Kapitel 1

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Ich wälzte mich im Bett hin und her. Manno, das war voll warm. Naja gut, wir hatten den 8. Juni, da war es immer etwas wärmer und man musste sich noch an die Temperaturen gewöhnen. Ich griff nach dem Handy auf meinem Nachttisch. Es war gerade einmal 5 Uhr. Wenn ich mir jetzt etwas zu trinken holte, dann konnte ich bestimmt noch etwas weiterschlafen, schließlich war Sonntag und da schlief man ja eigentlich aus. Also auch im Hause Reus. Ja, ich schlief heute hier, denn gestern nach dem Revierderby hatte es hier die fette Grillparty gegeben. Zwar spielte ich auf Schalke und die anderen alle bei den Zecken, aber trotzdem konnte man ja zusammen feiern. Na ja ich eigentlich nicht, denn meine Mannschaft hatte verloren, was vielleicht auch ein wenig meine Schuld war, schließlich mussten sie ja zu neunt zu Ende spielen. Aber das war ja wohl auch das mindeste nachdem meine Mitspielerin Tessa zusammengetreten hatte. Maja war dann genauso wie Chantal vom Platz geflogen, weil sie ihr eine wegen des Fouls an ihrer Zwillingsschwester gebrezelt hatte. Das war doch echt ungerecht, da musste ich einfach eingreifen. Ganz zu schweigen davon, dass ich auch so sauer auf diese dämliche Kuh von Chantal war, weil sie meine Freundin verletzt hatte. Es hatte richtig gut getan, als meine Hand in ihr Gesicht geklatscht war.  Klar, taktisch war das keine Glanzleistung und mal schauen, was mich heute Mittag zu Hause erwartete, denn Paps als mein Trainer würde mir garantiert noch eine Strafpredigt halten und bestimmt auch ein Straftraining aufbrummen. Aber egal, so war wenigstens das richtige gerechte Spielerverhältnis wiederhergestellt gewesen. Neun gegen zehn. Und ja, ich war ein Mensch, der sehr viel Wert auf Gerechtigkeit legte.  Ich öffnete leise die Tür vom Gästezimmer und schlich mich auf die Treppe. Ja, Gästezimmer. Seit  Tessa ihren Erpel hatte, der immer bei ihr schlief musste ich ins Gästezimmer ausweichen. Sei nicht so eifersüchtig, Lucy, schimpfte ich mit mir selbst. War ich eifersüchtig? Vielleicht ein kleines Bisschen, denn Tessa war meine beste Freundin. Also nicht, dass ich ihr ihr Glück mit Leonard Weidenfeller nicht gönnte, aber irgendwie war seit sie mit ihm zusammen war, alles anders. Sie hatte kaum noch Zeit für mich. So ein Quatsch, das hatte eigentlich schon angefangen als sie die Schule geschmissen hatte und ich dort alleine weiter hin musste. Manchmal wünschte ich mir auch so einen Kerl an meiner Seite. Irgendwie war ich die Einzige, die noch keinen hatte. Leo hatte ihren Max und heiratete ihn sogar bald, Maja quälte sich mit meinem älteren Bruder Luca ab. Keine Ahnung wie man sich den freiwillig antun konnte. Aber das lag wahrscheinlich daran, dass man als Schwester schon von kleinauf seine Macken kannte. Und das waren meiner Meinung nach ganz schön viele. Und jetzt hatte Tessa auch noch ihren Leo. Joa, und ich? Ich hatte niemand. Das war doch voll blöd. Irgendwie war ich immer das fünfte Rad am Wagen, wenn wir zusammen unterwegs waren. Es wurde echt Zeit, dass ich mir da etwas einfallen ließ. Aber nicht jetzt. Wenn ich weiter herumgrübelte, würde ich garantiert nicht noch einmal einschlafen können und bis zum nächsten Ausschlafen, also den großen Ferien war es noch eine unendliche Woche hin. Wenigstens dürfte das Zeugnis dieses Mal nicht die geringsten Beanstandungen geben. Was ein Wunder, wenn da niemand mehr war, der mich ablenken konnte. Im ganzen Haus war es mucksmäuschen still. Dann schliefen wohl alle noch tief und fest. Leise lief ich die Treppe hinunter. Also so leise wie möglich, denn das Mistding knarzte. Was machte denn Tessa da? Warum lag die nicht wie sonst immer an ihren Leo gekuschelt im Bett, sondern humpelte hier mit ihren Krücken durch die Gegend? Ja, Chantal, die dumme Pute hatte echt ganze Arbeit geleistet. Sie hatte ihr das Syndesmoseband durchgetreten. Ich