Kapitel 170

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Der nächste morgen

Vollkommen erschöpft schalte ich meinen Wecker aus und lege mich dann wieder auf dem Rücken ins Bett. Meinen Blick halte ich starr an die Decke, doch so wie jeden verfluchten morgen fällt er doch wieder auf die Seite. Eine leere Bettseite. Leer, das beschreibt auch mein Gefühl bei diesem Anblick recht gut. Doch bevor ich wieder einmal in zu viel Selbstmitleid versinke raffe ich mich auf und ziehe mich an. Schnell noch die Zähne geputzt, gehe ich die Treppen runter. „Guten Morgen" kommt es von einer strahlenden Willow die bereits am Esstisch neben ihrem Vater sitzt. „Guten Morgen" gebe ich ihr mit einem Lächeln zurück und zumindest dank ihres Anblickes am Morgen ist es nicht ganz gefälscht. „Hier dein Tee" reicht mir Lucy die Tasse als ich mich an den Tisch setze. „Danke" sage ich und halte meine kalten Finger zu der warmen Tasse. „Komm mit Shirin" holt mich Willow aus den tiefen der Tee Tasse und zieht mich mit sich mit ins Wohnzimmer. „Heute ist das Rennen in Australien" gibt mir die kleine zu verstehen und setzt sich prompt auf die Couch. Versuchend mir nichts anmerken zu lassen, vor allem nicht vor Willow setzte ich mich neben sie und Blicke auf den Fernseher. Die Moto3 fährt gerade und selbst das lässt meine Atmung sofort unregelmäßig werden. Als würde es Willow merken klatscht sie mit ihrer Hand über meinen Oberschenkel und hat sichtlich Spaß daran den Jungs am Fernseher zuzusehen. Ich schmunzle leicht über ihre Euphorie und sehe dann wie auch Cal und Lucy sich zu uns setzen.

Als dann auch die Moto2 fertig ist kommt nur noch eine, die MotoGP. Noch verkrampfter als zuvor sitze ich immer noch neben Willow und spüre wie mein Herz schneller zu schlagen beginnt. Irgendwie muss ich mich von dieser Situation ablenken, aber ich weiß nicht wie. Ich suche und suche in meinem Kopf nach Antworten auf Fragen. Fragen die ich nicht genau kenne und weiß... „Schau da ist Fabio" spricht dann Willow seinen Namen aus was mein Herz kurz zum Aussetzen bringt. Ich blicke starr auf den Bildschirm auf den Fabio in seiner Box zu sehen ist. Kommt es mir nur so vor oder sieht er auch anders aus. Irgendwie scheint es als wäre er woanders mit seinen Gedanken. Es scheint zumindest so als er zuerst seine Handschuhe anzieht und dann mitten drin drauf kommt das er ja noch den Helm anziehen muss. Als dann ein anderes Bild kommt senke ich meinen Blick und versuche die Tränen die sich ihren Weg nach draußen bahnen wollen zurück zu halten. „Ich hole mir noch einen Tee" werfe ich schnell ein um aufstehen zu können. Als ich in der Küche bin lehne ich mich an die Küchenzeile und atme erstmals durch. Sofort schüttle ich den Kopf, weil es eh nichts bringt und ich nicht weiß warum ich das eigentlich jedes Mal wieder versuche. Nichts vermag es dieses Gefühl das ich die ganze Zeit schon in mir trage zu ändern...

Während des gesamten Rennes setzte mein Herz jedes verdammte mal aus als Fabio auf den Bildschirm kam. Doch ich konnte nicht darum hin nicht hinzusehen. Im Gegenteil jedes Mal hielt ich den Blick starr drauf und hoffte ihn noch etwas länger zu sehen, auch wenn es eigentlich weh tat. Aber seit Tagen habe ich ihn nicht mehr gesehen, seine Stimme nicht mehr gehört und ich vermisse es. Ich vermisse ihn.

Bis zum Ende hin hielt ich es aus die Tränen nicht durch zu lassen, weil es der endgültige Beweis wäre das mit mir etwas nicht stimmte. Wobei es bei meinem seltsamen verhalten von dem ich weiß das ich es zurzeit habe nicht unbedingt schockierend wäre. Aber als Fabio dann auch noch als 11ter ins Ziel kam hielt ich es nicht mehr aus. Meine Tränen begonnen sofort zu fließen. Vielleicht weil er nur 11ter wurde und ich wusste wie gerne ich jetzt bei ihm wäre, vielleicht weil ich wusste das es das Ende des Rennens war und ich ihn nun nicht mehr am Fernseher sehen würde, vielleicht aber auch nur weil ich es nicht mehr zurückhalten konnte. All das was sich aufgestaut hatte...

„Warum weinst du jetzt?" fragt mich Willow mit wirklich niedlicher Stimme, was mir sofort ein lächeln beschert. „Ich ähm... ich..." stottere ich vor mich hin und versuche eine vernünftige Antwort für eine 5-jährige zu finden. Ich blicke mich um und sehe auch die Blicke ihrer Eltern als ich dann sage „Weißt du ich bin nur traurig für Fabio." Als ich seinen Namen sage kommt mir eine weitere Träne über die Wange, denn auch seinen Namen habe ich schon seit Tagen nicht mehr aussprechen können. Doch Willow fragt mich sofort „Aber warum denn?" Ich seufze einmal und versuche so gut es geht mein Lächeln zu halten als ich sage „Ja weißt du, er hat heute kein so gutes Ergebnis erzielt und das tut mir leid für ihn..." „Oh...aber ich bin mir sicher, dass du ihm da helfen kannst. Wenn Papa traurig war, weil er keinen guten Platz hatte, habe ich ihn immer abgelenkt zusammen mit Mami. Vielleicht kannst du das auch bei Fabio tun?" Wenn Willow so weiter macht wird sie mir noch den Rest damit geben denke ich mir. Aber die Kleine ist auch wirklich süß wie sie es sagt und dass sie mir damit ja nur helfen will. „Ja, das mache ich" sage ich ihr noch und spüre das ich die Tränen jetzt einfach nicht mehr halten kann. „Entschuldigt mich bitte" sage ich noch schnell und gehe dann hoch in mein Gästezimmer.

Ich schließe hinter mir die Türe und lehne mich an sie. Sofort schließe ich meine Augen und lasse den Tränen freien Lauf. Nicht das ich zu diesem Zeitpunkt auch nur irgendeine Wahl hätte. Ich rutsche an der Türe hinunter auf den Boden und ziehe meine Knie zu mir. Mit dem Kopf gegen meine Arme und Beine gepresst schluchzte ich auf und so vieles kommt mir in den Kopf gedonnert. Nicht nur schlechtes, sondern auch gutes aber das macht an diesem Punkt keinen Unterschied mehr. Denn auch die Guten Erinnerungen bringen mich zum Weinen. Und das alles ist voll und ganz meine Schuld...

Schon den ganzen Tag liege ich in dem Zimmer und vegetiere eher vor mich hin als das ich irgendetwas anderes mache. Die Gedanken scheinen mich zu erdrücken und immer weiter in ein nimmer endendes Loch ziehen zu wollen. Aber irgendwie bin ich gerade an den Punkt angekommen wo ich es einfach zulasse. Ich wüsste keinen Grund warum auch nicht. Weder Cal noch Lucy haben nach mir gesehen, aber dafür bin ich ihnen Dankbar denn ich wollte mit niemanden reden. Wohlwissend das sie mir sicher auch gerne helfen würden und wissen würden um was es wohl geht, aber dennoch denke ich auch das ihnen bewusst ist das ich nicht reden wollte. Vertieft in meine Gedanken, wobei mir hunderte so scheint es durch den Kopf jagen vermag ich es nicht mich an einem fest zu halten. Immer wieder kommt ein neuer dazu und noch einer und noch einer und noch einer... Als es plötzlich an der Türe klopft und mich damit hochschrecken lässt. Ich wische mir schnell meine Tränen aus dem Gesicht, wobei ich auch verwundert bin das ich so viel Tränenflüssigkeit wie ich heute ausgeschüttet habe überhaupt besitze. Ich muss auf jeden Fall weniger wiegen nach dem von heute. „Ähm ja?" versuche ich meine Stimme halbwegs normal klingen zu lassen, aber nach dem vielen geschluchzte ist das doch recht schwer. „Darf ich reinkommen?" kommt die Frage von der wohl süßesten kleinen Stimme. Sie zaubert mir sofort ein lächeln hin als ich dann „Ja natürlich" sage. 

When your life changes, do you keep going or do you go back?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt