Kapitel 120

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Chrissi schlummerte in meinem Arm und gab ein glucksendes Geräusch von sich. Die Kleine duftete so gut nach Baby. Am liebsten würde ich nur an ihr schnüffeln. Tessa ließ sich mit Alli zusammen neben mir auf dem Sofa nieder. „Wie geht es eigentlich Andi?" Ich spürte wie sich sämtliches Blut aus meinem Körper in meinen Wangen zu sammeln schien. „Gut", brummte ich kaum verständlich vor mich hin. Manno, warum musste sie denn jetzt damit anfangen? Konnte sie nicht einfach eine Stilldemenz haben? Nee, konnte sie nicht, sie stillte ja gar nicht, sondern rührte die Flaschen mit so einem Pulver an. „Du hast den an Silvester aber auch getakelt. Ein Glück, dass wenigstens  Phil, der alte Viehdoktor da war." Ja, das war wirklich Glück gewesen, denn sonst hätte Andi den Rest des Neujahrstags wahrscheinlich in der Notaufnahme verbracht und das alles nur wegen mir. Wer konnte aber auch damit rechnen, dass sich diese dämlichen Luftschlangen so blöd um meine Beine schlangen, dass ich den Abflug machte. Ich jedenfalls nicht. Und noch viel weniger konnte ich damit rechnen, dass Andi auch noch wegrutschte und mir als Fangkissen diente. Was hatten die Scheiß Luftschlangen auch auf der Erde zu suchen? Genau wie dieses blöde Metallkonfetti aus diesem dämlichen Tischfeuerwerk, das sich zu einer spiegelglatten Rutschfläche entwickelt hatte. „Das war ja so auch nicht geplant. Ich wollte doch nur....." „Das wäre ja auch noch schöner, wenn du das geplant hättest", gackerte Tessa. Ja, nee. So etwas Blödes konnte man ja überhaupt nicht planen. Luftschlangen auf der Erde. Pah, die gehörten in die Luft, sonst würden sie ja Erdschlangen heißen. „Aber was wolltest du nur? Das würde mich jetzt echt interessieren? Also Mama hätte sich über ein Loch in der Wand wahrscheinlich mächtig gefreut? Sie versucht Paps schon die ganze Zeit von einem Kamin dort zu überzeugen." Konnte die mal aufhören an meinem Missgeschick so viel Spaß zu haben? Das war nämlich nicht nur peinlich gewesen, sondern es hätte echt übel etwas passieren können. Falsch, es war übel etwas passiert. Nachdem ich nämlich in Andi hineingestolpert war, hatte es ihm auch die Beine weggezogen und er war blöd mit der Schulter gegen die Wand geknallt und hatte sich bei dem Versuch mich abzufangen, damit ich nicht auch noch dagegen knallte, sein Sektglas in der Hand zerdrückt. Phil hatte dann erst einmal den Schnitt zwischen Daumen und Zeigefinger verarztet und eine Schulterprellung diagnostiziert. „Man, ich wollte ihn doch nur umarmen und küssen", entfuhr es mir. Mist, wahrscheinlich dampfte mein Kopf gerade weg, so heiß wie er sich anfühlte. Schnell drückte ich ihn auf Chrissis kleinen Körper. „Du wolltest den alten Sack küssen?" Konnte eine Stimme noch schockierter klingen? „Das ist nicht dein Ernst?" Ja, konnte sie. Wenigstens gackerte Tessa nicht mehr. Vorsichtig hob ich meinen Kopf wieder und schaute in zwei Augen, die mich ungläubig anstarrten. „Ja, ich wollte ihm ein gutes neues Jahr wünschen und ihn küssen, verflucht.", maulte ich sie an. Die sollte aufhören mich so blöd anzustarren. Was war denn daran so schlimm? „Manno, ich wusste ja, dass der Plattfisch nicht wirklich zu dir passt, aber deshalb musst du doch nicht so verzweifeln. Das ist doch noch lange kein Grund für Mumienschändung. Phil ist doch auch noch da." Okay, mein Blut erhitzte gerade aus einem anderen Grund und nicht mehr vor Peinlichkeit. „Sag mal spinnst du?", fauchte ich aufgebracht. „Phil und ich sind gute Freunde, das habe ich dir oft genug schon erklärt. Und ja, der Plattfisch ist nicht das richtige für mich, aber Andi ist verflucht nett und total heiß und alles andere als eine Mumie. Er ist gerade einmal 12 Jahre und 345 Tage älter als ich." Sprachlos schaute Tessa mich an. Hatte ich sie jemals schon sprachlos erlebt? Ehrlich gesagt nicht. Aber ehrlich gesagt war ich ihr gegenüber auch noch nie so laut geworden. Ja, ich war ziemlich laut geworden. Das bestätigten mir zwei Babys, die leise zu jammern anfingen. Schnelle begann ich Chrissi in meinem Arm zu wiegen. „Und ich liebe ihn", flüsterte ich ganz leise. „Du liebst ihn?" Scheinbar hatte ich nicht leise genug geflüstert. „Ja verflucht, ich liebe ihn", kam es diesmal wieder laut. Egal, dann war es jetzt halt heraus. Ich schaute zu Tessa, die fassungslos starrte. „Was brüllt ihr denn hier so herum? Ist etwas mit den Windelpupsen?" Leo kam zu uns ins Wohnzimmer gesprintet und schaute nervös zu seinen Töchtern. „Sie liebt Andi", kam es immer noch geschockt von Tessa und sie deutete mit ihrem Kopf in meine Richtung. Scheinbar wollte sie, dass auch auf keinen Fall Unklarheiten aufkamen. „Das ist doch schön", lächelte Leo mir zu, ehe seine Stirn sich krauste. „Aber bist du nicht mit Mika zusammen?" Super, noch einer mehr, der mit mir mein Liebesleben diskutieren wollte. „Ach, der Plattfisch passt doch überhaupt nicht zu ihr", winkte Tessa sofort mit ihrer Hand ab. „Das müssen wir ihm nur noch klar machen. Müssen wir doch, oder?" Sie schaute mich fragend an und ich nickte nur. „Na dann ist doch alles super", grinste Leo sofort wieder „Dann wünsche ich euch viel Glück." „Spinnst du", fuhr Tessa sofort wieder hoch. „Der ist dreizehn Jahre älter." „Zwölf Jahre und 345Tage", korrigierte ich sie sofort. Das hatte ich doch nicht umsonst ausgerechnet. „Na dann, die zwanzig Tage retten ja alles", schnaubte sie nur. „Zuckerschnecke, ich bin auch älter als du", warf Leo ein und ich schaute ihn dankbar an. „Du bist aber nur drei Jahre älter als ich, Erpel. Das ist doch etwas ganz anderes." Sie schüttelte vehement den Kopf. Was war denn der Unterschied zwischen drei Jahren und dreizehn? Älter war älter, basta. „Das heißt du hättest mich nicht genommen, wenn es zehn gewesen wären oder...." Leo schaute zu mir „Zwölf und 345 Tage", half ich ihm aus. „Was ist denn die tolerierbare Grenze?" Tessa schaute ihn nachdenklich an. „Du hast recht, ich hätte dich so oder so geliebt, auch wenn du jünger als ich gewesen wärst." Zufrieden strahlte er seine Frau an, beugte sich zu ihr und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. „Sage ich doch, Liebe kennt kein Alter. Ich bin dann mal wieder in der Küche und mache die Fläschchen für die Windelpupse." Ich schaute ihm hinterher, wie er wieder aus dem Zimmer verschwand und mein Herz hämmerte in meiner Brust. Wie reagierte Tessa jetzt wohl?

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt