Kapitel 92

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„Darf ich rühren?" Carmen schaute mich erwartungsvoll an. „Na klar, darfst du das. Du bist doch hier der Chefkoch und ich nur der Assistent." Die Kleine kicherte und rührte kräftig mit dem Holzlöffel in der Sauce. Sofort gesellten sich ein paar rote Spritzer zu den Schokoflecken auf ihrer Schürze, die ich ihr umgebunden hatte. „Ein Chefkoch hat aber immer so eine komische Mütze auf dem Kopf. Das weiß ich aus Ratatouille. In dem Film läuft der auch immer damit herum." Ich musste grinsen. Ja, die Kleine kannte die ganzen Disney Klassiker dank Andi. „Du rührst weiter und ich kümmere mich um die Mütze", wies ich sie an und lief schnell ins Wohnzimmer zu Andis Schreibtisch, um mir etwas Papier aus dem Drucker zu angeln. Mist, das war ziemlich klein, wenn ich das faltete. Egal, Carmens Kopf war ja auch noch klein. Erschrocken fuhr ich zusammen, als das Telefon neben mir losscherbelte. Glücklicherweise sprang sofort der Anrufbeantworter an. Im nächsten Moment ertönte eine Stimme, die ich eigentlich nie wieder hören wollte. „Andreas, wir müssen unbedingt noch einmal miteinander reden. Ich komme heute Abend vorbei, also stelle den Champagner kalt", ertönte die Brunzkachl. Ich drehte mich zur Tür um und sah Carmen, die mich verängstigt anstarrte. „Die soll nicht hierher kommen." Ich schnappte mir mein gefaltetes Hütchen und lief zu ihr. „Du brauchst keine Angst haben. Sie holt nur ihre restlichen Sachen ab." Ja, in Andis Zimmer stand schon ihr gepackter Koffer bereit. Ich hoffte jedenfalls, dass ich damit recht hatte und er nicht wirklich mit ihr sprechen wollte. Gerade nicht heute Abend. „Hier, dein Kochhut" Ich setzte mein kleines Kunstwerk auf ihren Kopf. „Das ist aber ein Malerhut", beanstandete die Kleine grinsend, nachdem sie kurz in den Garderobenspiegel gelinst hatte. „Ja, und den werden wir auch brauchen, wenn du nicht gleich wieder die Suppe umrührst." Sofort rannte sie zum Herd und schnappte sich wieder ihren Holzlöffel......
„Der Tisch ist voll hübsch gedeckt." Carmen schaute zufrieden auf den Esstisch, in dessen Mitte ein bunter Blumenstrauß mit einer selbstgemalten Geburtstagskarte stand. Daneben thronte der selbstgebackene Schokokuchen, den wir auch verziert und mit einer Kerze dekoriert hatten. „Papa freut sich bestimmt. Aber da fehlt noch das wichtigste." Die Kleine staubte aus der Küche, während ich noch einmal, die Servietten und das Besteck ordentlich ausrichtete. „So, unser Geschenk." Carmen legte den Karton mit der großen Schleife zwischen die Blumenvase und den Kuchen. Ja, das Geschenk hatten wir nach unserem Mädelsnachmittag mit Tessa noch in der Stadt besorgt. Zufrieden stützte sie die Hände in die Hüften und grinste „Perfekt" Ja, wir hatten uns beide große Mühe mit Andis Geburtstagstisch gegeben. Das ganze sollte ja eine Überraschung sein. „Papa war bestimmt schon enttäuscht, dass ich ihm heute morgen nicht einmal gratuliert habe." Schuldbewusst schaute sie mich an. „Dafür freut er sich jetzt dann umso mehr", beruhigte ich sie. Wenn uns nicht die dusselige Brunzkachl einen Strich durch die Rechnung machte, ging es mir durch den Kopf. „Man, wo bleibt Papa denn?" Ungeduldig hüpfte Carmen zum Küchenfenster und schaute raus. „Er parkt gerade ein", quietschte sie auf einmal und kam zu mir gesprintet. Schnell zupfte ich ihre kleinen Rattenschwänze noch einmal zurecht und dann hörten wir auch schon, wie die Wohnungstür geöffnet wurde. „Ich bin Zuhause, wer noch?" erscholl Andis Stimme. Carmen und ich machten keinen Mucks. Plötzlich kam Andi, noch mit seiner Jacke an, um die Ecke in die Küche geschossen. „Happy Birthday to you, eine Gurke im Schuh" fing Carmen sofort an zu singen. Ich stimmte mit dem regulären Text mit ein. Andi starrte uns an, hielt sich seine Hand vor die Brust. Mist, ich hatte bei dem ganzen gar nicht daran gedacht, dass er wieder Panik bekommen konnte, weil er Angst hatte, dass seine Tochter wieder weg war. Wie blöd war ich eigentlich? Langsam breitete sich aber ein dickes Grinsen in seinem Gesicht aus. Er lief zu Carmen und umarmte sie so schwungvoll, dass sie vom Boden abhob und seine Hüfte mit den Beinen umklammerte. Wie gut, dass ich gerade mein Handy zur Hand hatte. Das wurden garantiert zuckersüße Fotos. „Ich dachte schon, du hättest meinen Geburtstag vergessen, Schne.....ähm Flipper." Ja, seit ihrem kurzen Ausflug bestand die Kleine darauf Flipper zu sein, weil sie ja keine Schnecke ohne Haus sein wollte. Andi schien sich so langsam daran zu gewöhnen. „Papa, wir haben ein ganzes Menü für dich gekocht. Und jetzt lass mich runter, sonst wird das Essen kalt." Ihr Stolz darüber war nicht zu übersehen auch wenn sie sich aus der Umarmung frei strampelte. „Herzlichen Glückwunsch", gratulierte auch ich Andi. Er zog mich auch in eine Umarmung und überrumpelte mich damit völlig. „Danke", flüsterte er mir augenzwinkernd zu. „Was gibt es denn Leckeres?", fragte er seine Tochter, die ihn streng anschaute. „Sagen wir dir erst, wenn du dich ausgezogen hast." Erstaunt schaute er an sich herunter und fing an zu lachen. „Da hast du recht. Mit Jacke setzt man sich nicht an den Tisch." „Und mit Straßenschuhen auch nicht", rief sie ihm gleich noch hinterher, während er schon im Flur verschwunden war. Keine Minute später tauchte Andi ohne Jacke und Schuhe wieder auf. „Bitte Platz nehmen, die Damen." Gentlemanlike schob er Carmen und mir die Stühle zurecht. „Und, was gibt es nun?" Neugierig schaute er seine Tochter an, die den Topfdeckel anhob. „Erst Tomatensuppe und dann Lasagne." Sie machte eine kunstvolle Pause „Und als Nachtisch den Schokokuchen. Wir haben auch alles selbst gemacht." „Wow. So ein tolles Geburtstagsmahl hatte ich ja noch nie. Na dann lasst uns loslegen. Kommt, ich tu auf." Andi schnappte sich die Kelle und unsere Teller. Das Türklingeln ließ ihn kurz inne halten. Mist, musste die alte Nebelkrähe ausgerechnet jetzt auftauchen und alles stören? „Ähm vorhin..", fing ich an, als es schon wieder Sturm klingelte. „Die blöde Marlen hat angerufen, dass sie herkommen will", beendete Carmen den Satz für mich. Andi schaute mich alarmiert an und ich zuckte nur mit den Schultern. „Sie hat auf den AB gesprochen, dass sie mit dir sprechen möchte." Wieder ertönte ununterbrochen die Türklingel. Andi sprang auf und lief los. Verflucht, so sollte der Geburtstag aber nicht laufen. Ich schaute zu Carmen, die enttäuscht in sich zusammengesunken war.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt