Kapitel 113

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„Also gut ich erzähl ja schon..."

Ein paar Minuten später

Mit offenem Mund und etwas schockierten Blick stehe ich vor ihr und sage „Also, wenn ich dich gerade bei deiner Erzählung richtig verstanden habe, dann hat das ganze schon am ersten Abend als du bei Jack übernachtet hast begonnen..." „Ja aber geschlafen haben wir an dem Abend noch nicht miteinander..."räumt sie ein als ob es einen unterschied macht. „Ja vielleicht nicht wie alle glaubten am ersten Abend euere Zusammenkunft aber am zweiten Tag hast du den ganzen Tag mit ihm verbracht und dann seid ihr im Bett gelandet?" „Ja..." „Und auch die restlichen Tage an dem Wochenende warst du immer nur bei ihm und auch nach dem Rennen hast du schon Zeit bei ihm in Andorra verbracht?" „Ja..." „Wow du lasst aber auch nichts anbrennen, WAS?!" wechsle ich meinen etwas geschockten Gesichtsausdruck in ein Lächelnd. Erleichtert sagt May dann „Nein nicht wirklich." „Ich freue mich für dich. Wirklich. Du scheinst ihn wirklich zu mögen. Denn auch wenn du ja nie etwas langsam angehst oder auch nie Zeit zum Überlegen brauchst, auch wenn du das manchmal tun solltest. So handelst du immer aus vollem Herzen und so kann das nur richtig sein." „Danke. Und ohne dich wäre das nie möglich gewesen" gibt sie mir mit einem lächeln zurück. Wir umarmen uns innig und ich freue mich natürlich riesig sie auch künftig dann öfters zu sehen bei den Rennen.

Doch plötzlich werden wir von entsetzten rufen unterbrochen. Schnell eilen wir zu einem der Bildschirme in der Box von Ducati. Am Bildschirm sieht man nur staub und einige Teile eines Bikes im Kiesbett liegen. Als die Teammitglieder rund um uns reden wer es ist stockt mir der Atem. Marcel Schrötter kam auf der geraden vor kurve 12 schlimm zu Sturz. Weiter beobachte ich den Bildschirm gespannt um so mehr zu erfahren. Doch als die Flagge für die Fahrer rausgeht und alle wieder zurück in die Box müssen kann das nichts gutes Bedeuten. Natürlich werden die Kameras nicht mehr auf Marcel gezeigt und so bleibe ich genauso wie alle anderen ahnungslos. May streicht mir über den Rücken und fragt mich besorgt „Ist alles in Ordnung?" Mit tränen bereits in den Augen sage ich ihr „Nein, ich, ich will wissen wie es ihm geht. Was da los war...ich..." Stottere ich vor mich hin. „Ich weiß Marcel ist ein guter Freund von dir. Aber es geht ihm bestimmt gut" will sie mich aufheitern aber davon will ich jetzt nichts wissen. „Ich, ich werde zu Fabio gehen. Wir sehen uns später" sage ich völlig neben mir und verschwinde aus der Box von Ducati. Als ich zurück in der Yamaha Box bin sitzt Fabio bereits auf seinem Stuhl und nimmt gerade seinen Helm runter. Gleich als er mich mit leichten Tränen die Box betreten sieht steht er auf und kommt auf mich zu. Ich lehne mich gleich an seine Brust, mir egal ob das jetzt jemand sieht. Fabio hält mich fest im Arm und sagt dabei „Es wird alles gut. Die Rettungssanitäter sind bereits bei ihm." Ich blicke zu Fabio hoch und sehe in seine wunderbaren braunen Augen die mir gerade ruhe geben, die ich dringend brauche. Ich lehne mich nach oben zu ihm und er kommt mir mit einem Kuss entgegen. Dieser lässt mich zumindest kurz meine Gedanken ordnen. Dann drehe ich mich vor Fabio um und sehe hoch zu den Bildschirmen. Gerade in diesem Moment zeigen sie nochmal die Wiederholung des Sturzes. Marcel fuhr auf der geraden nach kurve 11 und hatte dort einen heftigen Speed Wobbler den er vor der nächsten Kurve nicht unter Kontrolle bringen konnte. Er wurde von seinem Bike geschmissen und landete hart mit den Händen voraus am Asphalt. Danach schlug sein Kopf mit voller Wucht auf den Boden und er wurde hinaus auf die Wiese neben der Strecke und dann an die Begrenzung geschleudert. Dort kam er dann zum stand und lag einfach leblos am Boden. Seine Maschine schleuderte es weiter in die Kiesauslaufzone in Kurve 12. Dort überschlug sich das Bike mehrmals bis nur mehr ein Haufen Schrott übrig war. Daher kam auch die Riesen Staubwolke die ich zuvor auf den Bildschirmen der Ducati Box sah.

Entsetzt starre ich auf den Bildschirm und bin wie erstarrt. Fabio zieht mich an sich ran und hält mich von hinten fest. Ich ergreife seine beiden Arme vor mir von unten mit meinen Händen und halte mich an ihnen fest. Als würde ich ihn jede Sekunde verlieren können klammere ich mich an ihn. Er legt seinen Kopf auf meinen und drückt mir einen Kuss darauf. Er ist wohl der einzige der mich in so einer Situation zu beruhigen vermag. Ich wüsste nicht was ich tun sollte, wenn er jetzt dort liegen würde.

Dann gibt es auch schon wieder das Go für die anderen Fahrer. Sie dürfen wieder auf die Strecke zurück. Fabio dreht mich zu sich und sagt „Du solltest jetzt nicht alleine sein. Kannst du zu einen der anderen Fahrer gehen. Bitte. Das würde mich beruhigen und dich sicher auch" sagt er mit Besorgnis in der Stimme. Ich nicke nur leicht und sage dann „Pass auf dich auch. Hörst du." „Ja mach ich" sagt er mir mit leichtem Lächelnd und holt wieder seinen Helm. Nachdem Fabio aus der Box gefahren ist weiß ich genau zu wem ich jetzt gehe. Ich öffne die Türe beim Hintereingang der Box und verlasse diese. Dann schlängle ich mich durch die Motorhomes und klopfe an eines an. „Hey, komm rein" kommt es gleich von Martin. „Hey wie geht's dir alles gut?" fragt mich gleich Jaume der beim Esstisch sitzt. „Naja ging schonmal besser." „Ja das war gerade echt heftig" fügt Martin hinzu. Ich setze mich auf die Couch gegenüber der Küchenzeile und Martin kommt gleich neben mir. Ich schlinge meine Beine zu mir auf die Couch und lehne meinen Kopf an Martins Schulter an während ich Fabio und die anderen Fahrer am Bildschirm weiter beobachte. Ich denke weder ich noch die beiden Jungs wollen weiter über diesen Sturz reden. Vor allem weil wir nicht einmal wissen wie es um Marcel steht. Für mich ist er so ein guter Freund das es mir wirklich sehr nahe geht, so etwas in der Art hatte ich noch nie. Doch ich befürchte das, dass nicht weniger werden wird. Aber auch für Jaume und Martin ist sowas sicher nicht leicht. Gerade deshalb wahrscheinlich, weil sie erst auf die Strecke müssen.

Auch als sich die beiden fertig machen und dann in ihre jeweiligen Boxen gehen weiche ich nicht von ihrer Seite. Ich bleibe solange bei Martin in der Box bis Fabio fertig ist mit seinen Runden. Dann verabschiede ich mich mit einer Umarmung bei Martin und gehe zurück zu Yamaha. 

When your life changes, do you keep going or do you go back?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt