Kapitel 192

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7 Jahre später – 16.November 2036, Valencia Spanien

Noch mit extremer Müdigkeit höre ich das summen des Weckers. Mit einem murren drehe ich mich um, um dem Geräusch auszuweichen. Endlich schaltet wohl Fabio neben mir den Wecker aus und selbst nach all den Jahren mit ihm hier an der Rennstrecke bin ich noch immer kein Fan vom frühen aufstehen. „Guten Morgen" haucht mir mein Mann mit seiner immer noch unglaublich sexy morgen Stimme ins Ohr. Ein zarter Kuss auf meine Wange folgt so gleich und ich drehe mich zurück auf den Rücken. Sofort blicke ich in seine wunderbar strahlenden Augen und sofort schleicht sich ein lächeln auf meine Lippen. „Guten Morgen" antworte ich ihm zurück und sofort sind seine Lippen auf meinen. Und zack schon ist der morgen gerettet. Fabio schleicht sich aus dem Bett und nimmt mir somit auch seine schöne wärme mit aus dem Bett. Mit einem weiteren murren streiche ich mir über mein Gesicht und durch die Haare und stehe dann auf.

Gerade als ich ins Bad unseres Motorhomes gehe klettert unsere 7-Jährige Tochter ebenfalls verschlafen aus ihrem Bett. Tja das hat sie wohl von mir denke ich mir schmunzelnd und gebe ihr dann einen Kuss auf ihre dunkel Blonden Haare. „Morgen meine Maus" sage ich zu ihr und bekomme ein verschlafenes „Morgen" zurück. Im Bad ist schon regelrechter Stau. Und so bleibe ich im Türrahmen stehen während mir Fabio meine Zahnbürste reicht. „Danke" sage ich lächelnd und blicke auf meine drei kleinen Schätze die sich brav die Zähne putzen. Ist ja nicht immer so selbstverständlich. Aber wenn wir auf der Strecke und zusammen im Motorhome sind ist es um einiges leichter zu kontrollieren.

Nachdem sich alle fertig gemacht haben machen wir uns alle zusammen auf den Weg zur Hospitality. Und während die beiden Jungs schon früh morgen aufgeweckt umherlaufen, hängt unsere Tochter fast an meiner und Fabios Hand und wird schon beinahe mitgeschliffen. Ich blicke nach vorne und sehe wie unsere Jungs durch die Türe der Hospitality stürmen und in Jeremy einen von Fabios Mechanikern laufen der gerade aus der Türe kommt. „Jungs!" rufe ich nach vorne. „Entschuldigung" sagen die beiden im Chor an Jeremy gerichtet. Doch dieser winkt nur ab und sagt „Schon in Ordnung." Leider muss ich sagen kennen wohl mittlerweile alle unsere beiden Jungs. Und das nicht unbedingt zum Guten. Denn das Problem ist das Jaq nichts von seiner quirligen und aufgeweckten Art verloren hat und leider auch sehr oft Nathan zur Mittäterschaft anstiftet. Und zusammen sind die beiden einfach nur kleine Teufel. Das Leben war ja so viel einfacher als es an der Rennstrecke nur Fabio und mich gab.

Nach dem Frühstück geht es zurück ins Motorhome und Fabio muss sich auch gleich für das Warm Up fertig machen. „Guten Morgen" kommt es von Tom der gerade durch die Türe kommt. „Morgen" kommt es von einem jeden von uns. „Wie geht's?" fragt er an Fabio gerichtet und dieser nickt nur und sagt „Gut." Seit Jahren beobachte ich nun schon Fabio bei seinen Vorbereitungen und kenne jeden seiner Handgriffe und Rituale. So reiche ich ihm auch immer genau das was als nächstes kommt. Zum Schluss reiche ich ihm sein Käppi und seine Sonnenbrille und lächle ihn dabei an. „Danke" sagt er mit einem schnauben. „Bereit?" fragt ihn Tom und wieder nickt Fabio. Während Tom schon zur Türe geht und unsere kleine Rasselbande mitnimmt halte ich nochmals Fabio auf. Sofort schlingt er seine Arme an meine Taille und blickt mir tief in die Augen. „Genieße es einfach. Egal was heute dabei raus schaut, genieße jede Sekunde da draußen" hauche ich ihm mit sanfter Stimme entgegen. „Mach ich" sagt er und schon liegen seine Lippen auf meinen. Ein Gefühl von Gänsehaut durchdringt mich als ich seine zarten Lippen an meinen spüre. Seine wärme und sein Duft der mich sofort einnimmt hauen mich noch um wie beim ersten Mal.

Draußen wartet Tom mit unseren Kindern auf uns und zusammen gehen wir zur Box von Aprilia. Brüllend laufen unsere Jungs in die Box und sofort schreie ich ihnen nach „Jungs!" Sowohl Fabio neben mir als auch Tom müssen darüber nur lachen und ich schüttele einfach den Kopf. In der Box geht Fabio sofort zu seinem Stuhl und bespricht etwas mit seinem Team. Ich begebe mich zu meinen Jungs und knie mich zu ihnen runter. „So jetzt hört ihr mir mal zu. Heute ist ein besonderer Tag für euren Dad und ich will von euch das ihr euch zusammenreißt und brav seid. Habt ihr mich verstanden?!" frage ich die beiden mit ernstem Blick. Beide nicken brav und jetzt schon weiß ich das ich dieses nicken nicht für wahre münze nehmen kann. „Alles klar" sage ich mit einem schnauben und stehe wieder auf. Ein Blick zu Fabio verrät mir auch wo Valencia gerade ist. Natürlich auf dem Schoß von ihrem Dad. Sie ist wirklich so sehr verliebt in ihren Dad und ist immer nah bei ihm. Doch im nächsten Moment hebt er sie von ihrem Schoß und steht auf. Er nimmt sich seinen Helm und stülpt ihn sich über seinen Kopf. Dann noch seine Handschuhe und schon begibt er sich an seine Aprilia RS-GP. Den Blick nach hinten macht er nach all den Jahren immer noch und schon rollte er die Boxengasse hinab.

Ein paar Stunden später

Ich stehe mit Fabio am Grid, während ein paar der Teammitglieder gerade auf unsere Kinder in der Box Acht geben. Mit einem Grinsen blicke ich zu Fabio der auch wenn heute ein regelrechter Trubel um ihn herrscht, trotzdem nichts an seiner Art und Weiße in ein Rennen zu starten ändert. Denn auch wenn gefühlte Hundert Kameras und Mikrofone um uns herum schwirren verzieht er keine Miene um auch nur einen von ihnen hierher zu lassen. Diese letzten Minuten gehören seit her nur ihm und seinen Gedanken und genau das will er auch in seinem letzten Rennen nicht ändern. Fasziniert starre ich ihn immer noch regelrecht an und kann mir nur ausmalen was gerade in seinem Kopf vor sich geht. Von einem kurzen kalten Windhauch überrascht kuschle ich mich dichter in meine Jacke und spüre plötzlich zwei Hände an mir. Ein Blick zu Fabio verrät mir das er es ist der mich zu wärmen versucht. Mit einem lächeln blicke ich zu ihm und drücke ihm einen Kuss auf die Lippen.

