„Siehst du Papa, ich habe doch gesagt, dass Lucy versprochen hat heute zu kommen." Carmen krallte strahlend ihre Arme um mich. „Jetzt gibt es gleich eine Vorführung für uns zum Abschied und dann nachher Spiele und einen Grill." Die Kleine hüpfte aufgeregt von einem Bein zum anderen und ihre kleinen blonden Rattenschwänze wippten dabei hin und her. „Schau mal Schnecke, Dani sucht dich schon." Der Sohn von Jasi kam winkend auf uns zugerannt und hatte seine Mutter und ihren neuen Mann Marvin im Schlepptau. „Was machst du denn heute hier?" Jasi schaute verwundert zwischen Andi und mir hin und her. „Bist du nachher noch verabredet?" Andi schüttelte seinen Kopf „Nee, heute der Tag gehört nur noch meiner Schnecke. Nicht wahr?" Carmen nickte wild „Und Lucy. Die hab ich nämlich eingeladen." „Wir sollen zu Frau Mietz kommen." Dani schnappte sich Carmens Hand und zog sie mit sich. „Na dann sollten wir uns wohl auch Plätze suchen." Marvin griff die Hand seiner Frau und zog sie mit sich zu den aufgebauten Stuhlreihen. „Na dann." Andi deutete mir vor ihm zu gehen. Neidisch schielte ich auf Jasi und Marvin und dachte dann wieder an die geheime Fracht in meinem Koffer. Wenn ich mich nicht zu blond anstellte, würde ich das auch bald haben. Jawohl. „Ich freue mich Sie alle im Namen der Leitung der Kita begrüßen zu können", begann eine Frau im Alter meiner Mutter ihre Rede. Mein Blick ging in die vorderen Reihen, wo die Kinder saßen. Ein Grinsen schlich sich in mein Gesicht, als ich sah, wie aufgeregt Carmen auf ihrem Po hin- und herrutschte, während sie aber genau zuhörte, was die Erzieherin erzählte. Als ihr Name aufgerufen wurde, sprang sie sofort strahlend auf und rannte nach vorne, um ihre kleine Schultüte und einen Bilderrahmen mit einem Gruppenbild in Empfang zu nehmen. Andi neben mir filmte die ganze Zeit mit seinem Handy, genau wie Marvin. Zum Abschluss gab es noch ein kleines Singspiel, was echt toll gemacht war. Man sah, wie sich die Erzieherinnen Mühe gegeben hatten das den Kleinen beizubringen. „So, und jetzt darf ich Sie alle in den Garten zu unserem Sommerfest bitten." Emsiges Durcheinander entstand als alle Elternteile aufstanden und gleichzeitig die dazugehörigen Kinder versuchten sie zu finden. „Papa, schau mal eine Schultüte." Carmen kam auf uns zugeprescht und drückte ihrem Vater das buntbemalte Teil in die Hand. „Ich bin jetzt kein Kitakind mehr." Na das war doch mein Stichwort. Schnell zauberte ich mein Geschenk aus meiner Tasche hervor und überreichte es ihr. Die Kleine zerfetzte das Papier sofort und hielt das T-Shirt in den Händen. „Was steht da drauf?" Ihre Augen blitzten neugierig „Ich bin jetzt ein Schulkind", las ich vor und fuhr dabei jedes Wort gleichzeitig mit dem Finger ab. „Cool. Darf ich das gleich anziehen?" „Schnecke, du darfst dich erst einmal bedanken. Sie ist heute total durch den Wind." Andi schaute entschuldigend zu mir. Das konnte ich gut verstehen. Ich konnte mich noch daran erinnern, wie ich mich damals gefreut hatte zur Schule zu kommen, weil ich dann auch endlich lesen und schreiben wie Luca lernen konnte. „Das ist ja auch ein großer Schritt. Da kann man ruhig aufgeregt sein", verteidigte ich die Kleine. „Da haben Sie ganz Recht. Hallo, Herr Göbel." Die Dame, die vorhin die Rede gehalten hatte, reichte Andi die Hand. „Hallo, Frau Mietz", grüßte er zurück. „Dann ist das heute also Carmens letzter Tag hier. Ich wollte mich auch noch einmal bei Ihnen bedanken, dass Sie immer so viel Verständnis aufgebracht haben." Sie lächelte ihn an „Bei einem so engagierten alleinerziehenden Vater macht man das doch gerne. Aber wie ich sehe, gehört das der Vergangenheit an." Ihr Blick ging zu mir. „Ähm, nein." Andi hatte ganz rote Wangen bekommen „Das ist Lucy, eine Freundin der Familie und Carmens Babysitterin." „Schade, eine weibliche Bezugsperson, die dauerhaft für Carmen da ist, hätte ihr bestimmt auch gut getan." Ja, die Frau hatte absolut Ahnung. Und Andi würde ich mit Sicherheit auch gut tun. Das würde er bald auch begreifen. „Lucy, kommst du mit in den Garten, wir beide müssen doch im Dreibeinlauf antreten." Carmen zog an meiner Hand. „Na das würde ich mit der weißen Hose lieber lassen, so staubig wie es bei draußen im Garten ist", warnte mich die Erzieherin. Ich winkte ab „Egal, die kann man auch wieder waschen." Dafür erntete ich einen anerkennenden Blick. „Die haben wir alle besiegt." Carmen hüpfte eine Viertelstunde später auf einem Bein vor mir und wedelte mit der Medaille in der Hand, die wir als unangefochtene Sieger überreicht bekommen hatten. „Wollen wir jetzt noch beim Entenangeln mitmachen oder beim Basteln?" Ich schaute mich im Garten um und entdeckte Andi, der gerade mit Marvin und Jasi in einem Gespräch vertieft war. „Basteln", entschied ich. Dann konnte er nachher noch mit seiner Tochter angeln gehen. „Schau mal, wenn du hier entlang schneidest, geht es viel einfacher." Mit meinem Zeigefinger fuhr ich die Linie entlang. Carmen nickte und folgte meinem Rat. „Darf ich Sie fragen, ob Sie auch aus unserem Beruf kommen? Sie gehen so fantastisch mit der Kleinen um." Das war doch wieder diese Frau Mietz, die mich da gerade ansprach. Ich schüttelte lächelnd den Kopf „Nein, ich gehe noch zur Schule und mache nächstes Jahr mein Abitur." „Bestimmt wollen Sie oder darf ich Du sagen?" Ich nickte schnell. Duzen war mir weitaus angenehmer. „Bestimmt willst du dann Lehramt studieren. Das wollen ja die meisten, die gut mit Kindern umgehen können. Da verdient man mehr als eine Erzieherin und hat auch mehr Ferien." „Ich weiß noch nicht, was ich machen will, außer dass es etwas mit Kindern sein soll. Aber Lehrerin möchte ich eigentlich nicht werden." Sie fing an breit zu grinsen „Also mit dem Abitur stehen dir alle Wege als Erzieherin offen. Du kannst dann eine dreijährige Ausbildung an einer Fachschule für Sozialpädagogik machen. Wenn du dich dafür entscheiden würdest, hast du bei uns deinen Platz für den praktischen Teil sicher. Du bist wirklich begabt im Umgang mit Kindern. Ich könnte mir dich aber auch gut als Ergotherapeutin oder als Logopädin vorstellen. Das sind beides übrigens auch richtige Studiengänge." Das hatte ich gar nicht gewusst. Da sollte ich mich echt einmal informieren. Das machte bestimmt auch Spaß, wenn man Kindern, die Probleme hatten in ihrer Entwicklung, unterstützen konnte. „Vielen Dank, für Ihren Tipp", bedankte ich mich. „Kein Ding, ich muss doch um guten Nachwuchs buhlen", zwinkerte sie mir zu, ehe sie sich einer anderen Mutter zuwandte. Mhm, Ergotherapeutin, Logopädin, Erzieherin. Das hörte sich wirklich alles spannend an. Ich musste grinsen. Hatte meine Horoskop App heute morgen mir nicht gesagt, dass sich die Weichen für meine Zukunft stellen. Na das war auf alle Fälle eine Weichenstellung. Ich musste nur noch herausbekommen in welche Richtung. Das würde ich aber gleich angehen, wenn wir aus Ibiza zurück waren. Da würde ich mir einen Termin bei der Berufsberatung holen. Dann wusste ich wenigstens, wie meine Chancen standen und auf welche Fächer ich nächstes Jahr meinen Schwerpunkt legen musste. Das war doch erst einmal ein Plan. „So, Schnecke. Jetzt gehen wir beide noch Entenangeln und dann gehen wir zur Feier des Tages noch schön Essen", riss mich Andis Stimme aus meinen Gedanken. „ Au ja, zu Mecces und Lucy kommt auch mit." Carmen umarmte erst ihren Papa und dann mich ganz aufgeregt. „Ähm, ich weiß nicht, ob Lucy überhaupt Zeit hat. Schließlich hat sie uns schon ihren ganzen Nachmittag geopfert." Geschenkt. Ich würde auch mein ganzes Leben hergeben. Natürlich sagte ich das nicht. „Das war kein Opfer, sondern hat Spaß gemacht. Und ich würde auch gerne noch mit zu Mecces kommen, wenn ich einen Milchshake bekomme.", zwinkerte ich Carmen zu, die sofort jubelnd ihre Arme in die Höhe riss. „Du bekommst sogar noch einen Burger und Pommes dazu." Dieses Mal waren es Andis blaue Augen, die mir zuzwinkerten und meinen ganzen Körper in hellen Aufruhr versetzten.
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Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️
RomansaLucy kommt sich so langsam wie das letzte Einhorn vor. Alle ihre Freundinnen haben einen Freund, nur sie nicht. Und der Kerl für den sie schwärmt, sieht in ihr alles mögliche - die Babysitterin und die Tochter seiner Kollegin - aber nicht das, was s...