Kapitel 157

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„Ja mei, du bischt joa a richtig Frau worn." Omas ältere Schwester Georgia umarmte mich herzlich. „Mensch Tante Gorgi, du machst ja unserer Kleinen Angst." Tante Laura schob die älter Dame einfach beiseite und umarmte mich auch. Sie war Mamas große Schwester und weigerte sich standhaft bayrisch zu sprechen seit sie mit Onkel Fiete verheiratet war, der aus Schleswig Holstein kam. „Und du bischt ihr Bursch?" Ehe Andi überhaupt reagieren konnte, wurde er von Tante Georgia umarmt. Obwohl Tante stimmt ja nicht, eigentlich war sie meine Großtante. Ich schaute besorgt zu ihm, aber er grinste nur breit und zwinkerte mir zu. „Gorgi jetztert loss den orme Kerl aussi." Opa pfiff seine Schwägerin zurück und klopfte Andi aufmunternd auf die Schulter. „Sie is a bissl wuid, sie kimmt da hinna von die Tirola." Andi schaute meinen Opa an und nickte. Ich würde wetten, dass er gerade versuchte in seinem Kopf zu entschlüsseln, was Opa gesagt hatte. „I bin a Isartalerin g'nau wie dei Weib a", protestierte Tante Georgia sofort. „Meine Mutter und Tante Gorgi sind nicht aus München, sondern aus dem Isartal, genau genommen aus Mittenwald", erklärte Laura. „Und da Mittenwald direkt an der Grenze zu Tirol liegt, sind es für die Münchner halt schon die Tiroler." Andi nickte. „Mittenwald? Sind wir da nicht gestern durchgefahren?" „Ja, als wir nach Seefeld sind", stimmte ich ihm zu. „Wos do wart's ihr in mei Heimat und seids net ranfahr'n." Tante Georgia schaute meine Oma ganz enttäuscht an. „Ja mei Gorgi, mir wollt holt schwimma geng mit der Kloana." Das war dann wohl das richtige Stichwort, denn Tante Gorgi drehte sich herum und verrenkte sich den Hals. „Joa, wo is denn die Kloana?" Wie magisch angezogen kam Carmen aus dem Garten angerannt. „Oma Valentina, wann kommt denn der Osterhase?" Aufgeregt zuppelte sie an Omas Hand und schaute sich erschrocken um. Ja, mit so viel Leuten auf einen Schlag hatte sie wohl nicht gerechnet, denn außer Tante Laura, Tante Georgia und Onkel Fiete waren natürlich auch Onkel Marcus mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern eingetrudelt. Er war das Nesthäkchen der Familie und seine Kinder waren nur ein paar Jahre älter als Carmen. Damit dürfte sie heute mehr als genug altersgleiche Abwechslung haben. Gerade läutete es wieder und Opa machte sich zur Tür auf. Mein Blick ging zu Carmen, die alle musterte und dann noch einmal die Schleife von ihrer Schürze zurecht zuppelte. Im nächsten Moment ertönte ein laut und vernehmliches Grias Gott von ihr. „Na das is dann wohl die Kloana." Tante Georgia klatschte begeistert in die Hände und umarmte Carmen, die doch etwas überrascht von diesem Herzlichkeits-Anfall schien. „So a fesches Madl." Ich musste grinsen, denn Carmen versuchte sich geschickt aus dieser bei uns allen gefürchteten Umarmung zu winden. „Was steht ihr denn hier alle Gurke?" Ich drehte mich zur Tür und eine riesige Freude überkam mich. Das war meine Cousine Gina, die ich schon ewig nicht mehr gesehen hatte. Früher waren wir fast unzertrennlich und sie war mein großes Vorbild. Ihr hatte ich in allem nachgeeifert. Zwar war sie zwei Jahre älter als ich, aber das hatte uns nie gestört. „Lucy", quietschte sie los, als sie mich entdeckt hatte und ich stürzte mich genauso quietschend auf sie. Wir umarmten uns. „Oh man, das kann dauern, wenn die beiden Hühner aufeinander treffen", hörte ich Onkel Fiete stöhnen. „Gar nicht, wir sind ja jetzt erwachsen." Gina und ich lösten uns. „Außerdem habe ich noch jemand mitgebracht." Sie drehte sich um und hinter ihr tauchte ein Gesicht auf, das ich schon ein paarmal gesehen hatte. „Darf ich vorstellen, das ist Leonie." „Die Großkreutz Tochter", schoss es mir aus dem Mund. Ein breites Grinsen tauchte in ihrem Gesicht auf und sie reichte mir die Hand. „In voller Größe. Und du bist doch die Goretzka Tochter und Schwester von Luca." Ich nickte. „Woher kennst du meinen Cousin?" Gina schaute sie verwundert an. „Wir sind uns an Silvester über den Weg gelaufen", klärte sie meine Cousine auf. „Und der Erbsenzähler hat so einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen, dass du dich noch an ihn erinnerst?" Ginas Gesicht war anzusehen, dass ihr das unverständlich war. Ja gut, Luca und sie waren meist wie Katze und Hund. „Er war echt cool. Was soll ich sagen." Diese Leonie zuckte mit den Schultern, während Gina ihren Kopf schüttelte „Cool?" Irgendwie fühlte ich mich verpflichtet mein Bruder als Thema zu beenden. „Und was machst du hier?", wandte ich mich also an die Dortmunderin. „Wir beide gehen ab nächste Woche für ein halbes Jahr auf Weltreise." Die Augen meiner Cousine glitzerten vor Aufregung. „Das wird wirklich cool. Erst geht es nach Amerika, dann Südamerika und dann nach Asien. Ganz am Schluss wollen wir noch nach Afrika." Wow, das hörte sich nach einer Menge Aufregung an. „Willst du nicht auch mitkommen?" Gina strahlte mich begeistert an. „Zu dritt wird das garantiert noch cooler." Ich schüttelte schnell meinen Kopf „Lucy bleibt für immer bei uns." Carmen hatte wohl die Unterhaltung mitbekommen und musste ihre Meinung dazu abgeben. Mit ihren Armen umschlang sie meine Taille und presste sich an mich. „Und wer ist dieser besitzergreifende Klammeraffe?" Gina musterte die Kleine neugierig. „Das ist meine Tochter." Andi hatte sich auch hinter mich geschoben und seinen Arm um meine Schulter gelegt. „Und du bist?" Gina musterte ihn neugierig. „Das ist Andi, mein Freund." Manno, das hörte sich immer noch ungewohnt, aber total schön an. „Wow, dann machst du jetzt auf Familie. Das wäre mir ja noch nichts." Meine Cousine schaute mich verblüfft an. „Ich will erst noch mein Leben genießen. Ihr habt aber auch einen ganz schönen Altersunterschied." Sie rümpfte ihre Nase. Komisch, von ihr hätte ich diese Vorurteile am wenigsten erwartet.  „Das ist doch Wurscht. Wichtig ist doch nur, dass man sich liebt. Das behauptet jedenfalls mein Alter immer. Und was ein Großkreutz sagt, das stimmt." Erstaunt schaute ich zu Leonie und mit einem Schlag war sie mir gleich viel sympathischer. „Können wir jetzt endlich Eier suchen, Oma Valentina?" Carmen wurde langsam ungeduldig und ich wenn ich ehrlich war auch, denn ich fragte mich, was Andi wohl für mich hatte und wie ihm mein Geschenk wohl gefiel.

Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt