Kapitel 31

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„Darf ich jetzt mit Dani und Ella noch am Strand fangen spielen gehen?" Carmen schaute mich bettelnd an. „Ja klar, kannst du das." Zufrieden wischte sie mit ihren Fingern über ihren Plusterrock und hüpfte begeistert von ihrem Stuhl. Oh Mann, das Kleid war ein Fall für den Weißen Riesen oder die Fleckenschere. Jetzt hatten die gelben Safranflecken von der Paella auch noch Gesellschaft von den Schokoeisfingern bekommen. Also irgendwie hatte ich das ziemlich sichere Gefühl, dass das Absicht von der Kleinen war, damit sie es nie wieder tragen musste. Denn normalerweise war sie durchaus in der Lage, ohne schmutzige Finger und Kleckerei zu essen. „Wir passen ab jetzt auf die Kinder auf." Jasi stand auch auf und folgte den dreien zusammen mit Baby Lulu und Marvin. „Alles okay bei dir?" Mika schaute mich besorgt an. Wie kam er denn darauf, dass bei mir nicht alles okay sein sollte??? Andi hatte eine Freundin, mit der er sich scheinbar schon die ganze Zeit getroffen hatte. Er vergaß darüber sogar seine Tochter, also musste es echt ernst und nicht nur so ein blöder Urlaubsflirt sein. Mein Traum von einer Beziehung mit ihm lag also in 1000 Scherben. Meine ganze Zukunftsplanung war wegen eines alten, zickigen, unsympathischen, überheblichen, talentlosen, faltigen, unfähigen, erfolglosen, egozentrischen und unnötigen Models total im Eimer. Wahrscheinlich hatte ich niemals überhaupt eine Chance bei ihm und er sah in mir nur die kleine, unscheinbare, dumme Lucy, die zwar als Babysitter taugte, aber sonst so unbedeutend war wie eine Eintagsfliege in der Obstschale. Was sollte also nicht okay sein? Ich war aber auch so hummeldumm, dass ich das nicht schon vorher mitbekommen hatte. Wie dämlich musste man eigentlich sein, um zu denken, er war für seinen Job unterwegs, während er hier die Olle bimperte. Boah, am liebsten würde ich gerade auf irgendetwas einschlagen, so wütend und sauer war ich. Vorzugsweise auf das operierte und gestraffte Gesicht von der dummen Pute. Ich atmete einmal tief durch. Nee, ich wollte auf niemand einschlagen. Das war doch überhaupt nicht meine Art. Ich war eigentlich ein total friedliebender Mensch. Auch wenn diese damische Kuh meinen ganzen Charakter auf die Probe stellte. Mika schaute mich immer noch besorgt an und wartete geduldig auf eine Antwort von mir. „Alles bestens. Ich habe nur zu viel gegessen." Dieser Satz aus meinem Mund hörte sich total falsch an. Ich gehörte schließlich genau wie Tessa zu der Gattung Menschen, die entweder gerade aßen oder aber Hunger hatten. Scheinbar überzeugte ich auch Mika damit nicht wirklich. Glücklicherweise gab er sich aber trotzdem mit der Antwort zufrieden und bohrte nicht weiter nach. Dafür sollte er gleich wieder einen Pluspunkt im Lucy Bonusprogramm bekommen. Eigentlich war er echt nett, auch wenn er nicht Andi war. Aber der wollte mich ja sowieso nicht. Das würde ihm garantiert noch leid tun, dass er sich mich hatte entgehen lassen. Dafür würde ich schon sorgen. Und was sprach eigentlich dagegen..... „Ich hätte Lust etwas zu tanzen.", wandte ich mich also lächelnd an den Dunkelhaarigen neben mir, der mich immer noch beobachtete und sofort zu grinsen anfing. „Cool, dann lasse uns die Tanzfläche aufmischen. Hauptsache, du siehst nicht mehr so traurig aus." Pah, ich und traurig. Soweit kam es noch. Was sagte Oma immer? Wega so oana Schlawack, woana mir ned.  Genau, ich würde doch wegen dem Schlawiner hier nicht herumflennen und durchhängen und mir den Abend versauen. Noch dazu, wenn ich die Möglichkeit hatte mit einem echt netten und jüngeren Kerl, der auch an mir interessiert war, die Zeit zu verbringen. Nicht mit mir. Ich war schließlich Lucy Goretzka. Und wer war noch einmal Andi Göbel? Selbstbewusst griff ich nach Mikas Hand und zog ihn mit mir.
„Das wurde aber auch mal Zeit." Mika ging mit mir auf Tuchfühlung und zog mich in seine Arme. „Ich dachte schon der DJ spielt überhaupt keine ruhige Musik mehr", grinste er als ich meinen Kopf an seine Schulter schmiegte. Ja, so langsam aber sicher war ich auch ausgepowert. Wir hatten bestimmt schon zehn Lieder hintereinander durchgetanzt und es war wirklich mal Zeit für etwas ruhiges. Der spanische Sänger, der aus den Lautsprechern klang, schien auch ziemlich zu leiden. Bestimmt hatte ihn seine Angebetete auch verschmäht. „Nein, Lucy", schollt ich mich sofort selbst. Ich würde hier jetzt nicht schon wieder an den Halodri denken, sondern lieber die Zeit mit Mika genießen, der gerade seine Hand langsam über meinen Rücken wandern ließ. Ich begann einfach auch mit meinen Fingern mit der Haarsträhne in seinem Nacken zu spielen. Das war......ein Anfang. „Wollen wir schon einmal zum Strand gehen? Das Feuerwerk beginnt bald und wenn wir Glück haben, sehen wir noch etwas vom Sonnenuntergang." Ich nickte Mika zu, der sich sofort meine Hand schnappte. „Wollen wir uns noch etwas zutrinken und ein paar Tapas mitnehmen?" Ein Kerl, der an so wichtige Sachen wie Essen dachte, bekam sofort einen weiteren Pluspunkt. Die meisten würden doch nur versuchen mit etwas Romantik zu ködern und dann nur herumknutschen wollen. Also so viel hatte ich schon bei den andern Mädels in der Klasse mitbekommen. Mika holte uns zwei leckere Cocktails und ein paar Tapas-Spießchen. „Komm ich nehme dir den Teller ab." Schnell schnappte ich mir das Ding und lief vor zum Strand. „Wow, das sieht echt noch richtig schön aus." Begeistert ließ ich mich in den noch warmen Sand plumpsen und bewunderte den rosa, lila, orangen Horizont über dem Meer, wo der Himmel nachglühte, obwohl die Sonne schon verschwunden war. Mika pflanzte sich neben mich und reichte mir das Cocktailglas. „Schau mal, die Zwerge sind immer noch nicht müde." Er deutete ein Stück weiter, wo Dani und Carmen wild durch den Sand pflügten. Also wenn mich nicht alles täuschte, hatte der Tüllrock vom Kleid der Kleinen schon ziemlich gelitten und war an einigen Stellen zerfetzt. Das trieb doch ein fettes Grinsen in mein Gesicht. Da war wohl nichts mit Vorzeigepüppchen. Tja, Pech gehabt, Andi oder Andreas. Hah. „Magst du lieber Oliven oder getrocknete Tomaten?", wandte ich mich an Mika und hielt ihm den Teller mit den Spießchen hin. „Wenn ich ehrlich bin, Tomaten. Außer du möchtest sie." „Nee, ganz bestimmt nicht. Ich mag lieber Oliven.", lachte ich. Na das passte doch perfekt. Und wieder machte es Ping auf dem Punktekonto. Den leeren Teller und das leere Cocktailglas stellte ich neben mir ab und zeichnete mit meinen Fußspitzen feine Linien in den Sand. „Wie lange bist du denn noch in Dortmund, bevor du nach Berlin gehst?" Das war ja auch nicht ganz uninteressant. Nicht, dass ich wieder meine Zeit völlig falsch investierte und mir total umsonst Hoffnungen machte. Einmal so naiv zu sein reichte ja wohl. „Das Studium fängt erst im Oktober an und dann komme ich auch jedes Wochenende nach Hause. Das habe ich Lulu und Ella versprochen." Och, war das sweet. Er war garantiert der Held seiner kleinen Schwestern. In meinem Kopf ertönte schon wieder ein Ping für einen Pluspunkt. Und gleich noch ein weiterer, denn wenn er immer nach Hause kam, dann würde das mit uns beiden ja sogar vielleicht Sinn ergeben. Langsam ließ ich meinen Kopf an seine Schulter sinken. Hah, nimm das, Andi! Mika legte sofort seinen Arm um mich. Mmm, und jetzt? Wenn ich mich zu ihm beugte, ob er dann wohl......."Platz da, ich sitze neben Lucy." Carmen zwängte sich zwischen uns. „Gleich geht das Feuerwerk los." Die Kleine war total aus dem Häuschen vor lauter Aufregung und hubbelte auf ihrem Hintern herum. Das gab Sandflecken an der Rückseite. Aber das spielte wohl keine Rolle mehr, so zerfetzt wie das Kleid schon war. Ich spürte Mikas Hand, die meine griff, die im Sand hinter dem Rücken der Kleinen lag Ich schaute über den Kopf von Carmen zu ihm und er zwinkerte mir zu. Wenn er so weitermachte, hatte ich ein Dauerping im Kopf. Aber das war ja auch nicht das schlechteste, dann konnte ich wenigstens nicht an diesen Verräter denken, der meine geplante Zukunft verraten hatte. Pah, wer dachte hier schon noch an Andi? Ich jedenfalls nicht.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt