Teil 90

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Sam wurde wach, als sie im Halbschlaf neben sich tastete und nur das kühle Laken unter ihrer Hand spürte. Sie blinzelte neben sich und dann zum Wecker, der 12 Uhr zeigte. Sie streckte sich und setzte sich auf, wobei ihr Blick auf einen Zettel fiel, der auf dem Nachttisch lag. Sam griff danach und las.
>> Guten Morgen, Babe. Ich bin schon zum Großmarkt gefahren, um für die Bar einzukaufen und ich wollte dich nicht wecken. Ich bin heute Nachmittag wieder da. Ich liebe dich. Chris xxx<<<

Wehmütig las sie die letzten 4 Worte immer und immer wieder. Vermutlich würde das das letzte Mal sein, dass er ihr dies mitgeteilt hatte. Am Nachmittag würde sie ihm sagen müssen, dass sie ihn während der ganzen letzten Wochen wegen ihrer Identität angeschwindelt hatte. Wenn er dies erstmal erfuhr, wollte er vermutlich nichts mehr mit ihr zu tun haben.
Sam stand auf, machte sich fertig und legte dann den Trolley aufs Bett. Schweren Herzens begann sie, ihre Sachen zu packen und steckte Chris' Zettel zwischen die Seiten eines Buches. Dieser Zettel würde die einzige Erinnerung daran sein, dass sie jemand Neues in ihr Herz gelassen hatte.

Am Nachmittag begann Lily ebenfalls damit, ihre Sachen zu packen, was ihr unheimlich schwerfiel. Gerade, als sie den Trolley schließen wollte, fiel ihr Blick auf ein Hemd von FP, das er am Vortag noch getragen hatte. Sie griff danach und vergrub ihre Nase in dem Stoff, der so umwerfend nach FP roch. Tränen traten in ihre Augen, gegen die sie jedoch konsequent ankämpfte. Das Weinen würde sie sich aufsparen bis sie in New York in ihrem Loft war. Bis dahin musste sie stark sein. Ohne weiter darüber nachzudenken faltete sie das Hemd und legte es in ihren Trolley, ehe sie ihn endgültig schloss und vom Bett hob. Das Shirt von FP, das sie zum Schlafen getragen hatte, faltete sie zusammen und legte es unter sein Kissen. Ihre über alles geliebte Serpents-Jacke legte sie aufs Bett und fuhr nochmal mit den Fingern über das Leder.

Dann sah Lily sich kurz im Schlafzimmer um, ob sie vielleicht etwas vergessen hatte, und verließ es dann. Den Trolley stellte sie an die Tür. Ihr Blick fiel auf die Uhr, die kurz vor 16 Uhr zeigte. FP würde also bald Feierabend machen und nach Hause kommen. Lilys Herz raste, als sie daran dachte, was ihr bevorstand. Sie konnte jetzt schon FPs verletzten Gesichtsausdruck vor sich sehen. Sie setzte sich auf die Couch und ließ ihren Blick durch den Trailer wandern, der nun fast keine Ähnlichkeit mehr mit dem Trailer hatte, in den sie vor ein paar Wochen eingezogen war. Er war nun viel gemütlicher und wohnlicher. Sie musste lächeln, als sie Jugheads Jacke am Haken neben der Tür hängen sah. Dass er nun wieder bei FP wohnte, war vermutlich das Allerbeste, das passiert war. Sie hoffte sowohl für FP als auch für Jughead, dass es so bleiben würde.

Lily hatte das Gefühl, dass ihr Herz stehenblieb, als sie draussen jemanden die Stufen hochkommen hörte. Kurz darauf wurde die Tür geöffnet und FP betrat den Trailer. Sein Blick fiel fast sofort auf sie und er lächelte.
„Hi Prinzessin."
Lily atmete tief durch, stand auf und ging zu ihm.
„Wie war die Arbeit?"
„Wir haben viel zu tun, was aber gut ist, und durch die neuen Männer, die Fred eingestellt hat, ist es viel besser zu bewältigen," antwortete er.
„Das freut mich," sagte Lily und rang sich ein Lächeln ab.

FP zog sie zu sich und küsste sie zärtlich, während er sie an sich drückte. Lily schlang ihre Arme um seinen Hals und erwiderte seinen Kuss, wobei sie versuchte, nicht daran zu denken, was sie ihm gleich mitteilen musste.
„Ich liebe dich, FP. So sehr," flüsterte sie etwas später, legte ihre Stirn gegen seine und streichelte ihm über die Wange.

FP lächelte und sie versuchte sich den warmen Ausdruck in seinen Augen einzuprägen. Es war das letzte Mal, dass sie ihn sehen würde.
„Ich liebe dich auch, Prinzessin."

Er küsste sie nochmal kurz und drückte sie an sich, ehe er sie losließ.
„Sorry, ich muss ganz dringend duschen."
Er zog sich das Hemd aus und das Shirt über den Kopf, während er zum Bad ging. Lily sah ihm nach. Sie konnte sich einfach nicht überwinden, ihm die Wahrheit zu erzählen. Die Versuchung, einfach ihren Trolley zu nehmen, während er duschte, und abzuhauen, war plötzlich sehr groß. So würde sie zumindest nicht seinen verletzten oder wütenden Gesichtsausdruck sehen. Aber FP verdiente eine Erklärung.
„Wie wäre es, wenn wir gleich einfach eine Pizza bestellen? Ich habe Hunger wie ein Wolf und kochen würde einfach zu lange dauern," schlug er vor und drehte sich an der Tür zum Bad nochmal zu ihr um.
„FP.." setzte Lily an, doch er unterbrach sie, als sein Blick auf den Trolley fiel.
„Was macht dein Trolley hier?" fragte er und sah sie fragend an.
„FP, ich muss dir was sagen.." fing Lily an und schloss kurz die Augen, ehe sie zu ihm sah.
FP blickte sie teils ernst, teils fragend an, doch plötzlich veränderte sich seine Miene, als er verstand, und sie konnte Fassungslosigkeit in seinem Gesicht sehen.
„Das ist nicht wahr, oder?" fragte er mit brüchiger Stimme, wobei er ein paar Schritte auf sie zu ging.
„Du verlässt mich?"
Lily konnte ihr Herz beinahe brechen spüren, als sie die Verzweiflung in seinen Augen sah.
„Nein, ganz so ist es nicht," antwortete sie leise.
„Es sieht aber verdammt danach aus," erwiderte FP und blickte sie nun mit ausdrucksloser Miene an.
„So ist es aber nicht," wiederholte Lily und musste gegen die Tränen ankämpfen.
„Bitte, lass es mich erklären, okay?"
Sie ging zu ihm und griff nach seinen Händen, die er jedoch gleich wegzog. Er stieß ein bitteres Lachen aus.
„Was gibt es da noch zu erklären?" fragte er.
„Verschwinde."
„Nein, FP. Lass es mich bitte erklären," sagte Lily nun mit fester Stimme und sah ihn ernst an.
Er erwiderte ihren Blick einige Momente stumm und die Verachtung in seinem Blick brachte sie fast um.
„Schieß los," meinte er schließlich.
„Ich liebe dich, FP. Das musst du mir glauben," fing sie an, aber FP schnaubte nur verächtlich.
„Es gibt da etwas, was ich dir nicht von mir erzählt habe. Mein Name ist Lily Morgan, ich bin 35 und komme aus New York, wo ich auch geboren wurde," fuhr sie fort.
FP sah sie verwirrt an.
„Was?"
„Die ganzen Sachen, die euer Informant über mich, oder vielmehr über Lily Jackson, herausgefunden hat, sind erfunden. Nichts von dem stimmt. Ich habe nie im Gefängnis gesessen und ich habe auch nie ein Auto von meinem Ex-Chef geklaut, um es zu verkaufen."
Sie konnte sehen, dass FP sie immer verwirrter ansah, je mehr sie erzählte.
„Ich bin FBI-Agent und auf Gangs spezialisiert. Vor etwa zwei Monaten hat das FBI in Kalifornien uns in New York kontaktiert, weil sie den Verdacht hatten, dass die Southside Serpents, genauer gesagt du und Chris, im Drogenhandel involviert sind. Sam und ich sollten uns undercover in die Gang einschleusen und Informationen darüber sammeln."
FP hob kurz erstaunt die Augenbrauen, sah sie dann jedoch wieder völlig fassungslos an.
„Sam und ich haben aber schnell gemerkt, dass an dem Verdacht mit dem Drogenhandel nichts dran war und stattdessen haben wir dann nach Beweisen für eure Unschuld gesucht. Was uns gelungen ist. Du und Chris seid offiziell unschuldig und aus dem Fall raus. Eigentlich die gesamten Southside Serpents. Nur Penny wird allein dafür geradestehen müssen, jetzt, wo Scott tot ist," erklärte Lily ihm ruhig.
FP ließ sich schweigend in den Sessel fallen und starrte einige Zeit vor sich hin, ehe er zu ihr aufsah. Die Verachtung war in seine Augen zurückgekehrt.
„Was war noch alles gelogen?" fragte er kalt.
Lily hockte sich vor ihn und griff erneut nach seinen Händen. Diesmal ließ sie es nicht zu, dass er sie zurückzog. Sie sah ihn fest an.
„Sonst nichts, FP. Alles andere ist wahr. Alles andere, was ich dir von mir erzählt habe, entspricht der Wahrheit. Besonders das, dass ich mich in dich verliebt habe und dass ich dich liebe," sagte sie leise und musste gegen den Kloß in ihrem Hals ankämpfen.
„Du kannst mir glauben, dass ich damit nicht gerechnet habe. Ich wollte eigentlich nur herkommen, den Fall abschließen und dann wieder zurück nach New York fliegen und weiterhin meinem Job und meinem Leben nachgehen. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich mich Hals über Kopf in dich verliebe. Es war so schwer, dir nichts von meinem anderen Leben zu erzählen und das ist es jetzt auch, aber du hast diese Erklärung verdient, bevor ich zurück nach New York fliege. Mir ist klar, dass du mich jetzt vermutlich hassen und zum Teufel jagen wirst. Meine Serpents-Jacke liegt auf dem Bett," sagte sie ihm leise.
„Ich möchte dir nur noch sagen, dass ich wirklich ehrlich stolz darauf war, dazuzugehören. Ihr seid eine tolle Truppe. Und ich bin stolz auf dich, FP. Du hast dein Leben wieder auf die Reihe gekriegt, hast einen tollen Job, kannst Jellybean wieder sehen und Jughead lebt wieder bei dir. Vermutlich willst du dir von mir nichts mehr sagen lassen, aber halt das alles fest, okay? Du bist ein unglaublich toller Mann und du verdienst nur das Beste. Ich liebe dich."

FP hatte sich alles angehört. Ihm kam es vor wie ein böser Traum, aus dem er schnell aufwachen wollte. Er sah sie an, ohne eine Miene zu verziehen. Lily hatte das Gefühl, er würde durch sie hindurch sehen. Sie hockte weiter vor ihm und sah ihn traurig an.

„Bitte hasse mich nicht dafür, FP" bat sie ihn leise und drückte leicht seine Hände.

„Ich liebe dich", flüsterte sie leise und biss sich auf die Lippen, um nicht weinen zu müssen. „Wartet jemand in New York auf dich?" fragte FP weiterhin ohne eine Miene zu verziehen.

„Nein", antworte Lily ehrlich.
„Ich und ein Drogendealer, wow. Und wieder diese Vorurteile. Dann sage ich mal Danke, dass du das Gegenteil bewiesen hast," fügte er ironisch hinzu.

Sie hatte das Gefühl, ihr Herz würde zerreißen. Es tat ihr weh, ihn so zu sehen, ihn verletzt und ihn belogen zu haben, in manchen Dingen. Ihre Gefühle zu ihm waren echt. Aber ob er ihr das jetzt noch glauben würde? Lily war verzweifelt. Sie wollte ihn nicht verlieren.

„Hast du vielleicht mal an meine Kiddies gedacht, wie die sich sie jetzt fühlen werden?"
Sein Blick wurde kälter und Lily sah Wut und Enttäuschung in seinen Augen.
„Glaube mir, ich habe ständig daran gedacht und es bricht mir das Herz. Ich habe Jughead und Jellybean verdammt gerne. Ich habe sie in mein Herz geschlossen."

Lily merkte, dass sie ihre Tränen nicht mehr lange unterdrücken konnte.

„Ich habe dir vertraut, Lily. Mich in dich verliebt. Meine Gefühle zugelassen, nach all dem Mist, den ich verbock habe", sagte er enttäuscht, stand auf, ging an ihr vorbei zum Kühlschrank, öffnete ihn und sah hinein.
„Bitte, FP. Fang nicht wieder an zu trinken."

Lily stand ebenfalls auf und sah zu ihm. Sie wusste, wenn er jetzt wieder mit dem Trinken anfangen würde, wäre es ihre Schuld und das würde sie sich nie verzeihen.

„Kann dir doch jetzt egal sein, was mit mir ist, oder? Wolltest du nicht gehen?"
Er drehte sich zu ihr um und sah sie kühl an. Lily erschrak. Diesen Blick kannte sie nicht von ihm.

„Es tut mir unendlich leid, FP."

Lily ging zu ihm, strich mit ihren Fingern sanft über seinen Arm und sah ihn traurig an. FP würdigte sie keines Blickes und blieb eiskalt. Lily legte einen kleinen Zettel auf den Küchentresen, mit ihrer Adresse und Handynummer, nahm ihren Trolley und drehte sich noch einmal zu ihm um.
„Ich liebe dich, FP. Vergiss das bitte nicht", sagte sie ihm leise.

Doch FP blieb stur und sah sie nicht an. Traurig verließ Lily den Trailer. Ging zu ihrem Camaro und verstaute den Trolley im Kofferraum. Sie drehte sich zum Trailer und sah zur Tür, in der Hoffnung FP käme hinter ihr her, doch die Tür blieb geschlossen.

FP schloss seine Augen, die sich mit Tränen füllten. Er war wieder belogen worden. Gladys hatte ihn verlassen, weil er in ihren Augen ein Versager war. Penny hatte ihn belogen und benutzt für ihre illegalen Geschäfte mit Eastwood. Und jetzt Lily, die er von Herzen liebte, hatte ihn ebenfalls belogen. War er so ein schlechter Mensch, dass er so bestraft werden musste?

Er war glücklich gewesen mit Lily. Sie war eine Frau, die ihm auch mal ihre Meinung gesagt hatte. Sie hatte Rückgrat. Sie war auch diejenige, die ihn vom Trinken abgehalten hatte. Genau das hatte er gebraucht. Und jetzt diese Enttäuschung. Er ging ins Schlafzimmer und sah zu der Jacke, die auf dem Bett lag. Er musste leicht schmunzeln, als er daran denken musste, wie sie versucht hatte, ihn zu bestechen, damit sie nicht diesen Tanz machen musste. Er zog sich an und nahm seinen Schlüssel, der auf dem Küchentresen lag. Er sah den Anhänger, den Lily ihn geschenkt hatte. Er strich mit dem Zeigefinger darüber. Seine Augen füllten sich wieder mit Tränen. Er vermisste sie jetzt schon, aber die Enttäuschung, von ihr belogen worden zu sein, war größer. Das musste FP erst mal verdauen. Und wie sollte er Jughead und Jellybean erklären, dass Lily in Wahrheit erst gegen ihn ermittelt hatte und dass sie vom FBI war? Die zwei hatten Lily sofort in ihre Herzen gelassen. Sie mochten Lily. Es war einfach zu viel.

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