Sam hatte es sich derweil am Strand gemütlich gemacht. Sie hatte noch etwas Zeit bis 18 Uhr. Sie saß auf einem großen Handtuch, schaute zum Meer und beobachtete die Surfer, die versuchten die beste Welle zu bekommen und lachte innerlich dabei. Jeder wollte der Beste sein.
Teilweise hatte sie den Eindruck, die Männer surften nicht, weil sie einfach Spaß am Surfen hatten, sondern nur, um ihre trainierten Oberkörper zur Schau zu stellen und um möglichst viele Bikinischönheiten, die es in LA wie Sand am Meer zu geben schien, zu beeindrucken. Sam konnte mit solchen Typen gar nichts anfangen. Sie beeindruckte in erster Linie Können und wenn jemand tatsächlich etwas tat anstatt nur darüber zu reden. Wenn dann noch die Persönlichkeit stimmte, war es perfekt. Sie wollte nicht abstreiten, dass gutes Aussehen wichtig war, jedoch hatte sie, bevor sie Paul kennengelernt hatte, zu viele Schönlinge mit viel Luft im Kopf getroffen, um gutes Aussehen als Kriterium dafür zu nehmen, ob sie mit jemandem zusammen sein wollte oder nicht. Nichts war langweiliger und abtörnender als ein tolles Äußeres gepaart mit einem IQ unter Raumtemperatur. Trotz dem guten Eindruck, den sie bisher von Los Angeles oder Kalifornien im Allgemeinen gehabt hatte, schien die Stadt ein besonderer Magnet für genau solche Typen zu sein.
Sam fragte sich, was dieser Chris Hemsworth für ein Typ war. Außer natürlich ein Krimineller, der im großen Stil mit Drogen dealte. Vom Aussehen her war er, zugegeben, schon ihr Typ. Blond, blauäugig, groß und muskulös. Bei ihrem Glück gehörte er jedoch zu der Sorte Mann, die dachte, dass Niveau eine Gesichtscreme war, was sie sich allerdings nicht wirklich vorstellen konnte. Aus Erfahrung wusste sie, dass die meisten Kriminellen, mit denen sie in der Vergangenheit zu tun gehabt hatte, sehr intelligent, wenn nicht sogar hochintelligent, waren und wirklich etwas auf dem Kasten hatten. Über die Hälfte von ihnen konnte meistens eine sehr gute Schullaufbahn aufweisen, manchmal sogar einen Collegeabschluss. Bis diese Leute irgendwann gelangweilt davon waren und in die Kriminalität abrutschten. Es war zwar nur ein fiktiver Charakter in einer Fernsehserie, aber das beste Beispiel war tatsächlich Walter White, die Hauptperson in „Breaking Bad". Er war ein intelligenter Chemielehrer, dem es irgendwann zu langweilig wurde, nur noch zu unterrichten und der dann anfing, Crystal Meth, eine tückischen Droge, herzustellen und zu verkaufen. Auch wenn er neben der Langeweile noch andere Beweggründe dafür gehabt hatte, war die Laufbahn von einem normalen Bürger zu einem Kriminellen in der Serie sehr gut wiedergegeben.
Sam seufzte und sah auf ihre Uhr. Es war mittlerweile halb 5 und sie sollte sich langsam auf den Weg zum Motel machen, um sich fertigzumachen und zum Whyte Wyrm zu fahren. Sie plante, etwas früher dort aufzutauchen, um Hemsworth eventuell schon abzufangen, wenn er die Bar öffnete. So würde sie Gelegenheit haben, alleine mit ihm zu sprechen und sich den Job zu sichern.
Sie zog sich ihr Shirt über, das ihr locker bis auf die Knie reichte, stand auf und raffte ihre Sachen zusammen, ehe sie sich auf den Weg zum Motel machte, ein etwa 5-minütiger Fußweg.
Am Motel angekommen, schloss sie die Tür zum Zimmer auf, wo ihr erster Blick auf Lily fiel, die sich in einem sehr knappen Outfit vor dem Spiegel hin und her drehte und dabei nicht sehr begeistert aussah.
„Wo hast du die Klamotten denn her?" fragte Sam grinsend, schloss die Tür hinter sich und warf ihre Sachen auf ihr Bett.
„Das ist meine Arbeitskleidung," antwortete Lily und sah durch den Spiegel zu Sam, die nun laut loslachte.
„Ernsthaft?"
„Ja, leider."
Lily seufzte.
„Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mir das mit dem Diner-Job echt dreimal überlegt."
„Naja, zumindest gibt es sicherlich jede Menge Trinkgeld," scherzte Sam.
„Das hat Pop auch gesagt," sagte Lily, während sie die Augen verdrehte.
„Wer?"
„Pop Tate, der Besitzer. Aber mal ehrlich, ich glaube, dieses Outfit für seine weiblichen Angestellten hat er sich sicher in erster Linie für sich selbst ausgesucht, damit er etwas zum Gucken hat. Das Trinkgeld ist nur ein vorgeschobener Grund," grinste Lily.
„Tja, typisch Männer."
Sam kramte in ihrem Trolley, um sich ein passendes Outfit zusammenzustellen.
„Außerdem kannst du deine Beine doch echt zeigen und hier geht es sogar ohne sich den Hintern abzufrieren," schob sie dann hinterher.
„Hhm ja. Das stimmt, aber ich muss so schnell wie möglich diese ‚New York-Bräune' loswerden. Die Leute halten mich sicher für den weißen Hai," scherzte Lily und warf sich auf ihr Bett.
„Genug Sonne gibt es hier dafür," meinte Sam.
„Was ist dein Plan für heute Abend?" wollte Lily wissen.
„Die Bar macht um 18 Uhr auf. Ich wollte etwas früher da sein, um Hemsworth abzufangen. So kann ich vielleicht noch mit ihm allein reden und mir den Job sichern. Wer weiß, wer sich da noch bewerben will," antwortete Sam.
„Gute Idee. Ich denke darüber nach, etwas später auch zur Bar zu kommen, um zu schauen, ob ich Jones nochmal antreffe," sagte Lily.
Sam sah überrascht zu ihr.
„Nochmal?"
„Ja, ich bin zufällig mit ihm zusammengestoßen, als ich den Diner verlassen habe," erwiderte Lily.
„Und? Hat er was gesagt? Wie hat er sich verhalten?"
„Ganz normal und vollkommen unauffällig. Er hat seine Lederjacke nicht getragen, nur ein Shirt mit einem hellen Flanellhemd darüber. Auf den ersten Blick sah er gar nicht wie ein Gangleader aus. Einfach nur wie irgendein Kerl, der etwas essen will. Nachdem wir zusammengestoßen sind, hat er sich kurz entschuldigt und ist weitergegangen," erzählte Lily.
„Ich muss zugeben, dass er in natura viel besser aussieht als auf dem Foto. Er hat eine wahnsinnige Ausstrahlung," fügte sie einige Momente später hinzu.
„Das ist bei den meisten Kriminellen so. Deswegen sei vorsichtig," ermahnte Sam sie.
„Bin ich, keine Sorge," grinste Lily und stand auf, um sich ihre Arbeitskleidung auszuziehen.
Sie würde sie noch früh genug tragen müssen und das ganze 8 Stunden am Tag. Tolle Aussichten. Nicht für sie, aber für die männlichen Gäste.
Sam sprang in der Zwischenzeit kurz unter die Dusche, um sich dann für den Besuch im Whyte Wyrm fertigzumachen. Sorgfältig stylte sie ihre Haare und schminkte sich. Im Stillen dankte sie YouTube, wo es jede Menge Make-up Tutorials gab, bei denen sie sich verschiedene Tipps geholt hatte. Sie schminkte sich natürlich fast täglich, jedoch brauchte sie für diesen Undercover-Job als eine Frau, die zu einer Bikergang gehören wollte, ein wenig Hilfe, was das Make-up anging.
Stolz betrachtete sie eine halbe Stunde später den perfekten Lidstrich, den sie zustande gebracht hatte und generell das Smokey-eyes Make-up, das ihre Augen toll zur Geltung brachte.
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Undercover
FanfictionSam Walker und Lily Morgan sind zwei FBI-Agentinnen aus New York, die ihren Kollegen aus LA bei einem Gang-Problem unter die Arme greifen sollen. In LA wird ihnen schnell klar, dass sie nicht nach Anhaltspunkten für die Schuld der Southside Serpent...