Ein wenig später

Es ist so weit. Fabio beginnt seine aller letzte Rennrunde in seiner langen Karriere der MotoGP. Schon fast nervös blicke ich auf die Bildschirme in der Box, auch etwas das sich all die Jahre nie geändert hat. Und nach wie vor liebe ich dieses Gefühl das ich dabeihabe. Als es um die letzten Kurven geht sprinte ich mit den Kindern nach draußen zur Boxenmauer. Sofort packen einige der Crewmitglieder sie und stellen sie auf die Boxenmauer. Auch ich hüpfe auf die Mauer und halte mich am Zaun fest als ich mich hinaushänge. Mit lautem Motorengeräuschen raßen einige der Fahrer an uns vorbei. Und dann sehe ich ihn. Fabio kommt auf seinem schwarzen Biest auf Start/Ziel und das gesamte Team schreit laut auf als er über die Ziellinie kommt. Ein 7ter Platz wurde es heute für ihn, doch das ist mehr als nur nebensächlich heute. Überglücklich schreien und jubeln wir alle von Aprilia für Fabio. Tränen der absoluten Freude bahnen sich ihren Weg über meine Wangen hinunter und sofort nimmt mich Diego in eine Umarmung. Schniefend ziehe ich mich näher an ihn und in die Wärme seiner Jacke. Mit völlig verschwommener Sicht richte ich mich wieder zu meinen Kindern und umarme diese fest. „Mama du musst doch nicht weinen" sagt mir Nathan und bringt mich damit zum Lachen. Ich löse mich von ihnen und wische mir meine Tränen weg. Mein Blick geht auf die Bildschirme an der Boxenmauer und alle sind auf Fabio gerichtet. Tom ist bei ihm auf der Strecke und überreicht ihm seine Flagge. Ebenfalls völlig überfordert mit den Nerven macht sich Fabio wieder auf und all die schönen Momente seiner Karriere werden Virtual eingeblendet. Schmunzeln und mit weiteren Tränen in den Augen die sich ihren Weg nach draußen suchen, blicke ich darauf und erinnere mich mit zurück. So vieles davon habe ich miterlebt und dafür bin ich mehr als dankbar. Seit 2020 bin ich nun schon an seiner Seite und jetzt stehen wir 16 Jahre später am Ende seine Karriere. Alle Höhen und Tiefen habe ich mit ihm durchgemacht. Sowohl die unglaublich schönen Jahre bei Yamaha mit insgesamt 3 WM-Titeln und vielen Emotionen die wir in diesem Team gelassen haben. Über die Jahre mit Suzuki danach, mit 2 weiteren Titeln und einer enormen Performance. Und schließlich den letzten ebenso erfolgreichen Jahren mit Aprilia und einem weiteren WM-Titel.

So viele Gedanken machen sich in meinem Kopf breit und drohen schon fast meinen Verstand zum explodieren zu bringen als ich Fabio zurück in die Boxengasse fahren sehe. Mit einem Mega strahlen sind plötzlich alle Gedanken wie weggeblasen und alles dreht sich nur mehr um ihn. Mit Valencia an meiner Hand und meinen Jungs die bereits vor zu ihrem Dad laufen gehe ich zurück zur Box von Aprilia. Jubelnd und kreischend versammelt sich das gesamte Team um ihn und klopft ihn ordentlich ab. Doch dann lassen sie mir und Valencia Platz. Sofort schlingt Fabio noch am Motorrad sitzend seine Arme um mich und drückt mich so fest an ihn, als ob er Angst hätte das es alles nur ein Traum wäre. Mit weiteren Tränen die meine Wange hinunter laufen löse ich mich von ihm und schon steigt er von seiner Maschine und nimmt seine kleine Maus auf den Arm. Nochmals dreht er sich zu seinem Arbeitsgerät und auch ohne das ich seinen Gesichtsausdruck sehe weiß ich wie schwer das gerade für ihn ist. Er richtet seinen Blick zu mir und zusammen gehen wir zurück in die Box.

Als er dann dort seinen Helm abnimmt erblicke ich auch seine Augen die mit Tränen übersäht sind. Sofort drücke ich ihn ganz fest an mich und kann ihn nun auch auf schniefen hören. Auch mir entkommt ein Schluchzer und es fühlt sich gerade nach einem so endgültigen Ende an. Das ist einfach nur grausam. So viele schöne Jahre haben wir zusammen in genau diesem Boxen, mit demselben Täglichen Abläufen und Leuten verbracht. Wahnsinn! Einfach nur Wahnsinn! Immer noch mit Tränen übersäht blicke ich wieder in seine Augen die nicht viel besser als meine gerade wohl aussehen. Lächelnd drückt mir Fabio seine Lippen auf und für einen kurzen Moment scheint alles Still zu stehen. Als würden all die Momente durch unsere beiden Köpfe rauschen ziehen wir beide diesen Kuss in die länge und als ich mich von ihm löse, sehe ich etwas in seinen Augen. Eine Art Schimmer der mir verrät das es für ihn Okey ist. Das diese Zeit für ihn, für uns jetzt zu Ende ist und nun alles weiter geht....

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