Kapitel 45

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„Das war doch echt ein guter Lauf, Dodo. Du bist noch fitter als in der letzten Saison." Papa wischte sich mit einem Handtuch den Schweiß aus dem Gesicht und reichte es mir auch. Ja, es war einer meiner letzten Ferientage und ich hatte zusammen mit Papa eine ausgedehnte Laufrunde gemacht. Papa schnappte sich zwei Wasserflaschen aus dem Vorratsschrank. „Man merkt sofort, dass du mit Leo ordentlich trainiert hast. Wenn du nach deiner Sperre wieder mit einsteigst, dann wirst du alle von den Socken hauen. Bestimmt bekommst du diesmal auch eine Einladung zum Trainingslager des Verbands." Ich nickte nur. Ohne Tessa war mir die ehrlich gesagt überhaupt nicht mehr wichtig. Und was die Sperre anging.... „Ist Chantal noch Teil der Mannschaft?" Papa schaute mich verwundert an. „Natürlich. Ich kann sie ja schlecht rausschmeißen, nur weil du ihr eine gescheuert hast. Wenn auch zurecht. Und die Hälfte der Mannschaft steht hinter ihr." Er kratzte sich am Kinn „Außerdem ist ihr Vater und ihr Bruder eine treibende Kraft in der Fan-Szene. Wenn ich sie also rausschmeiße, was meinst du, was dann abbrennt." Ich schaute Papa schockiert an. „Und davon lässt du dich einschüchtern?" Das konnte doch nicht sein. So war Papa doch nicht. Der vertrat immer seine Meinung, ohne Rücksicht auf Konsequenzen. So hatte er Luca und mich auch erzogen. Genau wie Mama, die der Meinung war, man müsste sich immer treu bleiben. „Okay, dann bin ich ab sofort nicht mehr Teil der Mannschaft." Ja, ich wollte auf keinen Fall weiter mit dieser Person zutun haben. Und auch nicht mit ihren Sympathisanten. Nee, nicht mit mir. Dann war meine königsblaue Fußballgeschichte halt beendet. Papa schnappte nach Luft. „Aber Dodo, du kannst doch jetzt nicht einfach so Knall auf Fall deshalb alles hinschmeißen. Du liebst doch diesen Verein. Deshalb bin ich doch dort überhaupt Trainer geworden." „Wegen mir?" Da klappte mir echt der Kiefer herunter „Ich dachte du bist der absolute Schalke-Irre." Papa verzog sein Gesicht und kratzte sich am Hinterkopf „Na ja, du warst immer so hin und weg von der Vereinsfarbe. Schon als kleine Maus ..... und da hast du als Mädchen auch gute Chancen Profi zu werden.... und das wolltest du doch schon immer. Aber wenn ich ehrlich bin, dann schlägt mein Herz für den Vfl." Er machte eine kurze Pause und zuckte mit den Achseln „Einmal Bochumer, immer Bochumer." Ich schluckte. Das konnte doch nicht wahr sein. „Wieso hast du dann nicht Luca da trainiert?" „Na ja, sagen wir mal so, er ist ganz gut, aber er hat nicht dein Potential." Das war...... unglaublich, dass Papa das alles nur für mich gemacht hatte. Sofort bekam ich ein schlechtes Gewissen. „Und wenn wir beide nach Bochum wechseln?", schoss es mir heraus. „Die haben doch gar keine richtige Mannschaft", schüttelte er den Kopf. „Dann bauen wir die halt zusammen auf. Bestimmt kommen auch ein paar von den vernünftigen Mädels mit. Also Sarah und Lisa ganz sicher. Und Silva auch." Ja, die waren definitiv auf meiner Seite. „Trixie und Jenny kommen doch sogar aus Bochum." Die beiden hatte ich ja oft genug mit zum Training genommen. Papa schaut mich skeptisch an, ehe er auf einmal breit grinste. „Im ernst?" Ich nickte wild mit dem Kopf „Klar, ich könnte ja auch meinen Trainerschein machen und dann eine Kindermannschaft aufbauen. Außerdem ist Bochum doch auch blauweiß." Dann musste ich meinen Erwin nicht umlackieren  und etwas mit Kindern zu machen.....da hätte ich richtig Lust zu. Vielleicht konnte ich ja Carmen.... nee, ich sollte von ihr Abstand halten. Das war besser für uns beide, jetzt wo sich die oide Brunzkachl da einkratzte. Papa umarmte mich begeistert. Ich musste an mein Horoskop heute morgen denken Sie beschreiten neue Wege und eine Einladung zeigt Ihnen den Weg in Ihre Zukunft. Na, wenn das kein neuer Weg war, dann wusste ich ja auch nicht. „Dann ist das abgemacht. Ich werde gleich mit dem Vfl telefonieren. Sollen die doch sehen, wer sie weiter trainiert." „Genau, können dann ja Chantals großmäulige Groupies machen", lachte ich. Die würden so abkacken. „Na ihr habt ja gute Laune." Mama kam in die Küche marschiert und ließ sich auf ihren Stuhl plumpsen. „Ja Schnuggerl, wir haben gerade epische Pläne geschmiedet." Papa ging zu ihr und drückte ihr übermütig einen Kuss auf die Lippen. „Sind sie irgendwie gefährlich Krapfen?" Mama schaute zwischen Papa und mir hin und her. Sofort sprudelte er mit allem heraus. „Dann verschwinde ans Telefon. Ich mache heute das Essen. Ein Glück habe ich ja nur sechs Stunden Shooting mit einem anstrengenden Model hinter mir", zwinkerte sie mir zu. „Aber dein Vater und der Vfl. Da geht ein Traum in Erfüllung." Sofort hatte ich wieder ein schlechtes Gewissen. Ich würde mich für Papa da sowas von reinhängen. „Ich finde es aber schön, dass du wechselst." Mama strich mir mit ihrer Hand im Vorbeigehen sanft über den Rücken. Sie schnappte sich einiges an Gemüse aus dem Kühlschrank. „Wir machen heute Gemüsereis. Hilfst du mir beim Schnibbeln?" Ich nickte und holte die Schneidebretter und Messer aus dem Schrank. Zu zweit ging es doppelt so schnell und mein Magen plädierte gerade lautstark für mehr Tempo. „Was war das denn heute für ein Shooting?" Mama verzog ihr Gesicht „Eins für dieses Designer Label, von dem du den Bikini und das Kleid hast. Ich musste mich wieder mit dieser aufgeblasenen, talentfreien Trutschn abquälen. Blöderweise haben die die da unter Vertrag und wir auch." Mama schüttelte resigniert den Kopf. „Das bedeutet für mich noch mindestens zwei Tage Photoshop bis das wirklich brauchbar ist, so dass man es veröffentlichen kann." Und Andi ließ die sogar ohne Photoshop über sich ergehen. Das verstand ich echt nicht. „Ach ja, die Speicherkarte vom Stadion war noch in der Kamera. Die Bilder, die du von der Südtribüne gemacht hast sind echt super geworden. Da wird dein Kunstpauker begeistert von sein." Die Bilder von der Südtribüne? Mein Herz blieb fast stehen. Ich hatte die Bilder alle auf mein Laptop kopiert und sogar schon an alle Verschwörer weitergeleitet. Fuck, ich hatte vergessen die ganzen Aufnahmen von der Speicherkarte zu löschen, ehe ich sie wieder in die Kamera gesteckt hatte. Mama hatte sich die Bilder angeschaut?! Dann hatte sie....."Hast du dir alle Bilder angeschaut?", fragte ich ganz kleinlaut. „Nee, da hatte ich keine Zeit für, aber ich kann das gerne nachher noch machen." „Auf keinen Fall", schoss es mir aus dem Mund. Das fehlte ja gerade noch. Mama schaute mich verdutzt an. Okay, das klang gerade vielleicht etwas zu entschieden „Du hast dir nach so einem anstrengenden Tag deinen Feierabend verdient." Sofort lächelte sie. „Das ist lieb von dir, mein Spatzl. Aber ich könnte...." Ich unterbrach sie sofort. „Wo ist denn die Speicherkarte? Dann bringe ich sie gleich mal in Sicherheit bevor sie doch noch verschollen geht" oder sie jemand Unbefugtes in die Finger bekam, fügte ich im Stillen hinzu. Ich musste die sofort nach dem Essen löschen. „In der Kameratasche ins äußerste Fach habe ich sie gesteckt. Die Kamera liegt auf meinem Schreibtisch." Ich stürzte sofort los. „Ach ja, da ist auch ein Brief, den Andi mir vorhin beim Shooting für dich gegeben hat mit drin. Den kannst du dir auch gleich nehmen.", rief Mama mir noch hinterher. Ich fummelte beides schnell aus der Kameratasche und ließ sofort die Speicherkarte in der Tasche meiner Trainingshose verschwinden. Ein Brief von Andi. Ich drehte ihn in meinen Fingern hin und her, während ich zurück in die Küche lief. Was stand da wohl drin? „Mache ihn auf. Vom Anstarren alleine öffnet er sich nicht", grinste mich Mama an, die mich scheinbar beobachtet hatte. Wie lange stand ich jetzt schon so hier? Auf alle Fälle zu lange. Mein Herz fing vor Aufregung an zu rasen, während ich den Umschlag  zerfetzte. „Da bist du wie dein Vater. So ein Teil muss man nicht so barbarisch aufreißen. Mit einem Brieföffner oder Messer geht das auch ordentlich." Sie schüttelte nur ihren Kopf. Pah, der Umschlag war doch egal. Auf den Inhalt kam es an. Das war.....das war ......  „Eine Einladung zu Carmens Einschulung." Das überraschte mich ziemlich. Einladung!? Sofort schoss mir mein Horoskop wieder in den Kopf, eine Einladung sollte mir doch den Weg in meine Zukunft zeigen. Waren Andi und Carmen vielleicht doch meine Zukunft? Auf alle Fälle musste ich eine ganz tolle Schultüte basteln und etwas Tolles als Inhalt musste mir auch noch einfallen. Das Klingeln meines Handys riss mich aus meinen Gedanken „Hallo, Lucy." Das war ja Mika. Okay, ein Blick auf das Display hätte mir das auch verraten. Wieso rief er an? Wir hatten doch die ganze Zeit immer nur geschrieben? „Ich bin vorhin wieder hier gelandet und..." er machte eine kurze Pause „ich wollte dich gerne nachher ins Kino einladen. Hast du Lust? Da ist gerade ein neuer Actionfilm herausgekommen." Kino? „Ja, klar....Ähm ...Gerne meine ich." Von dem Film hatte ich auch schon gehört. Der sollte echt klasse sein. Und ich hatte ja auch nicht wirklich etwas zutun, außer die Speicherkarte zu löschen. Die Sachen für die Einschulung würde ich morgen erst besorgen. „Gut, dann hole ich dich um sechs Uhr ab." Ich legte das Handy neben mich auf die Arbeitsplatte. „Na Spatzl, du bist ja echt gefragt. Zwei Einladungen an einem Tag", schmunzelte Mama. Verflucht ja. Und welche davon war jetzt die, die mir den Weg in die Zukunft zeigte?

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt