„So jetzt noch einmal bitte umziehen", gab Jeremy seine Anweisung an mich. Ich nickte und lief Richtung improvisierter Garderobe, wo mich schon Renée erwartete. Heute war sie komplett für das Make up, die Frisur und das Outfit zuständig, da wir nur ein kleines Zelt als Rückzugsort hatten. Das war wohl bei solchen Outdoor Shootings durchaus üblich, denn Andi hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt. Mit klappernden Zähnen lief ich also wie befohlen dorthin. Verflucht, was das kalt. Die Sonne strahlte zwar vom Himmel, aber das nützte auch nicht viel, wenn man mit Sommerklamotten hier am leeren Strand posieren musste. Ja, außer uns war hier an diesem Strandabschnitt wirklich keine Menschenseele zu entdecken. Also rein optisch war es wirklich schön und ich konnte gut verstehen, dass die Fotos genau hier gemacht wurden. Die Dünen türmten sich hinter mir auf und das Dünengras bewegte sich ganz sanft in dem leichten Wind, der an der See einfach dazu gehörte. Das wäre bei zehn oder zwanzig Grad mehr bestimmt auch in den Sommerklamotten toll. Aber leider hatte es heute eben nur mickrige 2 Grad. Und da war es egal, ob im Schatten oder in der Sonne. Man fror immer. ‚Wenn's di kolt is, machst dia a poar warme G'danka. Des hülft imma' würde Oma in so einem Moment sagen. Ich schloss kurz meine Augen und dachte an heute morgen zurück. Ich hatte in dem warmen Bett an Andi gekuschelt gelegen und seinen Rasierwasserduft inhaliert. Manno, der roch so gut. Sein Arm hatte sich auch um meine Hüfte gekrallt. Jedenfalls bis zu dem Moment, in dem er wach geworden war. Ich hatte mich extra weiter schlafend gestellt, damit er so liegen blieb. Das hatte sogar funktioniert. Dummerweise war dann aber der Wecker angegangen und er war fluchtartig ins Bad verschwunden. Okay, der Gedanke taugte nur kurz für eine leichte Erwärmung. „Na, wie läuft's?" Renée erwartete mich schon lächelnd. „Ganz gut, glaube ich." So ganz sicher war ich mir nicht, denn auch wenn Jeremy wirklich sehr nett war, war er eben doch nicht Mama. Bei ihr hätte ich schon am Gesicht ablesen können, ob sie wirklich zufrieden war. „Ach Maus, du wuppst dat schon", versuchte Renée mir Mut zuzusprechen. „Wir haben noch drei Outfits und dann ist es auch schon geschafft. Wobei das letze echt eine Herausforderung ist. Da möchte ich nicht in deiner Haut stecken." Wie meinte sie denn das? Ich schielte auf den Ständer. Ach du große Frostbeule. Da hing ein knapper Bikini. Alleine bei dem Gedanken damit durch die Dünen zu wackeln, schoss mir eine fette Gänsehaut über den Körper. Okay, aber was hatte ich auch bei Sommerklamotten erwartet? Die dicke Felljacke bestimmt nicht. Schnell schlüpfte ich also in das nächste dünne Sommerfähnchen und in die Sandalen. Jedenfalls hatte ich feststellen können, das Sand im Winter genauso kalt blieb, egal, ob man schnell oder langsam darüber lief. Ich dachte an Ibiza und daran wie oft ich über den Sand gehüpft war, weil er mir fast die Sohlen verbrannte. Auch dieser Gedanke sorgte nur kurz für Erwärmung meiner Füße. „Da bist du ja schon. Das ging ja schnell", begrüßte mich Jeremy. Ja, schnell war gut, denn desto schneller kam ich irgendwo, wieder ins Warme. „Dann laufe mal da unten am Wasser lang. Ich habe schon alles vorbereitet." Bei genauerem Hinsehen sah ich wirklich schon sein Stativ in der Nähe des Wassers stehen. Die Sonne spiegelte sich wunderschön. Ja, das gab bestimmt tolle Fotos. „So, und jetzt ziehst du die Schuhe aus und schwenkst sie in deiner Hand, während du etwas in dem flachen Wasser hüpfst." Ich folgte seiner Anweisung. Boah Scheiße, war das Wasser kalt. Mit viel Willenskraft versuchte ich mir das nicht anmerken zu lassen und strahlte weiter in die Kamera. Schließlich sollte Mama doch stolz auf mich sein, dass ich es auch ohne sie geschafft hatte. „Perfekt. Du kannst dich wieder umziehen gehen. Wenn es weiter so gut läuft, hast du es gleich geschafft." Na hoffentlich, denn ich war kurz davor zu einem Eisklotz zu mutieren. Schnell setzt ich mich zu Renées Zelt in Bewegung. Dort war es wenigstens ein paar Grad wärmer. „Die Kleine ist echt süß. Ein absoluter Hingucker", hörte ich diesen Steve vom Label laut und vernehmlich, als ich an ihm und den anderen beiden Nasen vorbei lief. Der Typ war so ein Weiberheld. Bei wem er wohl diesmal landen wollte? Hoffentlich nicht bei einer, die meinen Job haben wollte, denn der machte mir trotz des Frieren Spaß. Und das Geld konnte ich für mein Studium auch echt gut gebrauchen. Klar, würden Papa und Mama mich auch unterstützen, aber irgendwie würde ich es schon gerne selbst schaffen. Jedenfalls ein kleinen Teil davon zu finanzieren. „Ja, da kommst du aber zu spät", grinste ihn Mario an und Paul nickte „Da ist der Göbel schon dran." Göbel? Wie bitte? Andi war schon wieder an irgendsoeinem hirnlosen Kleiderständer interessiert? Das konnte doch gar nicht sein. Falsch, das durfte nicht sein. Was sollte ich denn jetzt machen? Jedenfalls war mir gerade nicht mehr kalt. Ich kochte förmlich. „Egal, ich versuche nachher mein Glück trotzdem", hörte ich noch Steve hinter mir. „Hier ich habe dir einen warmen Kakao geholt." Wo kam Andi denn auf einmal her? Er reichte mir einen dampfenden gut duftenden Becher. Mit meinen zitternden Fingern umklammerte ich ihn. Boah, tat das gut. „Danke" Trotz meines Frust, dass er schon wieder hinter irgendeinem blöden Model hinterher war, lächelte ich ihn dankbar an und nahm einen Schluck. Ja, das tat richtig gut. Ich spürte sofort wie die Wärme sich in mir ausbreitete....
„So, das letzte Foto ist im Kasten." Jeremy schaute mich zufrieden an und meine Zähne begannen sofort heftigst aufeinander zu klappern. Schützend schlang ich meine Arme um meinen Oberkörper. Kein Mensch sollte bei zwei Grad in einem Bikini am Strand herumturnen. Noch dazu mit einem so knappen. Obwohl etwas mehr Stoff hätte es nicht wärmer gemacht. Ich sollte Mama sagen, dass ich im Winter nur noch für Thermo-Unterwäsche modelte. Bei dem Gedanken an kuschelig warme Beinkleider wurde mir gleich noch kälter. „Komm, hier. Zieh das an. Du bist ja total durchgefroren." Andi schlüpfte aus seinem dicken Parka und reichte ihn mir. „Da....dann... fri....frierst du....du....a.....aber", schlotterte ich. „Quatsch. Ich habe ja noch einen Pullover an", zwinkerte er. Boah die Jacke war so schön vorgewärmt und duftete wieder nach ihm. Schlagartig war mir wärmer und ich kuschelte mich in den Stoff. „Also Lucy, du hast wirklich perfekte Arbeit geleistet." Mario grinste mich zufrieden an und Paul nickte zustimmend. „Ihr wohnt doch auch in Bremerhaven im Atlantic", wandte sich Steve an Andi, der nickte. „Prima." Steve klatschte begeistert in seine Hände. „Lucy, dann lade ich dich heute Abend zum Essen ein. So als kleines Dankeschön." Wie er lud mich ein? Und was war mit Andi und Jeremy? „Ihr beide könnt euch dann ja einen schönen Männerabend mit Paul und Mario machen", wandte er sich an die beiden und wackelte mit den Augenbrauen. „Ihr wisst schon, in einer Hafenstadt gibt es immer coole Clubs. Da muss man nicht unbedingt nach St. Pauli." Der meinte doch nicht...... doch, so wie Jeremy, Paul und Mario grinsten, meinte er genau das. Ich linste zu Andi, der als einziger nicht grinste. Was hatte Mario vorhin gesagt? Andi war wieder an einem Kleiderständer dran. Und Steve hatte gesagt, er wollte es heute trotzdem bei dem versuchen. Aber das bedeutete ja.........das bedeutete, er meinte mich damit. In meinem Kopf setzte sich eine Achterbahn in Gang. Dann war Mario der Meinung Andi stand auf mich. Ich unterdrückte ein freudiges Quietschen, konnte aber ein breites Lächeln nicht vermeiden. „Ich hole dich dann um 20 Uhr in deinem Zimmer ab", zwinkerte er mir siegessicher zu. Scheinbar hatte er mein Lächeln wohl falsch interpretiert. Mist. Was sollte ich denn jetzt machen? Wie kam ich da wieder raus. Ich wollte auf keinem Fall mit dem Aufreißer essen gehen. Nein, ich wollte mit Andi lieber wieder in der urigen Kneipe Backfisch futtern und hinterher einen Filmabend machen. „Das kannst du dir sparen. Wir reisen gleich nach dem Shooting ab", kam es bestimmt von Andi. „Und du gehst dich lieber umziehen, damit wir los können." Er schob mich in Richtung Zelt. „Ich habe es dir doch gesagt", lachte Paul hinter mir. „Ein Versuch war es wert", hörte ich auch Steve lachen. Na der nahm seine Einladungen ja ernst. Was hieß aber, wir reisten ab? Andi hatte mir doch versprochen, dass wir morgen noch in den Zoo gehen wollten. Außerdem hatte ich mich schon darauf gefreut mich wieder an ihn zu kuscheln. Das konnte er doch nicht einfach so alles über den Haufen werfen.
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Schuss und Treffer auf der Reservebank Teil 8. ✔️
RomanceLucy kommt sich so langsam wie das letzte Einhorn vor. Alle ihre Freundinnen haben einen Freund, nur sie nicht. Und der Kerl für den sie schwärmt, sieht in ihr alles mögliche - die Babysitterin und die Tochter seiner Kollegin - aber nicht das, was s...