Kapitel 12

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Nach einer Woche harten Trainings ist nicht nur Pepino sichtlich erschöpft, sondern auch ich spüre jeden einzelnen Muskel in meinem Körper. Daher kann ich sagen bin ich sehr froh das wir heute früher Schluss machen. Ich bin gerade dabei meine Sachen wieder in den Anhänger zu laden als mich jemand von hinten antippt. „Hey Fabio, was gibt's?" frage ich ihn mit einem Lächeln. „Ich wollte dich fragen ob du vielleicht heute noch etwas unternehmen möchtest, da wir ja früher fertig sind?" Himmelherrgott Ja! Schreie ich in meinem Kopf aber im gleichen Moment schreien meine Muskeln, was zur Hölle auf gar keinen Fall! Und aus meinem Mund kommt „Unternehmen was denn genau?" „Ich weiß nicht du kannst was ansagen, immerhin kennst du dich hier besser aus. Das einzige was ich hier kenne ist diese Ranch und deine." „Hm ich kann dir noch eine andere Ranch zeigen, wenn du willst" sage ich scherzhaft gemeint. „Klar wieso nicht" antwortet er jedoch ernst. Verwirrt sehe ich ihn an und sage „Was ehrlich? Du, du willst dir wirklich noch eine Ranch ansehen? Sowas machst du aber sonst nicht." „Wieso meinst du? Was mache ich denn sonst so?" „Naja ich will ja jetzt nicht zugeben das ich dich auf den sozialen Netzwerken gestalkt habe, aber ich habe so nebenbei gesehen das du eher so der Typ für Motocross fahren eben oder dieses wie heißt das wo man mit so einem Gerät über dem Wasser fliegen kann?" „Flyboard." „Ja genau das, eben solche Sachen und nicht langweilig eine Ranch ansehen..." sage ich während ich meine Sachen weiter einräume. „Naja wir können auch gerne mal sowas zusammen machen, aber ich muss nicht dauernd Action haben. Das habe ich schließlich bei der Arbeit immer. Ich kann es auch ruhig angehen lassen." Überrascht über seine Antwort gebe ich ihm ein kurzes „Okay" zurück.

Nachdem wir Pepino bei mir zuhause abgeladen haben mache ich mich mit ihm auf den Weg zu den Houndwood Hill Horse Stable, jenem Pferdestall bei dem ich tagtäglich normalerweise arbeite. Als wir dort ankommen ist es 16:00 Uhr und Nadja, die Hofbesitzerin gibt noch Reitunterricht. Wir steigen also aus und werden gleich vom 70 kg schweren Neufundländer Remmy begrüßt.

„Hey na, wer bist denn du?" fragt Fabio während er von ihm genau unter die Lupe genommen wird. „Das ist Remmy, der Aufpasser hier. Allerdings sieht er nur aus wie ein Bär. Verhalten tut er sich eher so wie ein Teddy." Antworte ich während ich ihn am Kopf streichle. „Also hier arbeitest du?" fragt er während wir in Richtung des überdachten Reitplatzes gehen. „Ja genau. Ich kenne die Besitzerin schon sehr lange, da ihr Mann und mein Dad zusammenarbeiten. Und dort sind sie mal ins Gespräch über Pferde gekommen. Da fing alles an. Ich wechselte von meinem damaligen Reitstall hier her und als ich älter war trainierte ich hier meine ersten Pferde. Denn sie rettet immer Pferde aus schlechten Verhältnissen oder vom Schlachter und meistens haben die Tiere nicht nur körperliche Probleme, sondern auch bei ihrem Verhalten oder eben, wenn man mit ihnen Arbeiten will. Und als ich dann heuer beschlossen habe das ich mich selbständig machen will, traf ich eine Übereinkunft mit ihr. Ich helfe ihr beim Stall und beim Training ihrer Pferde, dafür darf ich auch mit ihnen unterrichten und darf hier auch andere Trainings Pferde unterstellen." „Das hört sich toll an." „Ohja das ist es auch, ich hatte heuer schon zwei Trainings Pferde bevor ich nach Finnland gegangen bin und habe auch schon denn ein oder anderen Reitschüler" erkläre ich voller Stolz. „Weißt du was ich da heraus höre...... Dieselbe Leidenschaft die ich für das Motorradfahren habe." „Naja es war immer mein größter Traum mit Pferden zu arbeiten. Und dieses Gefühl, wenn ich das erste Mal auf den Rücken eines Jungpferdes sitze. Es ist irgendwie magisch, quasi dort zu sitzen wo noch nie jemand saß. Auch wenn es nicht immer für lange ist" antworte ich und falle ins lachen. Daraufhin lacht auch er.

„Hey Shirin, was machst du denn hier? Ich dachte du brauchst diese und nächste Woche fei?" ruft Nadja mir vom Reitplatz aus zu. „Jaja keine Sorge ich komme nicht zum Arbeiten. Ich wollte nur einem Freund die Ranch zeigen" und während ich das sage dämmert es mir. Sind wir eigentlich Freunde? „Ach so ist das, na dann noch viel Spaß." „Haaalllooooo Shirin" rufen auch noch alle Reitkinder die sie gerade in der Bahn hat. Das bereitet mir ein Lächeln und ich rufe natürlich zurück. „Haaalllooo ihr Lieben, na habt ihr mich vermisst?" Daraufhin rufen alle „Jaaa!" „Ihr müsst euch noch etwas gedulden dann könnt ihr mich wieder unterstützten, bei den Arbeiten." Und noch einmal kommt es von allen „Jaaa!!" Und damit verabschieden wir uns und gehen einen schmalen Weg zu den Koppeln entlang. Am Ende des Weges auf einem Hügel befindet sich noch ein weiterer Reitplatz umringt von Bäumen.

„Und hierher ziehe ich mich beim Arbeiten zurück" sage ich während ich mich gegen den Zaun lehne und zu Fabio blicke. „Echt umwerfend hier. Da bist du ja ganz abgeschottet vom restlichen Stallleben." „Ja. Genau das liebe ich hier. Ich bin für mich alleine, nur ich und das Pferd, sonst niemand." Nach kurzem Schweigen, bei dem ich nur den Wind lausche der durch die Bäume um uns fährt, unterbricht Fabio das Schweigen wieder mit einer Frage „Teilt dein Freund eigentlich auch diese Leidenschaft zu Pferden mit dir?" fragt er während er sich auch an den Zaun lehnt. „Mein Freund? Na klar teilt er diese Leidenschaft mit mir" sage ich lachend. „Oh ja das, das ist schön. Ähm wieso hattest du ihn dann bei den Trainings nie dabei?" sagt er während er sich mit der Hand von den Haaren in den Nacken streicht. „Habe ich doch" antworte ich mit hochgezogenen Augenbrauen. Doch Fabio sieht mich nur verwirrt an. „Na mein Freund, du hast ihn doch bestimmt schon gesehen. Schwarz braune Haare, groß, braune Augen, echt muskulös und er trägt mich eh fast den ganzen Tag herum." Plötzlich dämmert es ihm und er schupst mich zur Seite. „Du Idiotin, du redest von deinem Pferd Pepino." Lachend antworte ich „Ja na klar, du hattest mich ja auch nach meinem Freund gefragt." Wir beide fangen an zu lachen und führen unser Gespräch noch eine Weile fort.

Bis es dann schließlich schon nach 22:00 Uhr ist und ich langsam nach Hause und schlafen sollte. Wir fahren also von der Ranch zu seinem Hotel. „Okay wir sind da" sage ich und lege Parken ein. „Okay na dann, es war wirklich ein toller Abend heute." „Ja das war echt schön" antworte ich ihm und streiche eine Strähne meiner langen braunen Haare hinter mein Ohr. „Vielleicht schaffen wir das ja noch einmal in der nächsten Woche. Dann kann ich noch mehr über das Geheimnis Shirin Sterling erfahren." Mir kommt ein Grinsen über mein Gesicht und ich antworte „Ja sicher das wäre schön." Und da ist er wieder dieser Moment indem ich mich in seinen Augen verliere. Und diesmal ist keiner da der uns unterbrechen kann. Mein Bauch fängt an zu kribbeln und ich spüre wie die Nervosität steigt. Plötzlich klopft jemand an die Scheibe der Beifahrertür. Das darf doch nicht wahr sein, es ist Fabios Mechaniker. „Hey Fabio wo wart ihr denn" ruft er durch die Scheibe. Fabio macht die Tür auf und sagt „Hey man, wir waren noch etwas unterwegs. Und was macht das Bike?" Mit diesen Worten verlässt er den Wagen. „Alles bereit für morgen" antwortet ihm sein Mechaniker. Bevor er die Tür schließt dreht er sich noch einmal zu mir und verabschiedet sich.

Während der Fahrt nach Hause kommt mir das in den Kopf das May vor ein paar Tagen zu mir gesagt hat. Und ich frage mich ob das war ist und ich es einfach nicht sehe. Ich meine das lange Gespräch heute mit ihm war wirklich schön. Wir haben über sehr vieles geredet, über seine und meine Arbeit, über unsere Kindheit, was wir uns von der Zukunft erwarten. Einfach über alles. Und es hat sich wirklich vertraut und schön angefühlt. Ich meine solche Dinge die ich ihm heute erzählt habe wissen sonst nur meine Familie und Freunde. Aber ist das wirklich mehr?

Auch während des Abendessens mit meinen Eltern bin ich mit meinen Gedanken wo anders und bekomme gar nicht mit das meine Eltern mich nach meinem Tag gefragt haben. Meine Mom versucht es noch einmal und wischt mir dabei über die Hand. „Alles in Ordnung Schätzchen?" „Jaja, Entschuldigung was hast du gefragt?" „Ich habe dich gefragt wie dein Tag war?" „Oh ja natürlich. Es war ein guter Tag, wir wissen jetzt was wir hineinbauen wollen in das Video also können wir wie geplant morgen mit den richtigen Dreharbeiten beginnen" gebe ich Lächelnd zurück. „Das hört sich toll an und wo warst du jetzt am Abend noch. Ich habe gesehen wie du mit dem Anhänger schon früher gekommen bist und dann warst du plötzlich wieder weg?" Während ich in meinem Essen herumstochere antworte ich ihr „Ich habe Fabio Nadjas Stall gezeigt." „Wieso das?" fragt mein Dad. „Naja er hatte mich gefragt ob ich noch etwas unternehmen will, da wir eben heute schon früher fertig waren und eigentlich war die Idee nur Spaßeshalber gemeint aber er meinte es ernst. Also habe ich ihm dort alles gezeigt." Antworte ich ohne von meinem Teller aufzuschauen. „Und du warst dort allein mit Fabio?" fragt mein Dad während ihn meine Mom mit dem Ellenbogen anstoßt. „Was denn kann ich meine Tochter nicht fragen, ob sie heute ganz alleine mit einem Jungen unterwegs war?" Wow, mein Dad macht sich tatsächlich sorgen. Das habe ich bei ihm so noch nie erlebt. Naja er hatte ja auch noch nie Grund dafür, immerhin war ich noch nie ernsthaft interessiert an jemanden. Doch weiter vertiefen tuen wir dieses Gespräch nicht stattdessen essen wir in Ruhe zu Abend weiter. 

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