Teil 96

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Nachdenklich saß Chris im Büro und starrte auf den Computerbildschirm, nachdem Snake ihn an der Theke abgelöst hatte. Der Mauszeiger schwebte über einem „Buchen"-Button bei einem Flug nach New York auf der Webseite einer Fluggesellschaft, doch Chris konnte sich nicht dazu überwinden, zu klicken. Tausende Gedanken rasten durch seinen Kopf und sein Herzschlag wies eine fast schon ungesunde Frequenz auf. Sollte er wirklich nach New York fliegen? Während sein Herz ganz laut ja schrie, war sein Kopf da eher skeptischer und versuchte ihn davon zu überzeugen, dass es keine gute Idee war. Dass es besser war, mit seinem Leben weiterzumachen und Sam zu vergessen. Allerdings war Chris sich ganz und gar nicht sicher, ob er überhaupt dazu in der Lage war, sie zu vergessen.
„Ach, verdammt," murmelte er und buchte den Flug, der ihn am nächsten Morgen um 10 Uhr nach New York bringen würde.
Immerhin hatte er nichts zu verlieren. Zumindest nichts, was er nicht eh schon verloren hatte. Er stand auf, verließ das Büro und ging zu Snake.
„Meinst du, du kannst die Bar ein paar Tage allein schmeißen?" fragte er ihn.
„Klar, das schaffe ich schon. In der Woche ist ja nicht ganz so viel los. Wenn es doch zu viel werden sollte, habe ich hier jede Menge Hilfe," antwortete Snake und zuckte mit den Schultern.
„Okay, super. Ich fliege morgen nach New York. Ich weiß nicht, wie lange ich bleiben werde," erklärte Chris ihm und Snake sah ihn entgeistert an.
„Dass ich das noch erleben darf. Komm bloß nicht ohne sie zurück, okay?" grinste er und klopfte Chris auf die Schulter.
Dieser erwiderte das Grinsen schief.
„Mal schauen. Ich möchte einfach nochmal mit ihr reden. Keine Ahnung, was daraus wird," erwiderte er.
Snake winkte ab.
„Wir alle wissen, was daraus wird. Sie ist die Richtige für dich, Chris. Egal, was du dir gerade selbst einredest," meinte er.
„Es ist wirklich interessant, dass alle hier besser als ich wissen, was ich denke," entgegnete Chris amüsiert, klopfte Snake kurz auf die Schulter und ging zurück in sein Büro.

Lily hatte keine Ahnung, wie lange sie bereits vor der Tür des Trailers stand. Ihr Herz raste wie verrückt, wenn sie daran dachte, dass sie und FP nur wenige Meter und die ziemlich dünne Wand des Trailers trennten. Drinnen konnte sie den Fernseher hören und hin und wieder Jugheads Lachen. Sie konnte sich nur allzu gut vorstellen, wie die beiden auf der Couch saßen, die Füße auf dem Couchtisch abgelegt und einen Pizzakarton zwischen sich. Vor ein paar Wochen war sie noch dabei gewesen. Lily musste bei der Erinnerung daran lächeln. Sie atmete noch einmal tief durch und hob die Hand, um zu klopfen, doch in diesem Moment hörte sie FP fragen: „Bringst du mir eine Cola mit, Jug?" Einen Moment lang hatte Lily das Gefühl, ihr Herz würde stehenbleiben, als sie FPs Stimme hörte und im gleichen Moment verließ sie der Mut. Was machte sie hier überhaupt? Was erhoffte sie sich davon, dass sie tatsächlich nach LA zurückgeflogen war? FP würde ihr mit Sicherheit keine Chance geben, alles in Ruhe zu erklären. Er würde sie nur wieder mit diesem kalten Blick ansehen, der ihr durch Mark und Bein gegangen war.
Entschlossen drehte Lily sich um und stieg die kurze Treppe wieder hinunter. Sie war bereits auf dem Weg zu ihrem Auto, als sie das leise „Ding" ihres Handys hörte, das ihr mitteilte, dass sie eine Nachricht erhalten hatte. Sie zog das Handy aus der Hosentasche und sah aufs Display. Es war eine Nachricht von Jughead.
>>Hey Lily, ist alles okay bei dir? Wo bleibst du? Hat der Flug Verspätung? Ich hoffe, du hast es dir nicht anders überlegt. Dad braucht dich. Melde dich bitte. Jug<<

„Verdammt," fluchte sie leise und steckte das Handy wieder in ihre Hosentasche.
„Ich weiß, ich werde das vermutlich bereuen," murmelte sie, während sie zurück zum Trailer ging, die Treppe hochging und ohne weiter nachzudenken klopfte.
„Ich gehe schon, Dad," hörte sie Jughead sagen.
Die Geräusche des Fernseher stoppten und sie hörte Schritte, die sich der Tür näherten, ehe die Tür geöffnet wurde und Jughead vor ihr stand.
Der grinste sie erleichtert an.
„Ich habe schon gedacht, du tauchst nicht auf."
„Ich war eben kurz davor, wieder zu fahren," gab Lily zu, wobei sie Jughead kurz umarmte.
„Komm rein. Dad ist gerade im Bad," meinte er und ließ sie eintreten.
Zögernd betrat Lily den Trailer und sah sich um. Es hatte sich nichts verändert, abgesehen von der Tatsache, dass deutlich zu sehen war, dass nun ein Teenager mit im Trailer lebte. Über dem Sessel hingen diverse Kleidungsstücke und ein Paar Schuhe stand mitten im Raum.
„Sorry, ist nicht gerade aufgeräumt," grinste Jughead schief, schnappte sich die Schuhe und zog sie sich an.
Anschließend nahm er die Kleidungsstücke und stopfte sie in einen Rucksack.
„Nicht schlimm. Es fühlt sich trotzdem wie zu Hause an," meinte Lily.
„Das ist es ja auch gewissermaßen," grinste Jughead.
„Nein, nicht mehr," erwiderte Lily traurig.
„Das wird schon wieder. Glaub mir, Dad will, dass du zurückkommst. Er will es nur nicht zugeben, weil er so ein Dickkopf ist," versicherte Jughead ihr.
Die Tür zum Bad ging auf und FP betrat den Wohnbereich. Lily hielt den Atem an, als sie ihn sah und musste sich zurückhalten, um nicht zu ihm zu gehen und ihm um den Hals zu fallen. In New York hatte sie noch gedacht, dass sie ihn wahnsinnig vermisst hatte, aber als sie ihn nun sah, wurde ihr klar, dass das vollkommen untertrieben war.
„Wer war da an der T.."
FP blieb wie angewurzelt stehen, als sein Blick auf Lily fiel, und er starrte sie völlig entgeistert an.
Einige Augenblicke erwiderte Lily seinen Blick, ehe sie leise sagte: „Hallo FP."
„Was machst du hier?" wollte er schließlich wissen und Lily stellte erleichtert fest, dass es eine ganz normale Frage war, in der sie außer Überraschung nichts hörte.
„Ich habe sie angerufen und sie gebeten herzukommen, Dad," antwortete Jughead für sie.
„Warum?" fragte FP, ohne den Blick von Lily zu nehmen.
„Weil es dir scheiße ging und du gesagt hast, dass du sie vermisst und sie liebst. Deswegen," antwortete Jughead, der sich nun den Rucksack auf den Rücken schnallte.
„Ich bin heute Nacht bei Archie und Fred. Bis morgen ihr zwei. Klärt das," meinte er dann, schnappte sich den Schlüsselbund, der auf dem Küchentresen lag, und verließ den Trailer.
Das Nächste, das sie hörten, war das Türschloss, das von außen abgeschlossen wurde, woraufhin wieder Leben in FP kam.
„Moment, hat er gerade etwa die Tür abgeschlossen?" fragte er und eilte zur Tür.
Auch Lily löste sich aus ihrer Erstarrung und beobachtete, wie FP am Türknauf rüttelte.
„Ich glaub's nicht," murmelte er und hämmerte gegen die Tür.
„Jughead, schließ sofort wieder auf. Jughead!"
Wieder rüttelte er am Türknauf. Von draussen kam keine Antwort. Jughead war vermutlich schon längst abgehauen.
„Unglaublich," schimpfte FP und ging zum Küchentresen, um seinen Schlüssel zu holen, doch der war weg.
Lily merkte plötzlich, wie sich ein Grinsen auf ihre Lippen stahl. Diese Situation war einfach zu absurd und zu komisch. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, um das Grinsen zu verstecken, während sie FP dabei beobachtete, wie er ein Kästchen aus einem der Küchenschränke nahm und hineinsah, bevor er es in die Ecke feuerte.
„Er hat sogar den Ersatzschlüssel mitgenommen."
FP fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, wobei er es vermied, zu Lily zu sehen. Er konnte nicht glauben, dass sie tatsächlich hier war und er wusste noch nicht, ob er sich darüber freuen sollte oder sauer auf Jughead sein sollte, weil er sie hinter seinem Rücken angerufen hatte.
„Ich weiß wirklich nicht, woher er solche Ideen hat," meinte er schließlich.
„Ich würde sagen, es ist Vererbung," sagte Lily und verkniff sich immer noch ein Grinsen.
„Das kann nicht sein. Ich war ein ziemlich braves Kind," erwiderte er.
FP sah kurz zu ihr und sie konnte sehen, wie seine Mundwinkel zuckten, ehe sie beide anfingen zu lachen.

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