mir," meinte FP.
„Quatsch. Jetzt hau schon ab und hol Lily da raus. Aber sei vorsichtig," antwortete Snake und sah ihn ernst an.
„Werde ich sein," sagte FP und wollte den Trailer schon verlassen, als ihm etwas einfiel.
Er ging nochmal zurück ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich, ehe er den Kleiderschrank öffnete und sich vor den Safe hockte. Schnell gab er den Sicherheitscode ein, öffnete ihn und nahm die Waffe an sich. Nachdem er das Magazin kontrolliert hatte und sich vergewissert hatte, dass sie gesichert war, stand er auf und steckte sie sich hinten in den Hosenbund, sodass sie von seinem Shirt und seiner Jacke verdeckt war.
Als FP das Schlafzimmer verließ, kam ihm ein verschlafener Jughead entgegen.
„Was ist denn hier los, Dad?" fragte er verwirrt und sah zu den ganzen Serpents.
„Wow, du siehst wie ausgekotzt aus."
„Ich erkläre es dir später, okay? Ich muss dringend weg. Pass bitte auf Jellybean auf und sag ihr, dass ich bald wieder da bin. Snake bleibt solange bei euch," antwortete FP und sah Jughead ernst an.
Dieser nickte stumm.
„Okay."
FP zog Jughead kurz in seine Arme und verließ dann mit den anderen den Trailer. Während Cobra, Mustang, Muskrat und Fogarty zu ihren Harleys gingen, gingen Chris, Sam und FP zu Chris' Auto. Chris hatte ihnen bereits die Adresse gegeben.
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Undercover
FanfictionSam Walker und Lily Morgan sind zwei FBI-Agentinnen aus New York, die ihren Kollegen aus LA bei einem Gang-Problem unter die Arme greifen sollen. In LA wird ihnen schnell klar, dass sie nicht nach Anhaltspunkten für die Schuld der Southside Serpent...