Auf dem Weg zu seinem Trailer sah Chris kurz auf seine Uhr und beschloss, FP einen Besuch abzustatten. Er würde sicherlich schon Feierabend haben. Es würde ihm nicht leicht fallen, aber er wollte FP so schnell wie möglich von seiner Entscheidung erzählen. Er war sein bester Freund; das schuldete er ihm einfach. Er klopfte an die Tür und wartete. Nach einigen Momenten klopfte er erneut und sah sich um. FPs Truck stand von dem Trailer, also war er auf jeden Fall da. Chris sah wieder zur Tür, als sie schließlich geöffnet wurde.
„Hi Chris, komm doch rein," grinste Lily und ließ ihn eintreten.
„Wo ist Sam?"
„Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Wir hatten vorhin eine Auseinandersetzung wegen Cheryl und sie ist einfach gegangen. Ich habe keine Ahnung, wo ich sie suchen soll und ob ich sie überhaupt suchen soll. Sie will sicher allein sein," antwortete Chris niedergeschlagen.
„Cheryl, dieses verfluchte Miststück," meinte Lily, schüttelte den Kopf und nahm ihr Handy, um Sam anzurufen, aber es ging nur die Mailbox dran.
„FP ist hier, oder? Ich müsste dringend mit ihm sprechen," meinte Chris.
„Ja, er duscht gerade. Er ist sicher gleich fertig," antwortete Lily.
„Du kannst hier auf ihn warten. Ich werde schauen, ob ich Sam finde."
„Okay, danke," sagte Chris und setzte sich auf die Couch.Lily sah schweigend zu ihm, ehe sie sich vor ihn hockte und ihn ernst ansah.
„Sam liebt dich, Chris. Das hat sie mir selbst gesagt. Und ehrlich gesagt kann ich verstehen, dass ihr dieses Drama mit Cheryl zu viel wird. Die ist verdammt nervig und hartnäckig. Sam möchte einfach nur mit dir zusammen sein, ohne irgendwelches Drama. Nach der Sache mit Alex ist das verständlich."
„Das ist auch alles, was ich will," erwiderte Chris.
„Ich habe es mir sicher nicht ausgesucht, dass Cheryl sich ständig an mich ranmacht. Egal, wie oft ich ihr sage, dass sie keine Chance hat."
„Das weiß ich und das weiß Sam im Grunde auch, aber wie gesagt, ich kann sie verstehen. Es ist verdammt anstrengend, ständig auf der Hut zu sein, weil irgendeine Frau nicht versteht, dass sie abgemeldet ist. Es hilft auch nichts, wenn man versichert bekommt, dass diese Frau völlig uninteressant ist oder dass sie keine Chance mehr hat. Glaub mir, ich spreche aus Erfahrung. Es ist auf Dauer unglaublich erschöpfend und man will einfach nur dass es vorbei ist. Egal wie," erklärte Lily ihm.
Chris nickte.
„Das verstehe ich. Deswegen habe ich eine Entscheidung getroffen. Cheryl weiß schon Bescheid und ich möchte jetzt noch mit FP darüber reden," meinte er.
„Okay. Wie gesagt, er ist sicher gleich fertig und ich werde in der Zeit schauen, ob ich Sam finde. Mach dir keine Gedanken. Das wird schon wieder," versicherte Lily ihm, drückte kurz seine Hand und stand auf.
Sie griff nach ihrer Serpents-Jacke.
„Bis später."
Mit diesen Worten verließ sie den Trailer und schloss die Tür hinter sich. Nur Momente später hörte Chris den Motor des Camaros, der sich vom Trailer entfernte. Im gleichen Augenblick öffnete sich die Tür vom Bad und FP trat heraus.
„Oh hi, was verschafft mir die Ehre?" fragte er grinsend, während er sich ein Shirt überzog.
„Ich muss mit dir reden," antwortete Chris.
„Okay. Auch ein Bier?" fragte FP und ging zum Kühlschrank.
„Ja, bitte," antwortete er und fing die Dose auf, die FP ihm zuwarf, ehe er sich in den Sessel setzte.
„Worum geht es?"
FP öffnete die Dose und trank einen Schluck. Chris drehte die Dose in seinen Händen und versuchte, die richtigen Worte zu finden. Er fühlte sich wie ein undankbares Arschloch.
„Ich habe beschlossen, LA zu verlassen," sagte er schließlich und sah zu FP, der ihn überrascht ansah.
„Was? Warum das denn?" wollte er wissen.
„Es geht einfach nicht mehr. Dieses endlose Drama mit Cheryl. Sam und ich hatten vorhin mal wieder eine Auseinandersetzung wegen ihr und ich habe das Gefühl, dass Sam darüber nachdenkt, mich wegen dem ganzen Cheryl-Mist zu verlassen. Ich könnte es ihr noch nicht mal übelnehmen. Mich nervt Cheryl auch, aber was soll ich denn machen? Mehr als mir den Mund wieder und wieder fusselig reden und hoffen, dass sie es irgendwann versteht, kann ich nicht," antwortete Chris und sah FP verzweifelt an.
„Ich könnte sie aus der Gang schmeissen. Dann könnte sie hier auch nicht weiter leben und in der Bar bekommt sie endgültig Hausverbot," meinte FP schulterzuckend.
„Darüber habe ich auch schon nachgedacht, aber das ist keine Lösung. Sie würde trotzdem irgendwo auftauchen und uns weiter das Leben zur Hölle machen. Ich will Sam nicht verlieren, FP, und wenn das heißt, dass ich LA verlassen muss, dann mache ich das. Glaub mir, mir fällt es nicht leicht, das alles hinter mir zu lassen, insbesondere die Serpents, aber..."
Er stockte und sah auf die Bierdose, die er immer noch in den Händen drehte.
„Ich bin das erste Mal seit Claires Tod wieder glücklich, verstehst du? Richtig glücklich. Ich liebe Sam und ich will sie nicht verlieren. Nicht wegen einer blöden Affäre, auf die ich mich eingelassen habe, als ich noch um meine Frau getrauert habe. Ich muss gehen, FP, und ich hoffe, sie kommt mit mir. Wenn nicht.. Ich werde trotzdem gehen. Es geht einfach nicht mehr. Ich hoffe, du verstehst das."
Er sah wieder zu FP, der ihn schweigend ansah.
„Wann hast du vor, LA zu verlassen? Was soll mit der Bar passieren?" fragte er schließlich.
„Das weiß ich noch nicht. Wir regeln erstmal das mit Eastwood. Immerhin ist das alles meine Schuld. Noch etwas, das durch meine Blödheit passiert ist. Bis das alles aus der Welt geschafft ist, werde ich mir Gedanken darüber machen, wohin es gehen soll und was ich machen will. Vorzugsweise natürlich gemeinsam mit Sam. Und die Bar.. da wird sich schon irgendjemand finden, der sie übernehmen würde," antwortete Chris, öffnete die Dose und nahm einen großen Schluck.
FP nickte nachdenklich.
„Ich kann dich verstehen und wenn du das wirklich durchziehen willst, helfe ich dir. Wir alle werden das. Das ist keine Frage. Obwohl es natürlich verdammt schade ist. Wir werden dich hier alle vermissen," sagte er.
„Mach dir keine Gedanken wegen der Serpents. Du wirst hier immer willkommen sein und Sam auch, sollte sie dich begleiten. Einmal ein Serpent, immer ein Serpent. Außer Cheryl. Die fliegt. Im hohen Bogen und Penny auch, sobald wir handfeste Beweise haben."
„Danke, FP. Ich weiß, es sieht verdammt undankbar aus, dass ich einfach so abhauen werde, aber es geht nicht anders."
„Wie gesagt, mach dir keine Gedanken. Niemand wird denken, dass du undankbar wärst. Dein Handeln ist verständlich," versicherte FP ihm.
„Darf ich dir einen Rat geben?"
Chris sah FP fragend an.
„Ja klar."
„Regle das mit Penny so schnell wie möglich. Gib ihr keine Chance, deine Beziehung kaputtzumachen. Ich habe eben kurz mit Lily geredet. Sie sagte, sie könne Sam verstehen und sie hat angedeutet, dass dieses Drama mit Penny für sie anstrengend ist und dass sie verstehen kann, wenn man irgendwann will, dass es irgendwann vorbei ist. Egal wie," erzählte Chris ihm.
FP nickte leicht geschockt. Er wusste zwar, dass Lily nicht begeistert davon war, dass er Penny Freundschaft vorspielen musste und dass er dadurch wieder ziemlich oft Kontakt zu ihr haben würde, aber sie hatte nie auch nur angedeutet, wie anstrengend es für sie war.
„Okay, danke. Ich werde es mir zu Herzen nehmen," entgegnete er und stand auf.
„Komm her."
Chris stand ebenfalls auf und die beiden Männer umarmten sich kurz.
„Ich drücke dir die Daumen, dass sich das alles wieder einrenkt und dass es alles so klappt, wie du es dir vorstellst," sagte FP.
„Danke. Aber noch bin ich ja nicht weg."
Chris rang sich ein Grinsen ab und setzte sich wieder.Lily stellte den Camaro neben Chris' Prius ab, der auf dem Parkplatz am Strand geparkt stand. Sie hatte sich schon gedacht, dass sie Sam hier finden würde. Sie stieg aus und ging zum Strand, wo sie Sam schon von weitem im Sand sitzen und aufs Meer hinaussehen sah. Als sie bei ihr angekommen war, setzte sie sich. Sam sah kurz zu ihr.
„Hat Chris dich geschickt?" fragte sie.
„Nein. Er war vorhin bei FP und mir, weil er mit FP sprechen wollte. Da hat er mir gesagt, dass ihr eine Auseinandersetzung wegen Cheryl hattet und dass er nicht wüsste, wo du bist und ob du allein sein willst. Da habe ich ihm angeboten, dich zu suchen," antwortete Lily.
„Worüber wollte er mit FP sprechen?"
Sam sah fragend zu ihr.
„Keine Ahnung. Über eine Entscheidung, die er getroffen hat. Er sagte, er hätte schon mit Cheryl darüber geredet und wolle jetzt mit FP reden."
„Okay."
Sam sah verwirrt aufs Meer. Sie fragte sich, was für eine Entscheidung das war und weshalb er ausgerechnet mit Cheryl darüber gesprochen hatte.
„Er sieht ziemlich fertig aus. Er hat wirklich Angst, dich zu verlieren," meinte Lily.
Sam seufzte und schloss kurz die Augen.
„Er wird mich nicht verlieren. Ich brauche einfach Abstand zu dem ganzen Cheryl-Mist. Ich ertrage das einfach nicht mehr und er scheint nicht zu verstehen, dass er sie mit seinem Verhalten immer wieder ermutigt. Auch wenn er vielleicht nicht mit ihr flirtet. Und ihr Verhalten mir gegenüber ist auch unterste Schublade," erklärte sie.
„Naja, du musst es aber auch so sehen: Solche verrückten Weiber wie Cheryl sehen alles als Ermutigung. Selbst wenn Chris sie windelweich prügeln würde, würde sie es wahrscheinlich noch toll finden. Die spinnt extrem und ist von ihm besessen. Anders kann ich mir das nicht erklären," gab Lily zu bedenken.„Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, ihn einfach aufzugeben und ihm Cheryl zu überlassen," gab Sam leise zu und brach dann unvermittelt in Tränen aus.
Betroffen nahm Lily sie in den Arm.
„Chris will dich. Nicht Cheryl. Sie kann dir doch noch nicht mal ansatzweise das Wasser reichen. Das weiß sie, sonst wäre sie nicht so hartnäckig. Rede nochmal in Ruhe mit Chris und vergiss Cheryl. Wenn sie euch nicht in Ruhe lässt, werde ich ihr höchstpersönlich mal den Kopf geraderücken und das geht sicher nicht schön aus. Sie wird es bereuen, überhaupt jemals einen Piep gesagt zu haben," sagte Lily.„Okay, aber das ändert nichts daran, dass er mich sowieso zum Teufel jagen wird, wenn er herausfindet, wer ich wirklich bin," antwortete Sam leise.
„Wer du wirklich bist? Du bist du. Egal, ob du nun FBI-Agentin bist oder bei Chris hinter der Bar arbeitest. Er liebt dich, nicht deinen Beruf. Natürlich wird er erstmal geschockt sein, wenn er erfährt, was du wirklich beruflich machst und weshalb du hierher gekommen bist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ihm das letztendlich egal ist," redete Lily leise auf sie ein.
Sie wünschte, sie könnte sich auch so sicher sein, was FP anging, aber er war nunmal sehr konsequent, wenn es darum ging, Menschen, die ihn verletzt oder hintergangen hatten, aus seinem Leben zu entfernen.
„Meinst du?"
Sam sah sie mit verweinten Augen an und Lily nickte.
„Ja, auf jeden Fall. Der Kerl ist verrückt nach dir. Gib ihm eine Chance, das zu beweisen," schmunzelte Lily.„Und du kümmerst dich um Cheryl?" fragte Sam leicht grinsend weiter.
„Jepp. Du kannst das Miststück schon als erledigt ansehen," antwortete Lily.
Sam lachte leicht.
„Sehr gut."Lily reichte ihr ein Päckchen Taschentücher, das sie eingesteckt hatte.
„Danke."
Sam wischte sich die Tränen weg und putzte sich die Nase.
„Sollen wir zurückfahren?"
Lily sah zu ihr und Sam nickte.
„Okay, Chris macht sich sicher halb verrückt vor Sorge," meinte Lily und stand auf.
Sam stand ebenfalls auf und gemeinsam gingen sie zurück zu den Autos.
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Undercover
أدب الهواةSam Walker und Lily Morgan sind zwei FBI-Agentinnen aus New York, die ihren Kollegen aus LA bei einem Gang-Problem unter die Arme greifen sollen. In LA wird ihnen schnell klar, dass sie nicht nach Anhaltspunkten für die Schuld der Southside Serpent...