hoffte nur, dass das wieder alles gut zusammenwuchs, denn Tessa wollte unbedingt Profi werden und ihre Chancen standen bis jetzt gut, wo sie doch sogar schon für die Nationalmannschaft gespielt hatte. Eigentlich wollte ich das auch, aber so ganz sicher war ich mir nicht mehr, ob ich das auch schaffte. "Was machst du denn hier?" Fragen war ja wohl erlaubt. Ich bezweifelte, dass sie gerade auf dem Weg zu ihrer morgendlichen Laufrunde war. Und wenn sie Durst hatte wie ich, wäre garantiert Leo hier, um sie zu bedienen. Ja, sie hatte ja so einen Dackel, der bemüht war sie von vorne bis hinten zu verwöhnen. Manno, nicht schon wieder dieser blöde Neid. Ich lächelte also lieber Tessa an, die total erschrocken zusammengezuckt war und ihren Finger an die Lippen legte. Warum hatte sie dort zwei Briefe klemmen? Das würde ich gleich klären. Sie zeigte mit ihrer Krücke auf die Küchentür. Na prima, da wollte ich ja sowieso hin. Als die Küchentür geschlossen war, durchbohrte ich sie mit meinem Blick. Jetzt wollte ich schon wissen, was hier los war. Meine detektivische Nase sagte mir, dass hier etwas überhaupt nicht stimmte. Tessa war gestern den ganzen Abend schon so komisch,  ruhig gewesen. Und Tessa war vieles, aber bestimmt nie ruhig. Okay, gestern dachte ich, dass sie groggy von dem ganzen Krankenhaus Gedöns und den Schmerzmitteln war......obwohl groggy alleine reichte nicht, dass meine Freundin nur im Essen herumstocherte. Nee, da musste mehr dahinter stecken, schließlich hatte sie genauso einen gesunden Appetit wie ich immer. Na, das würde ich jetzt aber herausfinden. Was war ich denn sonst für eine beste Freundin?  "Also, was humpelst du hier so früh durch die Gegend?" Ich sah, wie sie kurz grübelte. Nee, das konnte sie vergessen. Ich würde mich nicht mit irgendeiner Blabla-Antwort abspeisen lassen. "Ich will abhauen. Ich brauche ein paar Tage Ruhe zum Überlegen." Wow, da hatte ich jetzt nicht mit gerechnet. "Wegen der Verletzung?" Machte sie sich doch solche Gedanken darum? Sie zog ihre Nase krauss. Das machte sie immer, wenn etwas im Argen war......also, wenn sie etwas angestellt hatte. Aber was bitte sollte sie angestellt haben? "Das auch, aber eigentlich......ach egal." Sie winkte mit der Hand ab. "Ich will nur schnell futtern und mir dann ein Taxi rufen, das mich zum Flughafen bringt. Ich erzähle dir alles, wenn ich zurück bin." Wie bitte? Sie glaubte doch wohl nicht ernsthaft, dass ich so lange wartete, um etwas zu erfahren. Ich schüttelte meinen Kopf. "Das kannst du vergessen. Ich fahre dich zum Flughafen. Düsseldorf oder Dortmund?"  "Dortmund." Ich nickte schnell. Prima, sonst hätte ich mit meinem Erwin nämlich noch schnell tanken müssen. Aber bis Dortmund reichte der Sprit noch. Ja, Erwin war mein süßes kleines Autochen, das ich zu meinem letzten Geburtstag von meinen Eltern geschenkt bekommen hatte. Er war chipgetuned und blauweiß in den Vereinsfarben von meinem Schalke lackiert. Papa wusste halt, was mir gefiel. Naja und der Name hatte ja auf der Hand gelegen. Also nicht erst seit unser Vereinsmaskottchen am Spiegel baumelte. Und Erwin war mein ganzer Stolz und momentan der wichtigste Mann in meinem Leben. Boah, nicht schon wieder diese Gedanken. "Wann müssen wir da sein?" Tessa schaute schnell zur Uhr. "Der Flug geht in Eineinhalb Stunden. Also in einer halben Stunde muss ich einchecken." Wieder nickte ich  und öffnete die Kühlschranktür, um mir eine Flasche Wasser zu schnappen. Schließlich hatte ich nicht nur Wissensdurst, sondern auch realen. "Ich wollte ja eigentlich nur was trinken." Ein kurzes Knacken war zu hören, als ich die Flasche öffnete. Schnell setzte ich sie an. Ja, das kühle Wasser, das meine Kehle hinunterglitt, tat echt gut. "Okay, ich ziehe mir schnell etwas an und dann können wir los. Du kannst ja draußen an meinem Erwin warten." Schnell flitzte ich aus der Küche......

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt